Der letzte Sommer war heiss, sehr heiss sogar. Schweizer und Schweizerinnen netzten häufiger als je zuvor ihre Kehlen mit Flüssigkeit - viele mit Bier. Was für einen Gefallen die Biertrinkerinnen und -trinker den Brauereien mit ihrem vermehrten Griff zur Flasche getan haben, das ahnen die meisten nicht. Denn die ersten beiden Drittel des Bierjahres von Oktober 2002 bis Mai 2003 verliefen für die Branche prekär, um nicht zu sagen katastrophal. «Die Branche lag deutlich im Minus», bestätigt Konrad Studerus, Direktor des Schweizerischen Bierbrauervereins (SBV). Doch das wochenlang andauernde, mediterrane Wetter mit Temperaturen über 30 Grad zog die Bierbranche aus ihrem Tief. Insgesamt wird die Branche das Bierjahr 2002/2003 mit einem Wachstum von 3% abschliessen können; die definitiven Zahlen liegen allerdings erst Mitte November vor.

Die Branche wird wohl mit einem blauen Auge davonkommen. Doch der nächste Faustschlag könnte bereits im Januar 2004 folgen. Dann nämlich soll die Alkohol-Promillegrenze für Automobilisten in der Schweiz von 0,8 auf 0,5? gesenkt werden. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass das Gastgewerbe und damit auch die Brauereien spürbare Einbussen hinnehmen müssen.

«Als 1998 die Promillegrenze in Österreich von 0,8 auf 0,5? gesenkt wurde, schrumpfte der Bierkonsum in den ersten Monaten in der Gastronomie um 15%», weiss Studerus. Am Jahresende war klar: Die Österreicher Gastronomie hatte 4% weniger Bier ausgeschenkt, die Brauereien mussten ihre Lieferungen zurückschrauben. Mit einem ähnlichen Szenario rechnet der SBV auch für die Schweiz.

Diverse Brauereien haben bereits auf die drohenden Umsatzeinbussen reagiert. Die Feldschlösschen Getränke AG mit Sitz in Rheinfelden präsentierte kürzlich das Leichtbier «2.4», dessen Alkoholgehalt gegenüber dem herkömmlichen Gehalt um die Hälfte reduziert worden ist. Ab Januar 2004 wird es erhältlich sein. Ein ähnliches Produkt lanciert auch die Luzerner Brauerei Eichhof an der Fachmesse IGEHO in Basel. Die Brauerei Falken aus Schaffhausen bringt derzeit das Leichtbier «ZwoAcht» auf den Markt.

Sinn der Sache: Ein Mann beispielsweise mit durchschnittlicher Körpergrösse und Gewicht kann fünf Stangen trinken, bis sein Blut einen Alkoholpegel von 0,5? aufweist. Bei normalem Lagerbier mit rund 4,8 Volumenprozent liegen nur rund zweieinhalb Stangen drin.

*Light-Produkte als Flop*

Die Idee des Leichtbiers ist nicht neu: Bereits in den 1980er Jahren kam dieser Trend auf. Allerdings mit anderem Hintergrund: Biere mit weniger Alkohol besitzen statt rund 48 Kilokalorien nur etwa deren 30. Die «Light»-Produkte erwiesen sich allerdings als Ladenhüter. «Um den Alkoholgehalt zu senken, verdünnte man die Biere einfach mit Wasser», erklärt SBV-Direktor Studerus. «Da Alkohol aber ein wichtiger Geschmacksverstärker ist, schmeckten die Leichtbiere sehr fade.»

Erwartet uns in der neuen Leichtbier-Runde dasselbe Problem? Nein. Zumindest behauptet das die Feldschlösschen Getränke AG. «Natürlich werden wir mit kritischen Stimmen konfrontiert, die auf die Erfahrungen der 1980er Jahre verweisen», räumt Mediensprecher Stefan Kaspar ein. Doch die seien unbegründet. Erste Tests mit Probanden hätten ergeben, dass sich ein «2.4» nicht von einem herkömmlichen Lagerbier unterscheiden lasse. Grund: «Wir haben ein neues Destillationsverfahren entwickelt, mit dem wir den vollen Geschmack beibehalten können, trotz weniger Alkohol», wirbt Kaspar. Damit das «2.4» für die Feldschlösschen Getränke AG rentiert, muss der Anteil am Inlandausstoss rund 3,5% betragen. «Wir planen, mit ?2.4? ein grösseres Volumen zu produzieren als mit unseren drei übrigen, alkoholfreien Produkten», so Kaspar. Ob das reduzierte Bier ein Erfolg sei, werde sich in einigen Monaten weisen. Doch man gebe sich optimistisch.

Vorsichtiger zeigt sich die Luzerner Brauerei Eichhof. «Wir glauben nicht, dass die alkoholreduzierten Biere ein Riesenerfolg werden», meint Marketingleiter André Briw. Damit Eichhof sein Leichtbier längerfristig im Sortiment behält, muss es einen Ausstoss-Anteil von rund 5% erreichen. Bei Kronenbourg Suisse SA waren die Zweifel am Erfolg der Leichtbiere so gross, dass man gar auf ein eigenes Produkt verzichtete.

Eine weitere Herausforderung für die Bierindustrie ist der sich abzeichnende Preisanstieg bei den Rohstoffen. Zudem erhofften sich die Brauereien Einsparungen beim Energieaufwand, was allerdings kaum realisiert werden dürfte, da der Strommarkt bis auf weiteres blockiert ist. Branchenkenner schätzen, dass die Bierpreise um 1 bis 3% aufschlagen werden.

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