Bruno Daher, ein hochrangiger Manager der Credit Suisse  im Nahen Osten, hatte im Mai bei einem Meeting eine ungewöhnliche Botschaft an seine Leute: eine Entschuldigung. Es täte ihm Leid, dass er vorher gesagt habe, er würde seinen Bankern eine Knarre an den Kopf halten, wenn sie sich nicht mehr anstrengten. Er neige dazu, in Metaphern zu sprechen.

Die Reue war ungewöhnlich, weil sie in starkem Kontrast stand zu seinem sonstigen Verhalten. In der Abteilung, die sich in der Region um reiche Kunden kümmert, war Daher berüchtigt für sein feuriges Temperament, direkte persönliche Angriffe und Ansprachen gespickt mit Kraftausdrücken.

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Dahers Führungsstil hat dazu beigetragen, das verwaltete Vermögen der Bank in der Region auf 75 Milliarden Schweizer Franken (69 Milliarden Euro) zu erhöhen. Er hat eine loyale Truppe um sich geschart, die ihm teilweise von Merrill Lynch gefolgt ist. Er pflegt intensive Beziehungen zu den wichtigsten Königshäusern und Führungskräften am Golf.

Genug von testosterongetriebenen Managern

Aber einige Mitarbeiter haben inzwischen genug und die Kräfteverhältnisse beginnen sich zu verschieben. Die testosterongetriebene Arbeitsweise der modernen Finanzbranche wird zunehmend in Frage gestellt. Umso mehr, als die Credit Suisse gerade ohnehin darum kämpft, die besten Leute zu halten - nach dem Doppel-Fehltritt um Archegos und Greensill Capital, dessen Fondsvehikel gerade Daher und sein Team aggressiv gepusht hatten.

Mindestens fünf Top-Banker – einer von ihnen verwaltete Kundengelder von rund 6 Milliarden Dollar – und mehr als 20 Junior Relationship Manager im Nahen Osten und in Afrika haben die Credit Suisse seit Anfang 2019 verlassen.

Der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Antonio Horta-Osorio, überprüft nach seiner Übernahme des Postens und den beiden Katastrophen gerade die Strategie der Bank. Der Kollaps von Archegos Capital Management alleine hat die Bank 5,5 Milliarden Dollar gekostet. Der Zusammenbruch von Greensill kurz zuvor könnte Kunden der Bank einige Milliarden kosten.

Interviews mit 26 Personen, die mit dem Geschäft der Credit Suisse im Nahen Osten und in Afrika vertraut sind, darunter ehemalige und aktuelle Mitarbeiter, Kunden und Headhunter, zeichnen das Bild einer vergifteten Kultur, die geprägt ist von Einschüchterungen und Mobbing. Der Leistungsdruck habe einige dazu getrieben, übermässige Risiken einzugehen. «Diese Aussage ist nicht richtig. Die Abteilung folgt strikten Vertriebsprozessen, die unter anderem sicherstellen, dass Produkte auf das Risikoprofil von Kunden abgestimmt sind», sagt die Credit Suisse in einem Statement vom Dienstag.

Mitarbeiter sind krank geworden

Manche sagen, sie hätten unter körperlichen Symptomen wie Brustschmerzen gelitten und seien traumatisiert, wenn sie nur an die Arbeit unter Daher denken. In den vergangenen fünf Jahren gab es mindestens drei formale Beschwerden von Mitarbeitern wegen angeblicher Misshandlung durch Daher oder seine Mitarbeiter, so sechs der Personen, mit denen Bloomberg gesprochen hat. Welche Konsequenzen diese letztendlich hatten, ist nicht bekannt.

Viele Banker sind erst jetzt bereit, über ihre Erfahrungen unter Daher zu sprechen, da ihre Karriereaussichten – und ihre Visa – nicht mehr so eng an die Credit Suisse gebunden sind. Inzwischen gibt es in der Region mehr potenzielle Arbeitgeber, da andere Banken, darunter die UBS, Julius Bär und Goldman Sachs dort expandieren. Aus Angst vor Vergeltung baten sie dennoch darum, nicht genannt zu werden.

