Bezahlen ganz ohne Kartenterminal: Payment-Dienstleisterin Worldline lanciert SoftPOS-App für kleine Händler

Schnell eine App runterladen und schon Minuten später eine Zahlung per Kreditkarte entgegennehmen? Noch tönt das für viele Ladenbesitzerinnen und Barkeeper futuristisch. Doch das Versprechen steht: Bald wird es gleich einfach, Kartenzahlungen zu akzeptieren, wie ein Online-Bankkonto zu eröffnen. Der Schweizer Marktführer für die Abwicklung von Kartenzahlungen, Worldline, lanciert Ende Oktober ein neues System namens «Tap on Mobile», das ganz ohne Kartenterminals auskommen soll. Das bestätigt Marco Casagrande, Leiter Global Digital Services, gegenüber der «Handelszeitung». Die App werde kostenlos sein, der Kunde bezahle lediglich etwas für die Transaktion. Casagrande präsentierte die Lösung am Donnerstag am Rande einer Branchenveranstaltung des Systementwicklers Abrantix. Der Trend heisst «SoftPOS» und stellt das Geschäft mit der Kartenakzeptanz auf den Kopf. Jeder, der mit Karten einkassieren will, musste bisher erst darauf warten, bis ihm ein Kartenlesegerät zugeschickt wird. Meist nach einem persönlichen Gespräch mit einem Aussendienstler. Eine ganze Industrie verdient an der Herstellung dieser Terminals, die nicht selten teurer sind als ein ausgewachsener Computer. Künftig soll dafür ein Smartphone ausreichen. Oder das Tablet, das in vielen Läden oder Restaurants bereits als Kasse oder Bestellhilfe dient. Eine Lösung für Marktstände und Turnvereine Die Worldline-Lösung richtet sich denn auch spezifisch an Kleinstkunden: Läden, Marktstände, vielleicht auch das Clublokal des Turnvereins. Sie, die bisher vielleicht gar keine Kreditkarten akzeptierten oder dafür auf die günstigen, weissen Geräte von Konkurrentin Sumup zurückgreifen. Zwölf Pilotprojekte habe man weltweit bereits am Laufen, sagt Worldline-Manager Casagrande. Und nun kommt die Schweiz dran. Im einfachsten Fall läuft die App auf einem Handy: Die Händlerin gibt den Betrag ein, der Kunde hält seine Karte ans Telefon. Fertig. So wie er das auch von anderen Kontaktlos-Zahlungen kennt. Wenn auch der Kunde «mobil» bezahlt, gehen dabei zwei Handys auf Schmusekurs. Die virtuelle Kreditkarte trifft dann auf das virtuelle Terminal. Aber ist das auch sicher? Halten Schweizerinnen und Schweizer ihre Karten einfach so an fremde Handys? Geben sie gar ihre PIN auf einem solchen ein, um eine etwas teurere Zahlung zu autorisieren? Auch vom Fachpublikum werden schnell solche Fragen gestellt. Und vielleicht dort sogar noch eher. Die Profis kennen die unzähligen Sicherheitschecks, die ein Bezahlterminal über sich ergehen lassen muss, bis es zertifiziert ist. Und nun soll das einfach so mit einem Handy gehen? Testkunden äusserten keine Sicherheitsbedenken Bei den Pilottests habe man keine einzige kritische Reaktion erlebt, sagt Casagrande. «Niemand hat gesagt, er wäre nicht bereit, auf einem Handy zu bezahlen.» Er betont, dass die Softwarelösungen mindestens so streng zertifiziert würden wie ein neues Terminal. Und so könnte die Handy-Kasse schon so bald Realität sein, wie die auf dem Handy gespeicherte Kreditkarte, an die sich Schweizerinnen und Schweizer innert weniger Jahre gewöhnt haben. Dabei geht bei den Terminal-Apps längst nicht nur um Handys von Marktstandbetreibern. Die Bezahlfunktion als App ist auch überall dort interessant, wo eh schon Geräte mit einem offenen Betriebssystem laufen. Bei