Manch eine Firma hat Aufträge der öffentlichen Hand nur erhalten, weil sie Lehrlinge ausbildet.» Dies sagen die Submissionsverantwortlichen der Kantone Aargau und Graubünden. Sie gehören zu den Kantonen und Gemeinden, die die Lehrlingsausbildung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an Firmen gewichten. So macht die Lehrlingsausbildung im Kanton Aargau seit Anfang Jahr bei Ausschreibungen 5% der Zuschlagskriterien aus. «Bei einer von 50 Vergaben seit Januar war die Lehrlingsausbildung am Ende der ausschlaggebende Faktor», sagt Christoph Bader von der Abteilung Hochbauten im Aargauischen Hochbauamt.

Die Aargauer wollten mit dieser Begünstigung engagierte Lehrbetriebe unterstützen und die Unternehmen für die Ausbildungsverantwortlichkeit sensibilisieren. Laut Bader ist es noch zu früh, um zu sagen, ob durch die neue Regelung zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden.

*Bund passt sich EU an*

Die Zahl der Firmen, die mit solchen Anreizen im öffentlichen Beschaffungswesen erreicht werden können, ist immens. Schliesslich geht es schweizweit um ein Auftragsvolumen von 30 Mrd Fr. im Jahr (siehe Kasten). Noch ist es nicht so weit, dass Lehrlinge bei allen öffentlichen Ausschreibungen ein Thema sind. Derzeit werden die Weichen gestellt, dass die Firmen, die sich für Lehrlinge einsetzen, auch bei den Ausschreibungen des Bundes belohnt werden können. «Gemäss dem revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB) sollen bei gleichen Angeboten die Firmen, die Lehrlinge ausbilden, künftig bevorzugt werden», sagt Elisabeth Vogt, Geschäftsleiterin des Sekretariats der Beschaffungskommission des Bundes (BKB).

Mit dem Signal für die Lehrausbildung liegt der Bund im Trend. So erklärt Roger Wälchli, Leiter Beschaffungswesen beim Schweizerischen Baumeisterverband: «Die Akzeptanz dieses Zugschlagskriteriums ist in letzter Zeit stark gestiegen, nicht zuletzt deshalb, weil dies auch in der EU entsprechend angewendet wird.»

Noch ist die neue Gesetzesversion nicht durch alle Gremien hindurch. In der Vernehmlassung ab kommendem Januar dürfte sie noch von verschiedenen Seiten kritisiert werden - eine parlamentarische Motion, die eine Belohnung von Lehrlingsbetrieben im Beschaffungswesen verlangte, hat der Nationalrat in der Sommersession nur knapp angenommen.

Ein Hauptkritikpunkt der Gegner der Lehrlingsklausel, wonach diese zu Wettbewerbsverzerrung oder Diskriminierung führe, ist jedoch von einem Zürcher Gerichtsentscheid bereits entkräftet worden. Gemäss dem Zürcher Urteil von 2003 ist es rechtens, wenn die Lehrlingsausbildung als Zuschlagskriterium herangezogen wird. Allerdings sollte die Ausbildung von Lehrlingen als Zuschlagskriterium mit höchstens 10% des Totals aller Kriterien gewichtet werden. Zudem dürfe das Kriterium der Lehrlingsausbildung nicht zur Diskriminierung auswärtiger Anbieter führen. Bei Anbietern aus Vertragsstaaten der Gatt/WTO-Handelsübereinkommen, die keine dem schweizerischen Lehrlingswesen vergleichbare Berufsausbildung kennen, solle es nicht angewendet werden. Ebenfalls dürften Schweizer Firmen, die zu klein sind, um überhaupt Lehrlinge zu beschäftigen, nicht diskriminiert werden

Dass die Gatt/WTO-Verträge nicht verletzt werden - eine weitere Befürchtung der Gegner - dafür wurde im neuen BoeB vorgesorgt. Wie Vogt ausführt, gilt die Lehrlingsausbildung als sekundäres Zuschlagskriterium, das nur bei gleichwertigen Angeboten zum Tragen kommt. Zudem müsse diese Anforderung im BoeB diskriminierungsfrei formuliert werden.

Jurist George Ganz von der Schweizerischen Vereinigung für öffentliches Beschaffungswesen sieht denn auch in der BoeB-Vorlage keinen Widerspruch zur Gatt-Vereinbarung. Dagegen halte er eine 10%-Klausel wie im Kanton Aargau aber formaljuristisch für problematisch. «Nur», räumt Ganz ein, «gibt es in der Praxis kaum Diskriminierungen, da sich für kantonale Ausschreibungen selten Ausländer bewerben.»

*Nachhaltigkeit geht vor Preis*

Die bisherigen Erfahrungen der Bauunternehmen mit diesen Bevorzugungen sind positiv: Dem Baumeisterverband sind jedenfalls keine Diskriminierungen bekannt. Der Verband befürwortet die Förderung der Lehrbetriebe im neuen BoeB: «Die Zuschlagskriterien sollten dazu führen, dass nicht der preislich ‹billigste› Anbieter berücksichtigt wird, sondern das ‹nachhaltig beste Angebot› den Zuschlag erhält.»

Auch die öffentlichen Vergabestellen stehen hinter dieser Philosophie: Eine Umfrage des Bundes hat ergeben, dass die Akzeptanz von ökologischen und sozialen Komponenten bei der Vergabe mit 88% sehr hoch ist.

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