Daher lehnte über Anwälte des Unternehmens eine Stellungnahme ab. Die Credit Suisse wies alle in dieser Meldung beschriebenen Vorfällen zurück.

Die Credit Suisse streitet alles ab

«Die Bank weist die erhobenen Vorwürfe, die unbegründet, falsch oder völlig aus dem Zusammenhang gerissen sind, entschieden zurück. Die Credit Suisse ist ein führender Vermögensverwalter im Nahen Osten unter der starken Führung von Bruno Daher seit 2006», teilte die Bank mit. «Sein Team wurde mit mehreren Branchenpreisen ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde das Geschäft regelmässig durch Compliance und Audits überprüft. Die Ergebnisse haben die Wirksamkeit und Effizienz sowohl der Kontrollen als auch der Kultur erwiesen.»

Die Zentrale in Zürich intervenierte nur selten, sagen Mitarbeiter. So wurde ein Teil einer Videoaufzeichnung von einem Treffen im Jahr 2014 aus dem Intranet der Bank entfernt. Während der Veranstaltung, die von mehr als 300 Mitarbeitern verfolgt wurde, schimpfte Daher auf seine Schweizer Kollegen, die dem Vergleich mit seiner Mannschaft vor Ort nicht standhalten würden. Sie müssten sich mehr anstrengen, oder sich neue Jobs suchen, sagte Daher und ergänzte, er habe eine Schweizer Flagge in den Müll geworfen. «Wo sie hingehört», konnte man ihn sagen hören. Hochrangige Manager aus dieser Zeit, unter ihnen der ehemalige CEO Brady Dougan, wollten das Thema nicht kommentieren.

2016 stand Daher bei einem Besuch im Büro der Bank in Johannesburg auf, um zu einer Gruppe von etwa 10 Bankern zu sprechen, die er zum Abendessen eingeladen hatte. Nach ein paar Minuten wurde aus der Ansprache eine Schimpftirade, die laut genug war, dass andere Gäste mithören konnten. Daher hörte erst auf, als ein Mitarbeiter ihn darauf hinwies, dass er sich in der Öffentlichkeit befand.

Öffentlich beschimpft

Ein Augenzeuge erinnert sich an einen Vorfall 2017, als Daher einen Manager in der Lobby des Büros der Bank im Dubai International Financial Centre öffentlich und vulgär beschimpfte. Grund war die Absage eines Treffens mit einem Mitglied der Herrscherfamilie des Emirats, das anlässlich eines Besuchs von Iqbal Khan, damals Chef des Wealth Management der Credit Suisse, geplant war.

Der Franzose Daher wurde 1958 in Syrien geboren, raucht Zigarren, ist Football-Fan und hält zum Team seiner Universität, Boston College. Seine Karriere begann bei Merrill Lynch und er arbeitete sich hoch über Stationen in Paris, Genf und Bahrain. Er kümmerte sich um reiche Kunden aus dem Nahen Osten. Leute, die dort mit ihm gearbeitet hatten, sagen, die Abteilung habe seinerzeit Fortschritte gemacht, er sei jedoch nicht derjenige gewesen, der das grosse Geld reingebracht hat. Vielmehr, so sagten sie, lag Dahers Talent darin, die richtigen neuen Leute anzuheuern, um die Expansion anzukurbeln.

Nach 21 Jahren bei Merrill wechselte Daher 2006 zur Credit Suisse. Im folgte eine Gruppe Kollegen, von denen einige 10 Jahre und mehr an seiner Seite blieben.

