Pensionskassengelder, Säule-3-Konten, AHV-Beiträge. Kaum einer hat die Übersicht über alle Zahlungen und Guthaben, die einst die Rente sichern sollen. Und weil heute vieles noch auf Papier abgewickelt wird, gehen beim Stellenwechsel auch mal Gelder vergessen. Oder verloren.

Für die Versicherten ist das ein Ärgernis. Und für Anbieter von Vorsorgelösungen bedeutet das unübersichtliche Drei-Säulen-System hohe Transaktionskosten und dass Geschäft brach liegt, weil vieles zu kompliziert ist. Das will der Lebensversicherer Baloise ändern.

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Das Projekt heisst «Vorsorgedossier», wie Baloise-Manager Adrian Honegger erklärt. Der Versicherer arbeitet an einer Plattform, die Informationen aus allen Vorsorgeorganisationen zusammenfasst: Von der Lebensversicherung bis zum Geld in der BVG-Auffangorganisation. «Der Versicherte soll alles auf einen Blick sehen», sagt Honegger. «Etwas, das heute nicht möglich ist.» Gleichzeitig soll die neue Plattform Transfers zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern erleichtern.

«Der Benutzer bestimmt, wem er Zugriff auf die Daten gibt. Ob das der Versicherungsberater oder der Banker ist.»

Adrian Honegger, Head Group Strategy and Digital Transformation Bâloise

Derzeit arbeiten die Programmierer an Prototypen. Bereits im August sollen erste Funktionen vorgestellt werden, die den Wechsel von einer Pensionskasse zur anderen mit künstlicher Intelligenz erleichtern solle. Ein Algorithmus soll automatisch Pensionskassen-Austritte und -Eintritte abgleichen und so nahtlose Transfers ermöglichen. Anschliessend macht sich die Baloise auf die Suche nach Partnern. Denn Sinn macht eine solche Plattform nur, wenn möglichst viele andere Versicherer und Pensionskassen mitmachen.

Der Schlüssel zu den vereinten und abgeglichenen Daten soll nicht etwa beim Versicherer, sondern beim Kunden liegen, sagt Honegger. «Er bestimmt, wem er Zugriff auf die Daten gibt. Ob das der Versicherungsberater oder der Banker ist.» Liegt die Zustimmung einmal vor, können Versicherer und Banken die Daten auch in ihre eigenen Anwendungen einbinden.

Die Baloise will sich als Akteur im Hintergrund halten. Aktuelle Codes werden über die Plattform Github entwickelt. Im Netz kann sich jeder den aktuellen Stand der Programmierung anschauen. Oder eigene Inputs einbringen. «Unser Ziel ist ein offenes Ökosystem, an dem alle mitwirken», sagt Honegger.

Helvetia und Zurich als mögliche Partner

Natürlich macht der Versicherer das nicht nur aus Freude am Programmieren. Einerseits erhofft sich die Baloise von der Plattform einen besseren Zugang zu den eigenen Kunden. Andererseits braucht sie sowieso ein neues System für die Verwaltung der Vorsorgegelder. Ihr bestehendes kommt langsam in die Jahre und muss abgelöst werden.

Natürliche Partner im «Vorsorgedossier» sind denn auch die zwei Versicherer Helvetia und Zurich. Sie arbeiten wie die Baloise mit dem Vorsorgesystem Prevo, einem Joint-Venture von Baloise und Helvetia. Und zusammen mit Prevo entsteht auch der aktuelle Pilot.

Ziel sei, die Anwendung mit Blockchain-Technologie umzusetzen, so Honegger. Das sei zwar nicht zwingend, würde es aber ermöglichen, das Vorsorgedossier glaubwürdig auf eine neutrale Basis zu stellen. Anders als wenn die Daten auf einem Server im Keller der Bâloise liegen würden.

