Hobbys? Dafür bleibt Bruno Dobler im Moment fast keine Zeit. Verträge aushandeln und Termine organisieren, Entscheidungen treffen und ein Team führen: So sieht der Alltag aus, der ihn zurzeit weit über die gängigen Bürozeiten hinaus absorbiert. Das Privatleben muss zurückstehen. Das macht Dobler jedoch nichts aus, denn er liebt die berufliche Herausforderung. Deshalb kann sich der 53-Jährige, der vor ein paar Monaten vom Chefpiloten zum CEO der Helvetic Airways befördert worden ist, auch gar nicht vorstellen, jemals pensioniert zu werden. Und wenn er dann doch einen Wunsch äussert, was er mit den spärlichen Stunden ausserhalb der Arbeitszeit liebend gerne anfinge, bleibt er sich und seiner grossen Leidenschaft treu: «Ich möchte gerne segelfliegen.» In den Lüften schweben und das Gefühl von Freiheit geniessen: Das ist die Welt des Mannes, für den ein Leben ohne Triebwerke, Tragflügel und Startbahnen kaum vorstellbar wäre.

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Dobler fliegt noch selber

In der jetzigen Position bleibt ihm allerdings für die Praxis seines in jungen Jahren erlernten Pilotenberufs nur wenig Zeit. Ein- bis zweimal pro Woche lässt es sich Dobler trotzdem nicht nehmen, im Cockpit einer von vier Helvetic-Maschinen des Typs Fokker 100 den Steuerknüppel fest im Griff zu halten. Gerade hat er einen Flug nach Mallorca hinter sich. «Mit einer sehr hohen Sitzbelegung», freut sich der Idealist, der bei Helvetic seit der Gründungszeit mit dabei ist.

Die Verantwortung fürs fliegende Personal ist inzwischen einer Gesamtverantwortung für das Wohl des Unternehmens gewichen. Knallhart kalkulieren muss Dobler heute und dafür sorgen, dass die von seinem Vorgänger Peter Pfister einst als «Günstig-Airline mit Fixpreis» positionierte Helvetic endlich die notwendige Schubkraft aufbringt, um aus den roten Zahlen zu fliegen.

Diese schwierige Aufgabe in einem hart umkämpften Markt absorbiert den in Rafz wohnhaften Dobler enorm, verlangt von ihm strategisches Geschick und Weitblick. Im Rappengeschäft Fliegerei ist auch der Faktor Zeit ein Luxusgut. Der Erfolgsdruck ist enorm. Das ursprüngliche Betriebskonzept von Helvetic musste wegen Erfolglosigkeit über Bord geworfen werden. Pfister und andere Investoren haben sich zurückgezogen und ihre Anteile Anfang 2006 dem Financier Martin Ebner verkauft, den Dobler aus Militärzeiten kennt. Die alte Freundschaft ändert nichts daran, dass der zahlende Patron Erfolge sehen will. Die Helvetic muss bald Gewinne einfliegen.

Der Reiz der riskanten Aufgabe

Auf dem steinigen Weg, mit Anpassungen bei Preisen und Streckennetz die Neuausrichtung der Gesellschaft zu einer «Nischen-Airline mit Qualitätsanspruch» schrittweise voranzutreiben, musste Dobler den 129 Helvetic-Angestellten vorerst das Vertrauen in die eigene Firma zurückgeben. «Nach dem Personalabbau im letzten Herbst war die Verunsicherung gross», erinnert er sich.

Inzwischen sei in den Büros im Klotener Industrie-Quartier aber wieder Zuversicht angesagt. Das ist wesentlich Doblers Führungsstil zu verdanken. Er habe von Anfang an versucht, eine neue Dynamik zu entfachen, den Teamgeist zu festigen und die Überzeugung zu vermitteln: «Wir wollen und können beweisen, dass die Helvetic eine erfolgreiche Zukunft hat.» Die aktuellen Buchungszahlen, so Dobler, seien erfreulich und «bestärken uns» auf dem eingeschlagenen Weg.

Emotionen und Durchhalteparolen allein genügen indes nicht, das weiss der alte Fuchs im Airline-Geschäft nur zu genau. Ein Traumtänzer ist er nicht, bezeichnet sich eher als Realist, der zwischen Chancen und Gefahren abwägt. Den CEO-Posten trat er denn auch nur unter der Voraussetzung an, dass Helvetic eine Kapitalspritze erhält. Den grossen Reiz allerdings, eine neue, stückweit unsichere Aufgabe ohne Erfolgsgarantie anzupacken, möchte Dobler als Antrieb für seine Entscheidung gar nicht leugnen. Für alles, was mit Fliegerei zu tun hat, ist er grundsätzlich schon mal zu begeistern.

