Gerüchte sind an der Börse im Moment wieder hoch im Kurs», sagt Lorenz Burkhalter von der gleichnamigen Vermögensverwaltung, der unter swissmarketpulse.ch täglich die neuesten Börsengerüchte verbreitet. Letzte Woche seien pro Tag etwa vier bis sechs neue Gerüchte aufgetaucht.



Solche Spekulationen verbreiten sich auch gerne über den News-Service marktpirat.com, der vom ehemaligen Börsenhändler Armando Guglielmetti betrieben wird. Es wäre gut möglich, dass demnächst Gerüchte um Panalpina kursieren, meint Guglielmetti. Nachdem der ehemalige Panalpina-Konzernchef Bruno Sidler wegen Buchungsmanipulationen eines Kadermannes den Sessel geräumt hat, ist nun Chief Administrative Officer Roland Wider aus dem Unternehmen ausgeschieden. Dies rege natürlich die Fantasie der Marktteilnehmer an, so Guglielmetti.

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Vieles an der Börse sei jedoch gezieltes Positionsgerede; vor allem Hedge-Fonds streuten Gerüchte, um Kurse in ihrem Sinne zu bewegen, meint Lorenz Burkhalter. Börsenhändler würden dieses Spiel aber mittlerweile durchschauen. «Wer Falschinformationen als Gerüchte tarnt, handelt illegal», weiss Mark Schindler, Autor des Buches «Rumors in Financial Markets». In den USA hat es bereits Fälle gegeben, in denen Bussen oder sogar Gefängnisstrafen ausgesprochen wurden. In der Schweiz gibt es dagegen keine rechtlichen Konsequenzen für denjenigen, der absichtlich Gerüchte in die Welt setzt. Weder die SWX Swiss Exchange noch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) werden aktiv. «Dafür wäre eine Gesetzesänderung notwendig», sagt SWX-Sprecher Jürg Von Arx. Die EBK kennt ebenfalls keine verbindliche Regelung. Ein entsprechender Vorstoss vor vier Jahren habe bis heute noch keine tragfähige Basis gefunden, wie EBK-Sprecherin Tanja Kocher erklärt.

Unklarheit als Auslöser



«Es kommt sicher vor, dass Gerüchte gezielt gestreut werden, um den Markt zu testen», meint auch Mark Schindler. Untersuchungen hätten jedoch gezeigt, dass Gerüchte meistens spontan aufgrund von Missverständnissen oder unklaren Aussagen entstehen. Kürzlich hat sich etwa das Gerücht verbreitet, OC-Oerlikon-CEO Thomas Limberger werde neuer Chef von SGS.

Der Genfer Warenprüfkonzern trat diesen fantasievollen Spekulationen kurz darauf entgegen und hielt in einem Communiqué fest, dass Limberger bei ihnen nicht CEO werde. Die SGS-Aktien gehörten an diesem Tag zu den grössten SMI-Gewinnern. Mit einem Dementi können die Kursbewegungen in den meisten Fällen gestoppt werden, kommt denn auch eine Studie der Technischen Universität Chemnitz zum Schluss.

Dies zeigt auch die jüngste Berg- und Talfahrt der Cytos-Aktien. Novartis habe Interesse an Cytos, wurde am Markt spekuliert. Gerüchte haben die Biotech-Titel beflügelt, bis eine klare Absage von Cytos-CEO Wolfgang Renner die Aktien an einem Tag 6% einbrechen liess.

Doch nicht immer bringt ein Dementi das Gerücht zum Verstummen. So halten sich die Übernahmespekulationen um Bâloise hartnäckig, obwohl der Konzern immer wieder betont, unabhängig bleiben zu wollen.Schon seit längerem kursiert auch das Gerücht, OC Oerlikon könne Sulzer übernehmen. Als dann ein Preis von 2000 Fr. je Aktie kolportiert wurde, legten die Sulzer-Titel an einem Tag fast 4% zu. Seit sich an der Generalversammlung aber kein Raider zu erkennen gegeben hat, kocht die Gerüchteküche nur noch lauwarm.

Gerüchte verbreiten sich nur, weil an sie geglaubt wird. Für viele Börsianer ist aber allein die Kursbewegung ein Indiz dafür, dass der Markt daran glaubt. Nach dem Auftreten eines Gerüchts setzt dann oft der «Herdentrieb» ein. Dies führt zu einem Überschiessen des Aktienkurses, und in der Regel geht der Kurs auch nicht mehr ganz auf das ursprüngliche Niveau zurück.

Ein generelles Muster, nach dem sich Gerüchte verbreiten, gibt es aber nicht. Es kann sogar sein, dass der Markt überhaupt nicht auf ein Gerücht reagiert. «In jedem Fall ist die Kursbewegung schwierig vorherzusehen», meint Schindler, «dies gilt auch für denjenigen, der das Gerücht streut.» Deshalb sei es kaum möglich, systematische und risikolose Gewinne zu erzielen.

Kleinanleger kommen zu spät



Die grossen Marktteilnehmer profitierten durchaus vom organisierten Handel mit Gerüchten, kommt dagegen die Studie der TU Chemnitz zum Ergebnis. Bis Kleinanleger vom Gerücht erfahren, ist es jedoch meist zu spät. Denn Gerüchte verbreiten sich an der Börse innert weniger Minuten, und zwar über Mund-zu-Mund-Propaganda, E-Mail, Newsletter oder elektronische Medien.

Dafür haben Gerüchte üblicherweise keinen besonders langen Atem. «Nur in seltenen Fällen erzielen sie eine längerfristige und nachhaltige Wirkung», führt Schindler weiter aus. Normalerweise hält sich ein Gerücht nur ein paar Stunden oder höchstens ein paar Tage. Die Finanzgemeinde verliert das Interesse daran und wendet sich etwas Neuem zu.