Mit der Blockchain hat die Baloise bereits Erfahrung gesammelt. Honegger erwähnt die Technologie eher zurückhaltend, auch wenn er ein grosser Fan von ihr ist. In der Branche herrsche derzeit ein grauenhaftes «Buzzword Bingo». Einen Nutzen generiere die Blockchain nur, wenn mit ihrer Hilfe etwas umgesetzt werden könne, was eine normale Datenbank nicht kann. Etwa, eine neutrale Plattform zu erstellen. «Wir haben viele Sachen angeschaut und haben etwa 20 bis 30 Use Cases definiert, die für uns Sinn machen könnten.»

Auch im Bereich der Vorsorge hat die Bâloise erste Codes geschrieben: Ein fertig entwickelter Prototyp sollte den Pensionskassenwechsel von Mitarbeitern erleichtern. «Bei jedem Stellenwechsel sind fünf Parteien involviert», sagt Honegger. «Zwei Arbeitgeber, zwei Pensionskassen und der Mitarbeiter». Da werde viel Papier hin und her geschickt, bis das Geld von der alten Pensionskasse zur neuen gelangt. Und weil gleichzeitig unterschiedliche Akteure involviert sind, würde sich eine Blockchain-Anwendung eigenen, um die Daten kassenübergreifend zu verwalten.

Ein erster Blockchain-Protoyp liegt auf Eis

Der Prototyp existierte bereits, doch dann machte der Baloise der Markt einen Strich durch die Rechnung. Die Anwendung sollte auf der Ethereum-Blockchain laufen, doch dann zogen dort die Preise für Transaktionen an. «Ein Kassenwechsel war digital plötzlich teurer als die Abwicklung auf Papier», konstatiert Honegger. Das Projekt wurde gestoppt und machte als Flop medial die Runde.

Ganz tot ist auch diese Anwendung nicht. Derzeit prüft die Baloise die Umsetzung auf einer anderen Blockchain wie IOTA. Möglich wäre es auch, auf eine interne Blockchain zu setzen. Doch dann entfiele der Vorteil der neutralen Plattform. Mittelfristig könnte der Prototyp auch mit den neuen Ideen zum Vorsorgedossier kombiniert werden.

Im Moment ist vieles noch unscharf. Es werden so genannte «Minimum Viable Products» oder «Proofs of Concept» erstellt, um abzuklären, was überhaupt sinnvoll und machbar ist. Gemeinsam ist allen Bâloise-Projekten, dass sie als offene Plattformen angedacht sind, die im Idealfall zu einem Branchenstandard werden. «Wir würden das gerne für die Branche machen», sagt Honegger. «Oder gleich für die Eidgenossenschaft.»

Blockchain-Projekte in der Assekuranz

Axa Schweiz

Die Axa nutzt die Blockchain für ihr «Card Dossier». Die Idee ist, dass die Stammdaten für ein Fahrzeug in der Blockchain gespeichert werden und so über die gesamte Nutzungszeit des Autos genutzt werden können, auch wenn der Fahrzeughalter die Versicherung wechselt. Informationen können von Versicherungen, Garagen oder Herstellern eingespeist werden. Das soll Handänderungen auf dem Gebrauchtwagenmarkt vereinfachen. Das «Car Dossier» entwickelt die Axa zusammen mit verschiedenen Partnern. Dabei sind unter anderem das Stassenverkehrsamt Aargau, der Autoimporteur Amag und das Software-Unternehmen Adnovum.

Swiss Life

Zusammen mit Zühlke hat der Lebensversicherer Swiss Life einen Blockchain-Prototyp für den Handel mit Immobilien-Beteiligungen entwickelt. Ziel war eine App. Nachdem ein Proof of Concept entstellt wurde, zog sich Swiss Life jedoch aus dem Projekt zurück. Es kam zu einem Spinn-off, das Projekt wird nun unter der Marke «Immocrowd» weiterentwickelt.

B3i

Anfang Jahr hat eine Allianz grosser Versicherer – darunter Swiss Re und Zurich – ein gemeinsames Unternehmen gegründet für die gemeinsame Deckung von Naturkatastrophen-Deckung. Bereits im vergangenen Jahr haben die 38 beteiligten Versicherer einen Prototyp getestet. Beteiligt sind in erster Linie grosse Unternehmen und Rückversicherer.