Boeing und Airbus bilden eines der wichtigsten Duopole der Welt: Die Grossraumflugzeuge stellen einen Markt, in dem viele Airlines lediglich zwei Anbietern gegenüber stehen. Zwar gibt es noch manchen Flugzeug-Hersteller, doch nur Airbus und Boeing haben das Know-how und die Mittel, eigene Langstrecken-Passagierjets zu entwickeln. Und auch auf der Mittelstrecke sind die Firmen mit der Airbus-A320-Familie und der Boeing 737 trotz neuer Konkurrenz führend. Doch wer liegt aktuell vorne im Duell der Luftfahrtkonzerne?

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Mehr Auslieferungen und Bestellungen und bessere Unternehmenszahlen: Bis vor kurzem schien Boeing seinem europäischen Konkurrenten Airbus davonzuziehen. Und als Airbus Anfang 2019 das Ende des A380-Programms bekannt gab, war dies ein weiterer Triumph für die Amerikaner. Im Gegensatz zu den Europäern hatten sie früh erkannt, dass die Zeit der vierstrahligen Grossraumflugzeuge abläuft – und auf kleinere Langstreckenjets wie die Boeing 777 und 787 gesetzt.

Strategische Fehlentscheidungen wie das A380-Programm hätten den europäischen Flugzeugbauer ins Hintertreffen gebracht, lautete der Tenor noch vor Kurzem. Doch das Blatt hat sich gewendet. Nach zwei Abstürzen von nagelneuen Boeing 737 Max mit 346 Toten innert fünf Monaten sind die Auslieferungen bei Boeing eingebrochen. Von Januar bis April wurden laut dem US-Konzern 24 Prozent weniger Flugzeuge an Kunden übergeben als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Auslieferungen des Typs 737 Max waren Anfang März sogar ganz gestoppt worden.

Noch im Jahr 2018 lieferte Boeing sechs Flieger mehr aus als Airbus. Ein vertrautes Bild, lagen doch die Amerikaner seit 2012 immer vor den Europäern – wenn auch teilweise knapp.

Das Grounding wegen der Abstürze wiegt schwer, denn die Boeing 737 war das meistverkaufte Modell des amerikanischen Herstellers. Kein Wunder setzte Boeing grosse Hoffnungen in die Modernisierung unter der Bezeichnung «MAX». Sie war eine Reaktion auf die erfolgreiche A320neo-Familie von Airbus und sollte den Europäern nach der Langstrecke auch die Kurz- und Mittelstrecke wieder streitig machen.

Die Kurz- und Mittelstreckenmodelle sind für beide Hersteller enorm wichtig und machen einen Grossteil der verkauften Maschinen aus, wie diese Aufstellung für Airbus zeigt.

Tatsächlich verkaufte sich die 737 Max zunächst hervorragend. Der Typ steuerte laut Analysten der Berenberg Bank zuletzt knapp ein Drittel zum Umsatz und einen Grossteil des Gewinns bei. Bis zum Absturz in Äthiopien im März gingen 5'000 Bestellungen für den Jet bei Boeing ein. Doch unter dem Druck des europäischen Rivalen, der seine modernisierten A320-Flieger schon seit 2016 ausliefert, waren bei der Entwicklung des Modells wichtige Sicherheitsaspekte vernachlässigt worden.

So hatte Boeing von der amerikanischen Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) die Erlaubnis erhalten, Sicherheitsbewertungen und Analysen selbst durchzuführen. Die beiden Abstürze stehen offenbar im Zusammenhang mit einer neuen Software, welche Boeing zur Verhinderung eines Strömungsabrisses bei den neuen 737-Versionen entwickelt hat.

Imageschaden für die FAA-Überwacher

Dabei soll Boeing die Funktionsweise des Systems (Maneuvering Characteristics Augmentation System kurz MCAS) verschwiegen haben, damit die Umschulung der Piloten schneller geht. Bei beiden Unglücken kämpften die Piloten verzweifelt gegen den Autopiloten, ohne zu wissen, wie sie das fehleranfällige System abschalten könnten. Die Katastrophen werfen wegen dieser Versäumnisse nicht nur ein schlechtes Licht auf die Max-Reihe, sondern auf den gesamten Konzern und die FAA, was das Image der amerikanischen Luftfahrtindustrie und damit die Verkäufe von Boeing nachhaltig schädigen dürfte.

