Freitagmorgen kurz vor acht. Es ist ein eigenartiges Gefühl, am selben Tisch zu sitzen, an dem seinerzeit über die Zukunft der Netstal-Maschinen AG verhandelt wurde: Als sie 1992 am Rand des Konkurses war und als Christoph Blocher in zwei Anläufen 1997 und 2001 ihre Aktienmehrheit anstrebte und nach dem ersten Versuch seinen Posten als VR-Präsident räumen musste.

Der neue CEO, Bernhard Merki, betritt punkt acht Uhr ebendieses Sitzungszimmer. Merki ist gross und kompakt gebaut, wirkt unkompliziert und hat keine Allüren. Darauf angesprochen lacht er: «Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, da lernt man rasch, dass Komplexität nicht drinliegt. Aber ich bin stolz auf meine Herkunft. Sie hat mir immer wieder geholfen, mich mit Lagen auseinander zu setzen, in denen gesunder Menschenverstand gefragt war.» Auf dem Bauernhof im Fricktal hat er gelernt, was es heisst, hart zu arbeiten: Früh aus den Federn, melken, misten, heuen ernten. «Dass ich CEO werde, habe ich mir damals nicht träumen lassen», sagt er lachend.

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Alle Stürme miterlebt

Merki hat etwas Robustes an sich und viele Stürme im Unternehmen miterlebt, die über diese Maschinenfabrik im Glarnerland hinweggefegt sind, schliesslich arbeitet er hier seit 16 Jahren. Die Frage, ob damit nicht auch die Gefahr verbunden ist, dass man zu sehr zum Insider wird, scheint ihm zunächst nicht sonderlich zu gefallen. Das spürt, wer seinen Gesichtsausdruck beobachtet. Doch dann pariert er: «Sehen Sie, gerade in jüngster Zeit haben viele Managementwechsel stattgefunden, und die Folgen haben wir ja mitbekommen. Ich bin ein Gegner dieser Hire-and-Fire-Strategie. Vor allem in den Fällen, wo kein profundes Fachwissen vorhanden ist. Ein Chef an der Spitze muss doch genau wissen, was seine Mitarbeitenden produzieren, egal, ob es Dienstleistungen oder Maschinen sind.» Der Maschineningenieur erzählt, dass er jeweilen zu seinen Leuten sage: «Mir kann niemand etwas vormachen. Man muss als Vorgesetzter wissen, was die Unterschiede hinten und vorne an einer Maschine sind.»

Merki hat eine prägnante, klare Sprache. Er hat das Maschinengeschäft von der Pike auf erlernt, sich dann kontinuierlich weitergebildet, und ist auch mit von der Partie, wenn neue Produkte entwickelt werden. Ist er auch eine Art Entwicklungsingenieur? «So kann man es auch nennen, aber das macht mir einfach Freude. Einmal abgesehen davon, dass ich durch häufigen Kontakt mit Kunden auf der ganzen Welt auch immer wieder von ihnen Ideen und Ratschläge bekomme, die ich in den Betrieb einfliessen lasse. Ich unterhalte mich gerne mit den Kunden. Wegen meiner langjährigen Tätigkeit im Unternehmen kenne ich viele sehr gut, und zu einigen ist im Laufe der Jahre sogar eine Freundschaft entstanden.»

Er überlege sich immer, was jetzt im Gegenüber vorgehe, versuche, sich in die anderen hineinzuversetzen. «Das schafft ein gutes Verhandlungsklima.» Die Netstal-Gruppe beliefert mehrere hundert Betriebe in allen Erdteilen. 95% der Produkte werden exportiert. Rund ein Drittel seiner Arbeitszeit ist er unterwegs, um sich vor Ort ein Bild über deren Einsatz zu machen.

Jeder Tag bringt etwas Neues

Auf seinen Tagesablauf angesprochen, muss er sich nicht lange besinnen: «Für mich ist kein Tag wie der andere. Jeder bringt etwas Neues.» Gestern hat er Kunden aus Frankreich empfangen, heute steht ein Besuch eines Werkzeugbauers auf dem Programm und morgen eine Reise nach Deutschland. «Derzeit sind wir überdies damit beschäftigt, uns auf die im Herbst stattfindende K'Messe in Düsseldorf vorzubereiten» die weltgrösste Kunststoffmesse. Ein Stand von 770 m2 muss eingerichtet werden. Dort werden die neuesten Spritzgiessmaschinen vorgeführt. Besonders gerne spricht Merki über die Produktpalette des Unternehmens. «Wir haben drei Standbeine: Die Standardspritzgiessmaschinen, etwa für die Verpackungsindustrie oder den Medizinalbereich. Unsere Kunden sind Firmen wie Bericap, Tetrapack, SIG, Baxteroder Terumo; sodann stellen wir Spritzgiessmaschinen für optische Datenträger her, was ein Renner ist, wenn man nur schon den Siegeszug der DVD bedenkt.» Auch hier nennt Merki grosse Kunden: Cinram, Universal, Fuji, Bertelsmann.

