Die Schweizerinnen und Schweizer scheinen ihren Gerstensaft immer weniger zu lieben. Seit 14 Jahren ist der Bierkonsum im Lande stetig zurückgegangen. Tranken Herr und Frau Schweizer 1990 noch je 71 l Bier pro Jahr, griffen sie 2004 weit weniger häufig zum Humpen und kamen noch auf 57,3 l. Einzige Ausnahme in der negativen Entwicklung bildete das Jahr 2003 mit seinem ungewöhnlich heissen Sommer. Schon im Folgejahr musste die Branche aber wieder ein Minus von rund 3% hinnehmen. Und dieses Jahr sieht es erneut bitter aus für die Braumeister. «Bis Ende Juli wurden rund 4% weniger Bier verkauft als noch im Vorjahr», sagt Konrad Studerus, Direktor des Schweizer Brauereiverbands SBV. Wirft man einen Blick auf die Zahlen vom letzten Jahr, als die hiesigen Braumeister 4,3 Mio hl Bier verkauften (Inlandausstoss inklusive Importe), entspricht dies einem Rückgang von rund 170000 hl. Für 2005 ergäbe sich so ein Ausstoss von 4,1 Mio hl. Noch fehlen allerdings die Daten der Monate August und September; die definitiven Zahlen des Ende September ablaufenden Bierjahrs liegen erst Mitte November vor.

*0,5 Promille haben Trinkfreude geschmälert*

Hopfen und Malz ist also noch nicht verloren. Ins Plus werden die verbleibenden Monate das Bierjahr 2005 aber kaum mehr führen. Schuld an der negativen Entwicklung ist einerseits der von vielen als kühl und regnerisch empfundene Sommer. Andererseits wurde Anfang Januar die Promillegrenze für Automobilisten von 0,8 auf 0,5 herabgesetzt. Dies und eine die Gesetzesänderung begleitende und laut Studerus «irreführende» Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit (1-Glas-Regel) haben die Trinkfreude von Herrn und Frau Schweizer merklich gedämpft. Der Verbandsdirektor spricht von «drastischen Rückgängen» beim Bierausstoss vor allem in der ersten Jahreshälfte. «Erst im Mai wurde erstmals wieder ein Plus erzielt.» Für Studerus ist deshalb klar: «Die neue Promillegrenze hat wesentlich zum schlechten Ergebnis beigetragen.»

In der Zentrale des grössten Schweizer Bierherstellers, der zu Carlsberg gehörenden Feldschlösschen Getränke AG in Rheinfelden, kann man diese Einschätzung nur bestätigen. «Die Promillegrenze macht sich deutlich bemerkbar, besonders in den Anfangsmonaten haben wir einen klaren Rückgang gespürt», sagt Mediensprecher Stefan Kaspar. Er rechnet für die Schweizer Bierbranche mit einer ähnlichen Entwicklung wie in Österreich: Nachdem im Nachbarland 1998 die Grenze von 0,8 auf 0,5 Promille gesenkt wurde, brach der Biermarkt um 4,6% ein.

Allerdings kann Kaspar der Sache auch Positives abgewinnen. Das bereits im September 2003 lancierte Feldschlösschen Leichtbier mit nur 2,4 Volumenprozent Alkohol erfreue sich grosser Beliebtheit. Ende 2004 machten das alkoholfreie Schlossgold und das neue Leichtbier zusammen 5 bis 6% des gesamten Feldschlösschen-Volumens aus. Für 2005 rechnet Kaspar bereits mit einem Anteil von 8 bis 10%.

Auch bei Heineken wittert man viel Potenzial im Bereich der leichten und alkoholfreien Biere. Im Frühjahr 2005 brachte die Heineken Switzerland AG ihr Calanda Mezza mit 2,5 Volumenprozent Alkohol auf den Markt. Zusammen mit den alkoholfreien Bieren Amstel light und Calanda Senza erreicht es einen Anteil am Gesamtvolumen von 1%; «Tendenz steigend», wie Eva Waltisberger von der Heineken-Medienstelle sagt.

Weniger euphorisch ist man bei der Luzerner Eichhof Getränke AG. Eichhof brachte sein Leichtbier «Das Leichte» auf Nachfrage von Kunden Ende 2003 auf den Markt. Es wurde laut Marketingleiter André Briw jedoch nicht speziell beworben. «Sein Anteil am Gesamtvolumen war von Anfang an unbedeutend und ist es geblieben», so Briw. Man überlege sich bereits, ob man das Produkt

überhaupt weiterführen wolle. Seit Einführung der neuen Promillegrenze haben dafür auch bei Eichhof die alkoholfreien Biere (Clausthaler, Eichhof alkoholfrei) deutlich zugelegt. Dazu beigetragen hat laut Briw auch der Deal mit der Migros, die seit Juni dieses Jahres Eichhof alkoholfrei im Sortiment führt.

*Auch mit neuer Promillegrenze ist Lagerbier am beliebtesten*

Am meisten bestellt der hiesige Biertrinker aber nach wie vor nicht alkoholfreies oder -reduziertes, sondern Lagerbier. Dessen Anteil am Gesamtausstoss beträgt über 77%. Am häufigsten stammt das Bier aus einer der Feldschlösschen-Brauereien. Dazu gehören etwa Cardinal, Hürlimann, Gurten, Valaisanne und weitere. Die Feldschlösschen Getränke AG gehört zum dänisch-schwedischen Carlsberg-Konzern und ist mit einem Marktanteil von schätzungsweise 45% Branchenleader. Zusammen mit der niederländischen Brauerei Heineken, die in der Schweiz etwa Ittinger, Calanda und Haldengut produziert, deckt Feldschlösschen über 65% des Gesamtmarktes ab. Daneben gibt es weit über 100 Klein- und Kleinstbrauereien, die vor allem regional verankert sind.

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Conny Schmid
Conny Schmidschreibt seit 2008 für den Beobachter. Sie beackert vorzugsweise sozial- und gesellschaftspolitische Themen und interessiert sich für alles, was Menschen bewegt.Mehr erfahren