Nicht ohne Stolz steht Landwirt Ueli Gansner vor seiner Biogasanlage in Graltshausen TG, die er gemeinsam mit seinen Söhnen realisiert hat. Ein Zukunftsprojekt in der Landwirtschaft. Die Gasfolienhaube über dem Biofermenter ist prall gefüllt, und aus dem Motorenraum ist das Brummen des Blockheizkraftwerkes zu hören. «Als die Käserei gegenüber die Tore schloss, war das für uns ein Zeichen. Es war Zeit, den Betrieb auf eine neue Grundlage zu stellen», erläutert Bauer Gansner. So wurde das Milchkontingent verpachtet, die arbeitsintensive Milchproduktion reduziert. Dafür wird neu ein anderes landwirtschaftliches Produkt besser genutzt: Die Gülle. Darin stecken nicht nur Nährstoffe, sondern auch Energie!
Energie aus der Landwirtschaft
Die Gülle der 20 Kühe, der 40 Kälber und der 30 Aufzuchtrinder fliesst jetzt nicht mehr direkt ins Güllenlager, sondern zusammen mit Gülle aus der benachbarten Schweinemästerei in eine Vorgrube, wo weitere Abfälle, beispielsweise aus dem Müllereigewerbe, beigemischt werden. Danach gelangt die Mischung in einen geschlossenen Biofermenter. Im darin stattfindenden Vergärungsprozess bauen Methanbakterien den Kohlenstoff um, und so entsteht Biogas. Unter der dehnbaren Gasfolienhaube wird das Gas zwischengelagert und im nachgeschalteten Blockheizkraftwerk (BHKW) verstromt. Die Zündstrahlmotorentechnik der neusten Generation ermöglicht einen elektrischen Wirkungsgrad von bis zu 39%. Die anfallende Wärme wird in der angeschlossenen Kompostaufbereitung zum Heizen sowie zur Warmwasserherstellung genutzt. Ein Katalysator sorgt für saubere Abgase. Die vergorene Gülle ist fast geruchsneutral, fliesst besser ab, und so können die Pflanzen die Nährstoffe besser nutzen.
Bald wird die Anlage voll in Betrieb sein und pro Jahr rund 700000 kWh Strom liefern. Unter den heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen erhält Bauer Gansner durchschnittlich 15 Rp./kWh. Damit ist das Einkommen der Familie Gansner noch nicht gesichert. Darum werden zusätzlich betriebsfremde organische Abfälle angenommen.
In der Schweiz machen die Entsorgungsgebühren eine Biogasanlage wirtschaftlich interessant. In Deutschland und Österreich erhalten Landwirte und andere Lieferanten von Biogasstrom kostendeckende Tarife. Dieses Vorgehen wird aktuell auch in der Schweiz geprüft. Landwirtschaftliche Biogasanlagen können mit dem Ökostromlabel «Naturemade star» zertifiziert werden. So könnte Ueli Gansner höhere Preise über das Ökostrommarketing erzielen. Das ist im Moment aber noch Zukunftsmusik. «Zuerst müssen wir den Prozess beherrschen. Eine Biogasanlage ist wie eine Hochleistungskuh. Fütterungsfehler rächen sich da schnell!»
Landwirte erkennen die Chance
Aktuell sind in der Schweiz 63 landwirtschaftliche Biogasanlagen in Betrieb. 15 arbeiten nach dem System der Anlage in Graltshausen. Die sinkende Anzahl landwirtschaftlicher Anlagen bei gleichzeitiger Steigerung der Energiegewinnung lässt sich dadurch erklären, dass alte, unrentable Anlagen durch die beschriebenen grösseren und effizienteren Co-Vergärungsanlagen ersetzt werden. Die Landwirte haben die Chance erkannt. Allein im November werden vier neue Anlagen ihren Betrieb aufnehmen, und über 15 Anlagen sind aktuell im Bau, Bewilligungs- oder Planungsstadium. Damit ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. In der Schweiz hätte es Platz für rund 1000 landwirtschaftliche Biogasanlagen. Rund 5% der Schweizer Bevölkerung könnten mit Strom aus der Landwirtschaft versorgt werden.