Und das dritte Standbein sind Maschinen für die Herstellung von Pet-Preformen. Er holt eine Art «Rohling» für eine Pet-Flasche vom Fenstersims. Der Preform ist nur wenige Zentimeter lang, bereits mit dem Gewinde für den Verschluss versehen und wird in einer Blasmaschine in die endgültige Flaschenform geblasen. Jetzt ist Merki im Element. Höchstwahrscheinlich ist er auch ein guter Verkäufer, weil er es versteht, Kompliziertes anschaulich zu erklären.

Von Krise keine Spur

«Eigentlich wollte ich Lehrer werden, aber mein Lehrer riet mir, Alternativen zu prüfen. Ich begann eine Schnupperlehre bei der damaligen BBC. Das war für mich, der ich aus einem Dorf nach Baden kam, ein grosser Schritt. Ich werde nie vergessen, wie mich alles beeindruckte, die Ambiance der Grossfirma, aber auch die Produkte. Das gilt besonders für die Dampfturbinen oder die Turbolader.»

Er sei sich vorgekommen wie in einer anderen Welt. Für seine Zähigkeit spricht der Berufsweg, den der Bauernsohn aus dem Fricktal eingeschlagen hat. Merki absolvierte während seiner Lehre als Maschinenzeichner die Berufsmaturität, studierte an der HTL Brugg-Windisch Maschinenbau mit Vertiefungsrichtung Kunststofftechnik und schloss ein Nachdiplomstudium als Wirtschaftsingenieur an der Imaka in Zürich ab.

Gerade seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Kunststofftechnologie kommen ihm heute sehr zugute. Wie schätzt er die Zukunftschancen dieses Werkstoffes ein? «Er ist im ungebremsten Höhenflug, vor allem in den asiatischen Ländern, wo wir sehr gut positioniert sind. Mein Ziel ist es, unsere Aktivitäten in China noch dieses Jahr zu einer 100%igen Vertriebs- und Servicetochter zusammenzufassen.» Von einer Krise sei weit und breit nichts zu sehen. Selbst die hier und dort aufschimmernde Überhitzung könne den Netstal-Produkten nichts anhaben. Die breit diversifizierten Anwendungsbereiche garantierten immer wieder einen Ausgleich.

Apropos Ausgleich: Das ist für ihn auch sein Landhaus in Tuggen. «Wir leisten uns den Luxus, Luxus in Anführungszeichen, dass meine Frau nicht arbeitet. Wenn ich schon viel unterwegs bin, möchte ich, dass meine beiden Töchter gut aufgehoben sind. Ich komme meistens erst um acht Uhr zur Arbeit, nicht etwa, weil ich ein Langschläfer bin, sondern weil ich mit ihnen wenigstens das Morgenessen einnehmen möchte.» In Küche und Garten scheint er keine grosse Hilfe zu sein. Für den Garten hat er keine Zeit, und kochen kann er nicht.

Seine Frau kann nicht nur gut kochen und gärtnern, sie malt auch. Bilder von ihr hängen auch im Spital in Männedorf. Ihr Mann freut sich über ihre Begabung und gesteht, das Musische gehe ihm ab.

Gibt es einen Wunsch, den er sich gerne erfüllen möchte? «Ich würde gerne die spanische Sprache erlernen. Das würde mir sehr viel bedeuten», sagt Merki, der fliessend Französisch und Englisch spricht. Wird er für einen Spanischkurs auch Zeit finden? «Wenn man etwas wirklich will, findet man immer Zeit», sagt er. Aber da kommen einem doch Zweifel hoch. Ein Blick auf sein Programm genügt.

«Da gibt es noch einen Wunsch. Ich möchte mit meiner Familie im Wohnmobil für ein paar Monate durch die USA reisen. Dort habe ich eine Zeitlang gelebt und mich sehr wohl gefühlt.» Auch diesen Wunsch wird er sich wahrscheinlich noch etwas aufsparen müssen.



Profil: Steckbrief

Name: Bernhard Merki

Funktion: CEO der Netstal-Gruppe

Alter: 42

Wohnort: Tuggen

Familie: Verheiratet, zwei Töchter

Karriere

1982-1990 Gruppenleiter Engineering

1990-1992 Ausbildung zum dipl. Wirtsch-Ing. STV

1992-1996 Vertriebsleiter Schweiz

1996-2002 Leiter Marketing und Vertrieb weltweit

Seit 2003 Direktionspräsident und CEO der Netstal-Gruppe

Firma:

Netstal-Maschinen AG gehört seit rund 60 Jahren zu den Anbietern von hochpräzisen, schnelllaufenden Kunststoff-Spritzgiessmaschinen. Das Firmendomizil ist in Näfels GL, wo auf 72000 m2 modernste Fertigungs- und Montageanlagen stehen. Am Hauptsitz werden 640, weltweit 850 Mitarbeitende beschäftigt (+30). Das Unternehmen hat alle wichtigen Schlüsselzahlen des Vorjahres übertreffen können. Der Nettoumsatz machte 322 Mio Fr. aus (+4,6%). Noch 1992 war das Unternehmen konkursreif. Netstal ist eine Tochter der Mannesmann Plastic Maschinery.