Bis zu den Abstürzen arbeitete Boeing sehr profitabel. 2018 betrug der Gewinn über 10 Milliarden Dollar. Airbus kann von einer solchen Zahl nur träumen; der Bruttogewinn des Euro-Konzerns lag 2018 bei gut 5 Milliarden Euro. Für beide Firmen war 2018 ein Rekordjahr.

Bei Boeing wird sich dieser Erfolg vorerst nicht wiederholen lassen. Der Gewinn brach im ersten Quartal um 13 Prozent ein und der Umsatz sank um zwei Prozent auf knapp 23 Milliarden Dollar.

737 Max: Behörden in Europa und China reden mit

Wann die 737 Max wieder abheben dürfen, ist noch völlig offen, auch wenn die FAA auf ein schnelles Ende des Flugverbotes drängt. Die Behörden in China und Europa werden nach den Fehlern bei der ersten Zertifizierung wohl ein Mitspracherecht bei der Neuzulassung verlangen. Das Geschäft der beiden Luftfahrtkonzerne hat ohnehin eine politische Dimension. Während Boeing immer wieder eine zu grosse Nähe zur Luftfahrtbehörde FAA vorgeworfen wird, steht Airbus wegen staatlichen Krediten und Schuldenerlassen in der Kritik.

Die Aktien von Boeing und Airbus erlebten in den letzten Jahren einen starken Aufschwung. Beide Firmen profitierten von der riesigen Nachfrage nach neuen Kurz- und Mittelstreckenjets. Doch nun belasten die Abstürze die Kurse von Boeing stark. Die Aktie steht unter dem Kurs von vor einem Jahr. Ein typisches Bild: Die Nachricht eines Flugunglücks belastet Aktienkurse üblicherweise unmittelbar. Wann sich die Kurse wieder normalisieren, hängt von der Verantwortung des Herstellers und damit den potenziellen Auswirkungen auf die Gewinne ab, wie die Finanzplattform «Cash» beschreibt.

Für Boeing ist das ein Problem: Neben drohenden Klagen von Angehörigen der Absturzopfer und möglichen Stornierungen von Bestellungen durch Airlines dürfte auch das Grounding der 737-Max-Maschinen ins Geld gehen. Der Chef von Kunde Norwegian hat auf Twitter bereits angekündigt, Boeing «die Rechnung zu schicken».

Auch der Handelsstreit könnte sich für Boeing negativ auswirken. Einerseits werden chinesische Airlines als Kunden immer wichtiger, andererseits ist Boeing einer der grössten Exporteure der USA. Wenn die Amerikaner die Daumenschrauben bei chinesischen Firmen weiter anziehen, ist Boeing als Ziel von Gegenmassnahmen seitens Chinas prädestiniert.

Comac, Irkut, Embraer, Mitsubishi

Dazu kommen neue Konkurrenten auf der Kurz- und Mittelstrecke. China und Russland arbeiten an eigenen Passagierjets, die voraussichtlich 2021 auf den Markt kommen sollen. Die chinesische Comac C919 und die russische Irkut MS-21 haben ihre Erstflüge bereits absolviert.

Noch eine Stufe kleiner arbeitet Mitsubishi am Regional Jet und Embraer hat eine ganze Reihe von Kurzstreckenflugzeugen im Angebot. Airbus hat auf diese Herausforderung reagiert und im Sommer 2018 die C-Series von Bombardier übernommen. Die Flieger werden neu unter dem Namen A220 vermarktet. Der Flugzeugbauer erweiterte so seine Produktpalette auf kleinere Passagierjets, ohne selbst viel Geld in die Entwicklung neuer Flugzeuge investieren zu müssen.