Daher übernahm das Geschäft, als die Credit Suisse in Schwellenländern auf Wachstumskurs war. Die Bank hatte gerade eine der wenigen vollen Banklizenzen in Dubai erhalten. Er erweiterte das Geschäft um Aktiengeschäft, private Kreditvergabe und neue Büros in Beirut, Bahrain, Doha und Saudi-Arabien.

Kaum waren sie dann, sind sie schon wieder gegangen

Dahers Abteilung erwarb sich den Ruf, Leute zu verschleissen. Von einer Gruppe von 25 Bankern, die Anfang 2019 eingestellt wurden, waren 18 Monate später nur noch etwa fünf an Bord. Einige, die gingen, beschrieben ein Art Grundausbildung, in der nach etwa sechs Monaten schriftliche Warnungen ausgesprochen wurden mit der klaren Botschaft, mehr zu leisten. Die besten Kunden gingen an Dahers vermeintliche Lieblinge, seine Vertrauten machten sich über neue Mitarbeiter lustig und warnten, dass sie es nicht länger als ein paar Monate aushalten würden. Die Abwanderung von Personal hielt die Kosten niedrig.

Daher sagte seinen Mitarbeitern oft, dass sie entweder für ihn oder gegen ihn sein könnten und dass er ihnen viel Glück wünsche, anderswo eine Stelle zu finden. Ehemalige Mitarbeiter berichten von Drohungen, dass man ihre Karriere durch negatives Feedback zerstören oder Boni zurückfordern werde. Dass Arbeitsvisa in der Region oft etwa einen Monat nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ablaufen, sorgte für zusätzlichen Druck.

Die Leistungen Einzelner und der Teams wurden während Besprechungen auf Diagrammen gezeigt und unter den mehr als 100 Mitarbeitern Dahers verbreitet. Das Verfehlen von Zielen konnte Mitarbeiter zur nächsten verbalen Zielscheibe Dahers machen. Daher halte seine Leute zwar an, sämtliche Compliance-Regeln einzuhalten, der Leistungsdruck bringe einige jedoch an ihre Grenzen.

Die Kunden der Credit Suisse in der Region – darunter der ehemalige Premierminister von Katar, Scheich Hamad bin Jassim Al Thani – gehörten zu den am stärksten in den Greensill-Fonds exponierten. Da die Produkte als quasi risikolose bargeldähnliche Instrumente vermarktet wurden, sagte Daher seinen Bankern, es gebe keinen Grund, nicht jeden Kunden mit reinzunehmen, so drei Personen mit direktem Wissen der Vorgänge. Noch ist unklar, wie viel die Schliessung der Fonds Anleger letztendlich kosten wird. 

Auch dieser Aussage widerspricht die CS: «Das ist falsch – Bruno Daher hat keine solche Aussage gemacht», heisst es von der Medienabteilung am Mittwoch. 

Mehrere Managing Directors sind ausgeschieden, darunter Ravi Venkataraju, Christian Zouein und Fady Eid. Einer von jenen, die in den letzten Monaten gegangen sind, war 16 Jahre bei der Credit Suisse und nur wenige Jahre vor dem Ruhestand. Er entschied jedoch, dass er Daher nicht länger ertragen könne, so Personen, die mit ihm gesprochen haben.

Der vielleicht härtesten Schlag war der Verlust von Desh Sharma, der fast 6 Milliarden Dollar an verwalteten Kundengeldern aufgebaut hatte. Er folgte Ende 2020 Khan zur UBS und nahm noch eine handvoll Kollegen mit. Khan will bei der UBS die von der Bank im Nahen Osten verwalteten Vermögen verdoppeln. Die Credit Suisse widerspricht: «Die Fluktuationsrate ist in den letzten 7 Jahren stabil geblieben und entspricht den allgemeinen Marktschwankungen, die es bei Finanzdienstleistern in der Region gibt. Die Credit Suisse zieht auch weiterhin hoch qualifizierte Fachkräfte in der Region an», lässt die Bank ausrichten. 

(bloomberg/tdr)