Handscannern in Supermärkten, an Tankstellen oder bei Kondukteuren in Bussen und Zügen. Oder direkt auf professionellen Kassensystemen. Es sei sogar denkbar, auf bestehenden Kassenterminals einfach eine Softwarelösung aufzuspielen, um alte Systeme zu aktualisieren, sagt ein Branchenvertreter. So viel kostet eine Kartentransaktion Was ist billig, was teuer? Grosse Händler wie die Migros bezahlen für eine Kreditkartentransaktion etwa ein halbes Umsatzprozent. Ein kleiner Teil davon geht an den sogenannten Acquirer, der die Zahlung abwickelt. Der grösste Teil ist eine Kickback-Zahlung an Kartenherausgeber wie Viseca oder UBS. Auch die Kartenorganisationen wie Visa oder Mastercard verdienen an der Transaktion mit. Etwas anders sehen die Gebühren für Klein- und Kleinstkunden aus. Sie bezahlen meist einen höheren Prozentsatz, der im Fall des Einsteigerprodukts von Sumup je nach Karte bis zu 2,5 Prozent betragen kann. Davon geht das meiste dann an den Aquirer, denn die Kickbacks und Abgaben an Organisationen sind grundsätzlich gleich hoch. Dafür subventionieren Anbieter wie Sumup die Terminals und verzichten auf monatliche Grundgebühren, was interessant für all jene ist, die nur selten Kartentransaktionen abwickeln. Worldline ist nicht der einzige Zahlungsanbieter mit solchen Plänen. Alle arbeiten daran. Auch Konkurrentin Nets, in der Schweiz die Nummer zwei, arbeitet an Zahlungen ohne Kartenterminals. Produktmanager Beat Gabler hat dabei aber weniger die Kleinkunden im Visier als grosse Händler, die über App-Lösungen Zahlungen auf ihren bestehenden Geräten integrieren könnten. In Skandinavien habe man bereits ein Pilotprojekt mit einem Detailhändler am Laufen, erzählt er. Das sei dann aber deutlich anspruchsvoller als eine einfache App für den Download. In der Schweiz arbeitet Payrexx an einer Softwarelösung für KMU, und Abrantix, die bisher von der Integration klassischer Terminals in Zahlungsabläufe lebt – und gerade ziemlich stark expandiert –, entwickelt Softwarelösungen für die grossen Zahlungsabwickler. Eines der Worldline-Pilotprojekte basiere auf Abrantix-Software, sagt Miteigentümer und «Chefvisionär» Daniel Eckstein. Angriff auf die Billigterminals von Sumup Sterben daher die klassischen Kartenterminals an der Migros-Kasse schon bald aus? Das wohl nicht, da sind sich die meisten Branchenvertreter einig. Am ehesten unter Druck kommen Anbieter wie Sumup oder Square, die ihre Billigterminals vor allem im Markt für Kleinstkunden platzieren und damit bisher jene Lücke füllten, die von den grossen Zahlungsabwicklern vernachlässigt wurde. Galt bisher in der Schweiz vor allem das weisse Sumup-Terminal als Einstiegsprodukt für Kleinhändler, dürften künftig reine App-Lösungen diese Rolle übernehmen. Es wird denn auch erwartet, dass Sumup mit einer ähnlichen Lösung nachzieht. Die grosse Frage in der Branche ist indes, ob es den bisher eher als schwerfällig verschrienen Zahlungsabwicklern gelingen wird, ein auf Kleinstkunden ausgerichtetes Geschäftsmodell auch rentabel zu betreiben. So ist umstritten, wie rentabel etwa das laufende Geschäft von Sumup ist. Noch verbrennt das Startup hohe Millionenbeträge im Aufbau seines Geschäfts. Und die 2018 mit Worldline fusionierte SIX Payment war bislang wenig erfolgreich darin, selbst ein solches Angebot unter die Leute zu bringen.

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Jetzt wird das Handy zur Kasse