Bei diesen Schweizer Startups arbeiten die Gründer von morgen

Was haben Tesla, Linkedin, Youtube und Yelp gemeinsam? All diese Firmen wurden von ehemaligen Angestellten und Mitgründern des Zahlungsdienstleisters Paypal mitgegründet. Zu dieser berühmten Gruppe gehören etwa Elon Musk (Tesla, SpaceX), Reid Hoffman (Linkedin), Chad Hurley, Steven Chen und Jawed Karim (Youtube) sowie die Yelp-Gründer Russel Simmons und Jeremy Stoppelman. Nach einem Bericht des Magazins «Fortune» über die Gruppe bildete sich der Begriff «Paypal-Mafia» heraus. Das Phänomen, dass Ex-Angestellte eines besonders innovativen Startups später selber erfolgreiche Firmen gründen, ist nicht neu. Solche Netzwerke sind vielmehr entscheidend für den Erfolg eines Startup-Ökosystems. Denn es bilden sich in diesen Teams häufig nicht nur spannende neue Geschäftsideen, sondern oft engagieren sich Ex-Gründerkollegen oder Mitarbeiterteams auch wieder als Investoren oder Unterstützer der neuen Firmen. Aber gibt es solche Netzwerke auch in der Schweiz? Welche Unternehmen haben die gründungwilligsten und innovativsten Mitarbeitenden produziert? Und welche Netzwerke haben sich daraus gebildet? Ex-Kollegen investieren in junge Unternehmen Eine Analyse zeigt auf, welche «Paypal-Mafias» es in der Schweiz gibt. Also aus welchen Startups besonders viele gründungsfreudige und innovative Ex-Mitarbeitende kommen. Erstellt wurde diese Liste von den Machern des erfolgreichen Podcasts «Swisspreneur», Alain Chuard und Silvan Krähenbühl. Swisspreneur ist eine Non-Profit-Organisation mit dem Ziel, Unternehmertum in der Schweiz zu fördern. «Nach einem Interview mit dem Smallpdf-Gründer Dennis Just, in dem über die Deindeal-Mafia gesprochen wurde, beschlossen wir, die Startup-Mafias der Schweiz zu recherchieren», so Chuard. Das Ergebnis ist eine Karte mit elf Ursprungsfirmen und über neunzig Firmen, die von ehemaligen Mitarbeitenden dieser Firmen gestartet wurden oder in die Gründerinnen und Gründer der Mutterfirmen investiert sind. «Ein Beispiel ist Beekeeper als Ursprungsfirma. Der ehemalige CFO, Philippe Sahli, hat Yokoy mitgegründet, Matthias Karg, der ehemalige Product Design Lead, hat Angle mitgegründet», so der Swisspreneur-Verantwortliche Alain Chuard, der selber Seriengründer ist. Die zwei wohl erfolgreichsten Schweizer Startup-Netzwerke haben sich dabei um die beiden Firmen Deindeal und Unic gebildet. Einige sind in ähnlichen Sektoren tätig, andere sind aber auch komplett anders orientiert als die Ursprungsfirma – wie etwa Smallpdf im Deindeal-Ökosystem. Zu diesem gehören ausserdem etwa Firmen wie Knip, Numbrs, Yamo, Poinz und Finimize. Auch aus Unternehmen wie Tilllate, Doodle, Movu oder Leonteq haben sich erfolgreiche Jungfirmen durch ehemalige Mitarbeitende gebildet. Viele Gründerteams haben sich während ihrer Zeit in der Ursprungsfirma kennengelernt und bereits dort Ideen geschmiedet. Mehrere Firmen können auf die ehemaligen Kollegen und Kolleginnen in den Ursprungsfirmen als Investoren bauen, wie etwa auf Deindeal-Gründer Dario Fazlic, der beim Babynahrungshersteller Yamo investiert ist. Auch hier zeigt sich, dass Verbindungen bestehen bleiben, auch wenn die Firmen (Yamo entwickelt Babybrei, Deindeal ist eine E-Commerce-Plattform) kaum mehr etwas miteinander zu tun haben. «Die Paypal-Mafia war ein aussergewöhnlich talentiertes