Der natürliche Nachfolger von Christoph Blocher als Patron der Ems-Chemie wäre eigentlich Sohn Markus gewesen. Er studierte Chemie und hat seinen Doktortitel von der renommierten ETH. Zudem war Blocher junior eine Zeitlang Berater bei McKinsey - eine harte Lehrstätte. Doch das Rennen machte nicht der Stammhalter, sondern dessen ältere Schwester Magdalena Martullo-Blocher (siehe Box). Bruder Markus landete stattdessen bei der Ems-Pharma-Tochter Dottikon, die sein Vater in den 1980er-Jahren erworben hatte. Der Sohn des Polit-Schwergewichts löste Dottikon aus dem Ems-Konzern heraus und erwarb eine Mehrheit am Unternehmen, das er an der Börse kotieren liess.

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Grössenmässig mag die Firma wie ein Trostpreis erscheinen, unternehmerisch ist das Geschäft eine Herausforderung. Die Firma Dottikon, die in der gleichnamigen Aargauer Gemeinde zuhause ist und dort ursprünglich Sprengstoff produzierte, verspricht den Kunden viel: Die zeitgerechte Lieferung hochspezialisierter medizinischer Wirkstoffe, hergestellt nach modernster Technologie in sicheren Anlagen. Ein stolzes Vorhaben für ein vergleichsweise kleines Unternehmen, das mit nur gut 400 Mitarbeitern global operierende Pharma-Unternehmen beliefert und damit bisher einen Jahresumsatz zwischen 100 und 150 Millionen Franken erzielte.

Guter Start

Anfänglich liefen die Geschäfte unter dem jungen Blocher gut, Umsatz und Gewinn zeigten nach oben. Doch letzten Herbst folgte der tiefe Fall. Nachdem gleich mehrere Pharma-Unternehmen die Entwicklung geplanter Medikamente gestoppt hatten, rasselten die Erträge für das erste Halbjahr im Vergleich zur Vorjahresperiode um einen Fünftel in die Tiefe. Trotz Tritt auf die Kostenbremse verwandelte sich der bereits zuvor schmale Gewinn in einen Verlust von rund 2 Millionen Franken. Seit bald einem Jahr lässt Dottikon in der Produktion kurzarbeiten.

Den scharfen Einbruch begründete Markus Blocher mit Entwicklungen, die ausserhalb seines Einflussbereichs lägen. Zahlreiche Staaten packten ihre Kostenproblem im Gesundheitsmarkt an, was die Pharma-Industrie zu Einsparungen und Entwicklungsstopps zwinge. Dies und der starke Franken mache der exportorientierten Dottikon zu schaffen.

Überzeugen Blochers Erklärungen? Ja, meint Vontobel-Analystin Carla Bänziger, die als Einzige ihrer Zunft das Unternehmen unter die Lupe nimmt. «Die Strategie stimmt. Blocher bleibt nur, die Kosten im Griff zu haben und auf bessere Zeiten zu warten.» Auch der bekannte Investor Peter Lehner, der für die Bank Sarasin einen Fonds managt und mit diesem kürzlich die 3-Prozent-Beteiligungsgrenze an Dottikon überschritten hat, sieht die Aargauer Pharma-Zuliefererin in einer günstigen Position. «Wenn der regulatorische Gegenwind nachlässt und die Kapazitätsauslastungen wieder steigen, wird dies in einen starken operativen Gewinnzuwachs münden», sagt Lehner. Von null auf hundert also, denn Dottikon verfüge über Top-Anlagen und sei auf Pharma fokussiert. Das Unternehmen hänge aber nicht wie andere Zulieferer von ein paar wenigen Medikamenten ab, sondern stelle eine breite Palette an Wirkstoffen für zahlreiche pharmazeutische Anwendungen her.

Der Chef als Problem

Anderer Meinung ist ein ehemaliger Kadermann von Dottikon. Im Unterschied zu einigen Ex-Kollegen, die ebenfalls nicht mehr bei der Firma tätig sind, ist er zu einem Gespräch über die Firma und seinen neuen Patron bereit. Ihn überraschten die Probleme nicht, meint der Insider. Das Problem sei Markus Blocher. Dessen Führungsstil habe langjährige Mitarbeiter und Kaderleute vergrault, einige wichtige Leute hätten das Unternehmen verlassen oder mangels Job-Alternativen innerlich gekündigt. Zudem umgebe sich Blocher mit Getreuen, die ihn nicht hinterfragen würden. Er baue die Administration unverhältnismässig aus. So habe er beispielsweise die Personalabteilung verdoppelt und eine Art «Controlling des Controllings» eingeführt.

Ein Blick ins Handelsregister bestätigt: Viele Kaderleute haben Dottikon verlassen, seit Blocher 2003 die operative Leitung übernommen hatte - damals erst als Geschäftsführer. Die Abgänge hielten auch unter seiner Eigentümerschaft an. Bei den Betroffenen handelt es sich sowohl um gestandene Manager als auch um frische Kräfte, die relativ kurz angestellt waren.

Einige Abgänge erfolgten altershalber, aus eigenem Wunsch oder mangels Leistung, andere hingegen haben laut der Dottikon-Quelle direkt mit Blocher zu tun. Als Finanzverantwortliche habe der Patron eine enge Vertraute installiert, die nie Kritik am Chef äussern würde. Auf den Stuhl des Einkaufschefs habe Markus Blocher einen «persönlichen Freund» gesetzt, was den Abgang eines fähigen Managers provoziert habe. Dieser arbeitet heute bei Dottikon-Konkurrentin Lonza.

«Keine Zeit»

Auf Anfrage liess Markus Blocher ausrichten, dass er «keine Zeit» für ein Gespräch habe. Die eingereichten Fragen betrafen neben der geschäftlichen Entwicklung von Dottikon auch die gehäuften Management-Abgänge der letzten Jahre.

Laut dem Ex-Kadermann stösst Blochers Führungsstil bei Kaderleuten auf Ablehnung. Blocher beharre auf der eigenen Meinung, was viele Dottikon-Führungsleute demotiviere. «Die sagen sich: ‹Was sollen wir uns Gedanken über wichtige Themen machen, wenn zuletzt doch nur einer bestimmt?›»

Sollten die Aussagen des Insiders zutreffen, würde ausgerechnet der Sohn die berühmten Führungsprinzipien seines bekannten Unternehmer-Vaters verletzen. Im soeben erschienenen, von der Familie Blocher autorisierten Buch über Ems-Chemie, die «Geschichte eines unmöglichen Unternehmens», zitiert Autor Karl Lüönd Ems-Chefin Magdalena Martullo. Sie habe Christoph Blochers Führungsgrundsätze für alle Ems-Mitarbeiter verbindlich formuliert. Einer lautet: «Wir fragen den Vorgesetzten nie. Entweder sind wir kompetent und entscheiden, oder wir stellen einen Antrag. Im Zweifel sind wir kompetent.» Bei Sohn Markus soll laut dem Dottikon-Mann das Zusammenspiel zwischen Patron und Managern weit weg von der geforderten Selbstverantwortung sein. «Blocher junior ist sehr überzeugt von sich», meint die Quelle.