Kompogas und Abwasserreinigung
Nicht nur in der Landwirtschaft wird die Biogastechnik angewandt. Biogas zur Stromgewinnung wird auch in gewerblich-industriellen Vergärungsanlagen (Typ Kompogas) sowie in Abwasserreinigungsanlagen (ARA) produziert. In den gewerblich-industriellen Vergärungsanlagen werden festorganische Abfälle verarbeitet. Mit einer Kapazität von 5000 bis 10000 Jahrestonnen sind sie in dichter besiedelten Gebieten zu finden. Seit drei Jahren ist ihre Anzahl und damit auch die Stromproduktion stabil. Zurzeit befinden sich verschiedene Anlagen im Bau und in der Planung, sodass in den nächsten Jahren wieder mit einer markanten Steigerung gerechnet werden kann. Falls die Treibstoffbesteuerung bei Biogas wie vorgesehen entfällt, werden diese für schweizerische Verhältnisse grossen Anlagen das Biogas sinnvollerweise zu Treibstoff aufbereiten.
Knapp 300 Abwasserreinigungsanlagen (ARA), das sind rund 50% der ARA in der Schweiz, nutzen heute das Klärgas zur Strom- und Wärmeproduktion, mehrheitlich zum Eigengebrauch. Doch auch hier bestehen erste Projekte zur Vermarktung als Ökostrom. Damit stammt der Grossteil des in der Schweiz durch Biogas produzierten Stromes aus diesen Anlagen. Den zweitgrössten Anteil bringen die Deponien, wo austretendes Methangas genutzt wird. Da in der Schweiz keine neuen Reaktordeponien erstellt werden dürfen, wird dieser Anteil aus Deponiegasanlagen künftig rückläufig sein.
Grosse Potenziale
Die Potenziale sind gross. Das zeigt eine aktuelle, aber noch nicht veröffentlichte Studie des Bundesamtes für Energie (BFE). Die energetische Nutzung im Bereich der organischen Abfälle in KVA und Biogasanlagen ist heute zwar schon recht gross. Weitere Steigerungen sind einerseits durch eine bessere Abfalltrennung möglich, da im Landesdurchschnitt 27% des Hauskehrichts eigentlich vergärbar sind, heute aber in einer KVA landen. Andererseits könnten durch eine Umlenkung von der Kompostierung, wo keine Energienutzung erfolgt, zur Vergärung zusätzliche Optimierungen erzielt werden. Die ganz grossen Potenziale liegen hingegen in der Landwirtschaft (Gülle, Mist, ungenutzte Grasflächen, nachwachsende Rohstoffe, usw.) und beim Holz. Am Paul-Scherrer- Institut (PSI) laufen verschiedene Arbeiten zur Methanisierung von Holz. Damit könnte die Biogasproduktion vervielfacht werden. Noch sind aber verschiedene technische, ökonomische und ökologische Fragen zu klären. Die dazu notwendigen Grossanlagen führen zu grossen Transportdistanzen.
Was bringt die Zukunft?
Die Rahmenbedingungen für Strom aus Biogas werden sich in der Schweiz verbessern. Die Aktivitäten in Deutschland und Österreich, wo diese erneuerbare Energie aktiv gefördert wird, bleiben nicht unbemerkt. Eine von Nationalrat Dupraz (FDP) eingereichte und von den Kommissionen der beiden Räte unterstützte parlamentarische Initiative verlangt kostendeckende Einspeisetarife für Strom aus Biomasse und Geothermie sowie eine Vereinfachung des Raumplanungsrechts für landwirtschaftliche Anlagen. Im Entwurf zum Stromversorgungsgesetz (StVG), dessen Vernehmlassung eben abgeschlossen wurde, ist die Forderung nach kostendeckenden Tarifen ebenfalls enthalten. Ab Anfang 2005 soll die Finanzierung des Stromtarifes für erneuerbare Energien über einen Zuschlag bei den grossen Netzbetreibern finanziert und damit auf eine sichere Grundlage gestellt werden.
Hans-Christian Angele, Informationsstelle BiomassEnergie, EnergieSchweiz, Zürich.
Biogas: Aus Abfall wird Strom
In organischen Abfällen, in Grüngut, in Gülle und Ernterückständen steckt die Energie der Sonne. Methanbakterien machen sie nutzbar. Das von ihnen produzierte Biogas kann dezentral in Blockheizkraftwerken verbrannt und zu Strom und Wärme umgewandelt werden. Dieser Prozess wird heute in der Landwirtschaft sowie in Vergärungs- und Abwasserreinigungsanlagen eingesetzt. Das Potenzial für diese Ökostromproduktion ist noch lange nicht ausgeschöpft. (an)