Unternehmerteam, deshalb haben sie so viel Wert geschaffen, als sie später andere Unternehmen aufbauten», so Chuard. «Ich würde also dasselbe von Schweizer Startups behaupten. Diejenigen Startups mit der höchsten Talentdichte werden letztlich die besten Mafias mit wertvollen Nachfolgeunternehmen aufbauen.» Für Gründerinnen und Gründer, die sich in so einem Netzwerk bewegen und darauf zurückgreifen können, ist das ein entscheidendes Qualitäts- und Unterscheidungsmerkmal. Wenig Diversität in Schweizer Startup-Clans Dabei ist es Silvan Krähenbühl und Alain Chuard wichtig, den Fokus bei der Analyse eines Startup-Ökosystems vermehrt hin zu Outputanalysen zu lenken und nicht nur auf Inputanalysen zu fokussieren – also etwa darauf, wie viele Investorengelder lukriert wurden. Tatsächlich überschlagen sich Startups regelmässig mit der Verkündung von neuen Finanzierungsrunden, die in immer steilere Höhen geschraubt werden. «Wie viel Geld in ein Startup-Ökosystem fliesst, ist eine wichtige Kennzahl, aber für sich alleine nicht aussagekräftig, da sie ausschliesslich auf den Input fokussiert. Was aber mit dem Geld produziert und erreicht wird, zeigt erst der Blick auf den Output.» Startup-Analysten und -Analystinnen sollten ihren Fokus daher vermehrt auch auf diesen Bereich legen. Mit einer sogenannten Mafia-Map – analog zur Paypal-Mafia, aufgeschlüsselt für die Schweizer Verhältnisse – wird gezeigt, wie viele Firmen als Brutkästen für neue Firmen dienen. Sie ist damit ein spannender Indikator, um die Gesundheit eines Ökosystems zu messen. «Je mehr Mafias es gibt, desto aktiver und gesünder ist ein Startup-Ökosystem.» Wenn sich in einem Land oder in einer Branche hingegen kaum neue Firmen aus ehemaligen Startups bilden, zeigt das, dass die Innovationsfähigkeit und die Risikobereitschaft zu wenig ausgeprägt sind. Oder dass in einem Bereich nicht genug Talente in der Schweiz vorhanden sind, um solch ein Ökosystem zu bilden und weiterzubauen. «Jeder Ausländer, jede Ausländerin, der oder die einen technischen Abschluss hat und in der Schweiz in ein Startup einsteigen oder ein Startup gründen will, sollte eine Arbeitserlaubnis bekommen», sagt Chuard dazu. Wie gross ist aber das Risiko, dass die sogenannten Startup-Mafias abgeschlossene Systeme werden, die sich von Externen überhaupt nicht mehr durchdringen lassen? Im Stil von «Old Boys»-Netzwerken, die sich gegenseitig Investorengelder, Ideen und Kontakte zuschieben? Chuard und Krähenbühl sehen hier nur geringe Risiken. Es sei wesentlich einfacher, in einem jungen Startup einzusteigen und damit Teil des Netzwerks zu werden als etwa bei einer grösseren Corporate-Struktur. Durch flache Hierarchien und Ideen, die nicht in aufwendigen, bürokratischen Prozessen versickern, sei die Möglichkeit, sich einzubringen, in Startups gross. Ein auffälliger Nachteil sei hingegen die fehlende Diversität. Schon die Paypal-Mafia bestand ausschliesslich aus weissen Männern. Und auch in den Schweizer Startup-Clans gibt es nicht sehr viel Diversität: «Oft fehlen in den Netzwerken Frauen in leitenden Funktionen, als Gründerinnen und Investorinnen», geben Krähenbühl und Chuard zu bedenken. «Dies kann zu einer Abwärtsspirale führen und ein weiteres Hindernis für mehr Diversität im Startup-Ökosystem darstellen.» Dieser Artikel wurde am 31. Mai 2021 das erste Mal publiziert.