Nein», sagt Brendan Cummins, das habe er wirklich nicht erwartet. Er wirkt selbst etwas verdutzt über die Tatsache, dass er ab Januar 2008 Chef beim Basler Chemiekonzern Ciba wird – just bei dem Unternehmen, für das er seit 1971 ununterbrochen tätig war. «Wenn man als junger Mensch für ein Unternehmen zu arbeiten beginnt, stellt man sich nicht vor, einmal dessen CEO zu werden», sagt der 56-jährige Ire. Ciba habe ihm aber immer wieder eine Möglichkeit geboten, neue Herausforderungen anzunehmen und sich dabei weiterzuentwickeln. Deshalb hat er nie das

Bedürfnis verspürt, zu einem anderen Konzern zu «flüchten».

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Lange Zeit im Ausland

Der diplomierte Buchhalter, der seine Ausbildung als Werkstudent abschloss, zog 1979 mit seiner Ehefrau Terry für fünf Jahre nach Singapur, um von dort aus die Geschäfte der damaligen Ciba-Geigy in Indonesien, Thailand und Malaysia aufzubauen. Es folgten fünf Jahre in Hongkong mit der Erschliessung des Marktes in China und darauf leitende Funktionen im Pharmageschäft auf den Philippinen, in Grossbritannien und ein weiteres Mal in China. 1999 kehrte Cummins in die Basler Konzernzentrale zurück. Als Mitglied der Konzernleitung führte er ab 2001 die Bereiche Internationale Koordination und Personalwesen und ab 2004 das Segment Plastic Additives mit Produkten wie Kunststoffstabilisatoren oder UV-Lichtschutzfiltern für Sonnencremes.

Seit Oktober 2005 amtiert Cummins als Chief Operating Officer (COO) und ist damit der «zweite Mann» hinter CEO und Verwaltungsratspräsident Armin Meyer. Zugleich kann sich Cummins so für seine kommende Aufgabe als Konzernchef vorbereiten – ab nächstem Jahr ist er allein für die operativen Tätigkeiten von Ciba verantwortlich. Armin Meyer wird sich dann auf das VR-Präsidium konzentrieren. Brendan Cummins sieht sich für seine nächste Aufgabe gut gerüstet. Er habe nicht nur viel «on the job» gelernt, sondern sich auch gezielt weitergebildet, so etwa an der renommierten US-Universität Harvard.



Zielstrebig und sich wappnend

Cummins bezeichnet sich als zielstrebig. «Weshalb soll ich eine Aufgabe auf morgen verschieben, wenn ich sie heute erledigen kann», fragt er. Kein Wunder, dass er sich nur ungern von seinem aufgeräumten Schreibtisch trennt und die Besucher lieber dort als in der daneben stehenden Sitzecke empfängt. Ebenso wichtig ist ihm eine gute Planung: «Ich setze mich abends jeweils noch eine halbe Stunde hin, um den nächsten Arbeitstag vorzubereiten», sagt er. Er arbeitet gerne und viel. Dennoch schafft er es meistens, um 19 Uhr oder 19.30 Uhr zu Hause zu sein. «Für grössere Projekte oder strategische Überlegungen verwende ich jeweils den Samstagmorgen», sagt Cummins. «In diesen vier oder fünf Stunden kann ich konzentriert arbeiten, denn das Telefon klingelt nicht, und der Computer bleibt ausgeschaltet.»

Trotz der vielen Arbeit achtet der höfliche und zurückhaltende Ire auf seine Work-Life-Balance. Spaziergänge beispielsweise liebt der im Basler Vorort Oberwil lebende Cummins sehr. Das Lesen von Magazinen und Büchern sowie das Hören von Musik gehören zu seinen Hobbys. Sein Lieblingsbuch ist «The Catcher in the Rye» von Jerome D. Salinger; er liest mehrheitlich auf Englisch, aber auch auf Deutsch und Gälisch.

Wichtiger Bezug zur Heimat

«Immer wenn ich in Irland bin, besuche ich noch die Region Gaeltacht, um meine Muttersprache Gälisch aufzufrischen», ergänzt er. Denn obwohl er in seinem Leben oft umgezogen ist, hat er den Kontakt zu seiner Heimat nie verloren. In seinem funktional eingerichteten Büro hängen zwei Zeichnungen, die das Zentrum seiner Geburtsstadt Waterford im Südosten von Irland zeigen. Mit seiner Mutter telefoniert er wöchentlich. Auch mit seinen zwei Schwestern und seinen zwei Brüdern tauscht er sich regelmässig aus. Dem Familienmenschen Cummins ist auch der nahe Kontakt zu seinen zahlreichen Nichten und Neffen sowie seinen drei Patenkindern sehr wichtig. Seine eigene Ehe ist kinderlos geblieben.