Von der Bank direkt ins Flugzeug

Bezeichnenderweise ist Dobler unweit vom Militärflugplatz im luzernischen Emmen aufgewachsen. «Schon meiner Mutter bin ich als kleiner Knirps mit dem grossen Traum, Pilot zu werden, dauernd in den Ohren gelegen», lacht er. Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Banklehre, um danach rasch den Bogen von der kaufmännischen zur Aviatik-Welt zu spannen. Dobler wurde Flugzeugverkäufer, schwebte auf Aussendienstreisen im Einsitzer mit Propeller über afrikanischen Urwäldern, lernte als knapp 25-Jähriger Jüngling mächtige Staatsmänner, darunter Idi Amin in Uganda, kennen, und zehrt noch heute von beeindruckenden Erlebnissen aus dieser Zeit. «Die verbreitete Zufriedenheit der Leute in diesen Ländern, trotz grosser materieller Bescheidenheit, ist mir stets in Erinnerung geblieben und hat mich vielleicht sogar geprägt.» Dass Dobler seine heutigen Führungsqualitäten wie Begeisterungsfähigkeit und Positivismus in der damaligen Zeit verinnerlicht hat, schliesst er nicht aus. «Darüber habe ich mir nie viele Gedanken gemacht.»

Zum Sinnieren und Philosophieren blieb Bruno Dobler auch nur selten Zeit. In seiner beruflichen Karriere ging alles immer Schlag auf Schlag. Nach den prägenden Jahren und Reisen in alle Welt als Flugzeugverkäufer fasste er Ende der 70er Jahre den Entschluss, seine bis heute erfolgreiche Flug- und Pilotenschule Horizon zu gründen. Dass ihm Kollegen hüben wie drüben davon abrieten, weil die Nachfrage für Piloten zu dieser Zeit noch sehr gering war, interessierte Dobler nicht. «Ich wollte in der Fliegerei etwas auf die Beine stellen und basta.» Noch während der Gründungszeit von Horizon erhielt er von der damals stark expandierenden Crossair ein Angebot als Pilot und sagte zu. Als wenn die Doppelbelastung von Fliegen und Unternehmersein nicht schon gross genug gewesen wäre, gründete Dobler Mitte der 80er-Jahre, mit grossen finanziellen Risiken und erneut gegen Widerstände von aussen, die Classic Air.

Fan-Post als Bestätigung

Doblers Frau, geheiratet haben die beiden 1977, war ihm in dieser Energie raubenden Pionierzeit eine grosse Hilfe und managte zu einem grossen Teil die Flugschule, während Dobler bei Crossair zum Chefpiloten befördert wurde und zeitlich noch stärker absorbiert war. Seit fünf Jahren sind die beiden getrennt. Die gemeinsamen Söhne (19- und 21-jährig) wohnen bei ihrer Mutter. Das Flair fürs Fliegen haben sie indes vom Vater geerbt: Der jüngere hat soeben eine Lehre als kaufmännischer Angestellter bei der Zürcher Flughafenbetreiberin Unique abgeschlossen, der ältere arbeitet in einer Gärtnerei und will bald das Fallschirmspringer-Brevet machen.

Das gute und innige Verhältnis zu seinen Söhnen ist Dobler wichtig. Was gute Umgangsformen, Freundlichkeit und Zuverlässigkeit anbetrifft, macht er zwischen Privat- und Berufsleben keinerlei Unterschiede. Das will er vor allem die Fluggäste von Helvetic spüren lassen. An Bord sollen sie die Könige sein, von einem zuvorkommenden Personal umsorgt und sicher an ihr Reiseziel gebracht werden. Dafür steht der CEO mit Dienstleistungs-Flair besonders ein. «Klein aber fein» soll die von ihm geführte Airline sein, und über Mund-zu-Mund-Propaganda eine immer grössere Stammkundschaft rekrutieren. Der Lohn: «Wir erhalten täglich Fan-Post», sagt Dobler mit einem Glänzen in den Augen. Die Briefe machen ihn ein wenig stolz: Sie sind die Bestätigung für seine Philosophie.

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Zur Person

Steckbrief

Name: Bruno Dobler

Funktion: CEO Helvetic Airways, Kloten

Alter: 53

Wohnort: Rafz

Familie: Getrennt lebend, zwei Söhne

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Karriere:

- 1979 Gründung der Linienpilotenschule Horizon Swiss Flight Academy und Pilot bei Crossair

- 1985 Gründung Classic Air

- 1989 Executive MBA Universität St. Gallen

- 1995-2003 Kantonsrat Zürich

- 2003 Eintritt bei Helvetic Airways als Chefpilot

- 2006 Beförderung zum CEO

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Führungsprinzipien

1. Jeder Mitarbeitende hat seine eigene Geschichte und wird von mir als Individuum betrachtet.

2. Erfolg generiert Erfolg. Das gilt für jeden Mitarbeiter.

3. Mit dem richtigen Team sind fast alle Ziele zu erreichen.

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Firma

Helvetic Airways hat 2005 rund 80 Mio Fr. Umsatz erzielt und hat heute 129 Mitarbeitende. Mit vier Flugzeugen des Typs Fokker 100 setzt die Airline auf komfortable, zeitsparende Direktflüge, vorwiegend nach Spanien und Italien. Der Fokus liegt bei Geschäftskunden, dem Ferien- und Gastarbeiterverkehr.