Preise runter, Preise rauf: Gleich dreimal änderte Pick Pay innerhalb von fünf Monaten seine Preisstrategie. Im Sommer 2004 senkte der Markenartikel-Discounter lauthals die Preise von 500 Produkten um bis zu 30%. Mitte September 2004 hob die Bon-appétit-Tochter still und leise die Preise von 400 Artikeln wieder an. Und nachdem ein Preisvergleich der Konsumentensendung «Kassensturz» Mitte November gezeigt hatte, dass die Preise für bestimmte Markenartikel bei Pick Pay teurer sind als bei Coop oder Denner, reagierte der Discounter prompt und senkte diese Preise auf Coop-Niveau oder tiefer.

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Auch die Sortimentspolitik fährt auf Schleuderkurs. Im Rahmen einer Repositionierung straffte Pick Pay in den neuen Filialen und in Testfilialen das Sortiment von 4500 auf 2300 Artikel. Doch damit wurden nicht nur Kunden verärgert, sondern auch Einnahmen aus den Listinggebühren geschmälert, Gebühren, welche die Lieferanten bezahlen, um ihre Produkte über Pick Pay verkaufen zu können. Nun wurde das Sortiment wieder auf rund 3000 Artikel hochgefahren.

Akute Führungsschwäche

Unsicherheit herrscht auch in der Kommandozentrale. Die Chefsessel von Pick Pay entpuppten sich als Schleudersitze: Knall auf Fall trennte man sich Anfang September 2004 von Rolf Hinze, Direktor der Pick Pay, und von Peter Beeler, Mitglied der Geschäftsleitung und zuständig für den Verkauf beide Mitarbeiter, die Jahrzehnte für das Unternehmen tätig gewesen waren. Als Begründung für die Trennung wurden unterschiedliche Auffassungen über die Umsetzung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens genannt.

Drei Monate später ist Pick Pay immer noch auf der Suche nach einem neuen Direktor. Christian Karnath, COO der Bon appétit Group, leitet die Pick Pay Betriebs AG nur in interimistischer Funktion. Zur Betriebs AG gehören 130 Pick-Pay-Discounter-Filialen und 120 Pick-Pay-Partner-Geschäfte, die von Franchisenehmern geleitet werden. Im ersten Semester 2004 setzte Pick Pay 396,7 Mio Fr. um.

Die Unsicherheiten in der Führungsetage bei Pick Pay werden verstärkt durch unvorhergesehenen Wechsel in der obersten Führungsetage von Bon appétit: Der frühere Bon-appétit-Chef Alain Caparros, der in die Rewe-Unternehmensleitung nach Köln gewechselt hatte, wurde jüngst zum neuen Verwaltungsratspräsident der Bon appétit Group ernannt, nachdem Rewe-Chef Ernst Dieter Berninghaus aus undurchsichtigen Gründen aus dem Unternehmen ausgeschieden war.

Staatsanwalt ermittelt

Ernst Dieter Berninghaus ist offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Das sei nur die halbe Wahrheit, schreibt das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittle gegen Berninghaus wegen Verdacht auf «Betrug und Steuerhinterziehung». Wolfram Schmuck, der Rewe-Mediensprecher, bestätigt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und meint gar gegenüber der «HandelsZeitung», dass diese Ermittlungen für den Rücktritt von Berninghaus durchaus eine Rolle gespielt haben könnten. Dabei geht es um die Internet-Firma Nexum AG, die Rewe um die Jahrtausendwende gekauft hatte. Berninghaus habe sich damals für die Übernahme stark gemacht und sich ohne Wissen von Rewe privat an Nexum beteiligt.

So kommt mit der deutschen Rewe, der neuen Besitzerin von Bon appétit, statt Ruhe, wie es sich der frühere Besitzer Beat Curti gewünscht hatte, noch mehr unnötige Unruhe in das gebeutelte Unternehmen, das an allen Fronten kämpfen muss.

Pick Fresh kein Discounter

Während die Rewe-Spitze torkelt, hat der interimistische Pick-Pay-Leiter Christian Karnath in der Schweiz Mitte November 2004 ein neues Vertriebskonzept, Pick Fresh, lanciert: Kleine Supermärkte mit einem Vollsortiment von 4500 Produkten in Quartieren und Dörfern, die von Franchisenehmern geführt werden.

Bereits sind zwei Pick-Fresh-Geschäfte in Zürich-Höngg und in Pfäffikon ZH eröffnet worden. Sie setzen vor allem auf Frischekompetenz mit Früchten und Gemüse, im Laden gebackenes frisches Brot, frisch abgepackten Käse und Fleisch in Selbstbedienung sowie Convenience-Artikel. Sie führen daher eher teurere Produkte. Zu Discountern kann man diese Läden daher nicht zählen.

Pick Fresh zielt auf das Segment der bestehenden Primo-Läden der Bon appétit Group und lehnt sich stark an den Markennamen Pick Pay an. Eine gefährliche Strategie: Mit ihren relativ hohen Preisen wird die neu lancierte Kette den angeschlagenen Markennamen von Pick Pay noch mehr verwässern.

So bleibt die Repositionierung von Pick Pay weiterhin unklar, was sich angesichts der kommenden Konkurrenz von Lidl und Aldi in der Schweiz als fatal erweisen könnte.