Sucht das Vertrauen

Als wichtigster Bestandteil seines Führungsstils nennt er ohne zu zögern das Stichwort «Vertrauen». «Ich möchte meinen Mitarbeitern das grösstmögliche Vertrauen geben», sagt Cummins. «Dann erhalte ich von ihnen ebenso viel Vertrauen zurück.» Er konzentriert sich darauf, klare Ziele und Vorgehensweisen zu vereinbaren. Deren konkrete Umsetzung will er aber den jeweiligen Verantwortlichen überlassen. Cummins umschreibt dies als «proaktive Führung». Er erwartet aber, dass sich sein Team bei Problemen ohne zu zögern an ihn wendet – seine Türe sei immer offen.

Neben Vertrauen wünscht sich Cummins von den Ciba-Mitarbeitenden vor allem auch eine grosse Portion Hartnäckigkeit. «Dies ist wahrscheinlich sowohl meine Stärke als auch meine Schwäche», sagt er. Denn er verlangt nicht nur viel von sich selbst, sondern auch von seinen Mitarbeitern. «Manchmal muss ich mich zusammennehmen, damit ich nicht zu viel verlange», meint er selbstkritisch.

Nicht zuletzt will er eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen, in der man sich selbst bleibe und auch einmal über sich selbst lachen könne. «Denn es hilft nicht, mit der Faust auf den Tisch zu klopfen, wenn man über eine Sache verärgert ist», so Cummins. «Für mich steht im Vordergrund, eine Lösung zu finden.»

Chemie wird in Europa bleiben

Das Vertrauen der Belegschaft wird Cummins gebrauchen können: Auf ihn warten schwierige Aufgaben. So wird sich die Konsolidierung in der Chemiebranche fortsetzen. Und Analysten stellen sich immer wieder die Frage, ob es Ciba dabei schaffen wird, als eigenständiges Unternehmen zu überleben. Der Konzern habe weder die Grösse noch die Macht, hohe Rohstoffpreise auf seine grossen und preissensiblen Kunden abzuwälzen. Der designierte CEO von Ciba will aber an der Strategie der Selbstständigkeit festhalten.

Er ergänzt, dass Märkte wie China und Indien für die gesamte Industrie immer wichtiger werden. Deshalb investiere sein Unternehmen dort auch viel. Gleichzeitig betont er, dass Ciba auch in Europa wichtige Projekte habe, welche zu weiterem Umsatzwachstum beitragen sollen. Denn Brendan Cummins geht davon aus, dass innovative und konkurrenzfähige Spezialprodukte nach wie vor auch in Europa hergestellt werden, weil es hier genügend Spezialisten mit dem notwendigen Fachwissen gebe.

Auch dem neuen Chemikalienrecht der EU («Reach») kann der baldige Konzernlenker Vorteile abgewinnen. «Wenn wir Produkte registrieren und damit Transparenz schaffen, kann dies aus der Optik der Kunden ein Vorteil sein, gerade bei Produkten für Lebensmittelverpackungen und im Kosmetikbereich», sagt er.



Für die Zukunft gerüstet

Cummins sieht Ciba für die Zukunft gut gerüstet. «Unser Portfolio ist stark und diversifiziert genug, um einzelne Zyklen auszugleichen», sagt er. Hinzu kommen eine hohe Innovationskraft und die globale Ausrichtung des Konzerns. Ciba soll die bestehenden Geschäfte weiterhin mit gezielten Akquisitionen verstärken. Das noch nicht genüged erfolgreich wirtschaftende Papier- und Wassersegment stehe nicht zum Verkauf. «Wir haben in den letzten Monaten viele Anstrengungen unternommen, damit dieser Bereich seine Profitabilität steigern kann», sagt Cummins. Dabei soll ihm auch das bis 2009 laufende Restrukturierungsprogramm «Operational Agenda» helfen.

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Steckbrief

Name: Brendan Cummins

Funktion: Chief Operating Officer (COO) Ciba, ab Januar 08 CEO

Alter: 56

Wohnort: Oberwil BL

Familie: Verheiratet

Karriere

- 1971 Eintritt als Werkstudent in die damalige Ciba-Geigy

- Bis 2001 Diverse Kaderfunktio-nen bei Ciba-Geigy und Ciba in Europa und Asien

- 2001–2004 Leiter Internationale Koordination und Personal 2004–2005 Leiter Segment Plastic Additives

- Seit Oktober 2005 COO Ciba

- Ab Januar 2008 CEO Ciba

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Führungsprinzipien

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1. Klare Zielsetzungen vereinbaren und den Mitarbeitern

die Verantwortung für deren Umsetzung geben.

2. Für die Mitarbeiter ein herausforderndes Umfeld schaffen, in dem sie mehr erreichen, als sie selbst für möglich halten.

3. Lösungen für wichtige Probleme findet man nur in direktem Gespräch.

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Firma

Ciba

Das Spezialitäten-Chemie-unternehmen mit Sitz in Basel erzielte 2006 mit über 14000 Mitarbeitern einen Umsatz von fast 6,5 Mrd Fr.