Die Negativschlagzeilen rund um die Pensionskasse des Bundes (PKB), die sich heute nach der Sanierung und Ausgliederung aus der Verwaltung Publica nennt, sind zwar längst Geschichte. Das von einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) 1996 aufgedeckte Debakel war indessen noch lange gut für Argumente: So sind die Versicherten noch immer dankbar, dass sie damals dank dem Leistungsprimat einigermassen Gewähr hatten, ihre Ansprüche einlösen zu können: «Man darf sich nicht ausdenken, was passiert wäre, wenn es notwendig gewesen wäre, die Renten nach dem Beitragsprimat zu berechnen», malte SP-Mann Peter Vollmer damals, bei der Beratung des PKB-Gesetzes, den Teufel an die Wand.

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Dass der Primatwechsel etwas mehr ist als eine «Glaubensfrage», wie sich der vom Thema anfänglich nicht sonderlich begeisterte frühere Finanzminister Kaspar Villiger einmal ausdrückte, zeigt allein schon ein Blick auf gewisse kostenmässige «Spezialitäten» des aktuellen Modells. Beim Leistungsprimat wird der Arbeitgeber bei jedem Karriere- und Lohnsprung wacker zur Kasse gebeten, erinnerte sich im Ständerat die FDP-Vertreterin Erika Forster an ihre Zeit als Mitglied der Finanzkommission des sanktgallischen Grossen Rats zurück: «Es war für mich immer ein Horror, machtlos zusehen zu müssen, wenn unsere Budgets wegen hoher Einkaufssummen überschritten wurden.»

Gegenzeuge Novartis

Beim Bund kommt als Motiv für den Wechsel hinzu, dass er seit der Verselbstständigung der Publica für die Arbeitgeberbeiträge nicht mehr nur «symbolisch» aufkommen muss und auch für das Deckungskapital voll und ganz inklusive einer einmaligen Nachschiesspflicht im Umfang von 12 Mio Fr. geradestehen muss. Neben Grossunternehmen wie ABB, Roche oder Sulzer waren es vor allem die Kantone, die in Sachen Systemwechsel Schrittmacherdienste geleistet haben. Ein rundes Dutzend, unter ihnen Luzern, Solothurn, Zug und Zürich, hat in den 90er Jahren auf das Beitragsprimat umgestellt. Es gibt sie zwar auch, die prominenten Gegenbeispiele im Privatsektor, die wie etwa Novartis, Migros, die Credit Suisse oder UBS noch von einem eher patriarchalischen, nicht unbedingt zu grösserer Mobilität einladenden Pensionskassenverständnis ausgehen und am Leistungsprimat festhalten. Aber im allgemeinen ist doch unbestritten, dass die Zukunft dem Beitragsprimat gehört.

Wohl steht diese Finanzierungsart im Ruf, das Inflationsrisiko auf die Arbeitnehmer abzuwälzen. Aber die Vorteile sind bei weitem nicht nur kassen- beziehungsweise arbeitgeberseitig begründet. Anders als das Leistungsprimat ist es besser auf moderne Arbeitszeitmodelle und flexible Anstellungsbedingungen ausgerichtet, wie sie seit der Abkehr vom Beamtenstatus auch beim Bund immer beliebter werden. Und schliesslich sind, weil dem Beitragsprimat ein individuelles Sparmodell zugrunde liegt, der Kapitalbildungsprozess und damit die Freizügigkeitsleistungen für die Versicherten jederzeit und einfach nachvollziehbar.

Nicht zuletzt kommt das Beitragsprimat ohne verdeckte Solidaritäten aus, und das liefert denn auch die Erklärung, wieso beim Bundespersonal der Widerstand gegen den Wechsel allmählich schwächer wird: Nutzniesser des Leistungsprimats sind nämlich, da die Publica-«Normrente» vorgegeben ist mit 60% des zuletzt versicherten Verdiensts, die hohen Einkommen, deren 2. Säule zum Teil von Leuten mit schmalerer Lohntüte mitfinanziert wird. David Gerber, im Eidgenössischen Personalamt für Vorsorgepolitik zuständig, nennt als plakatives Beispiel den Zöllner, der mit etwa 40 Jahren bereits seinen Karrierehöhepunkt erreicht hat und bis zu seiner Pensionierung mehr BVG-Beiträge abliefert, als nötig wären, um seine spätere Rente zu alimentieren. Ergo werde auch er, wenn beispielsweise ein Sektionschef kurz vor seiner Pensionierung zum Staatssekretär aufsteigt, fortan dessen in stolze Höhen gekletterte Rente subventionieren helfen. «Rund 70% des Personals wird mit dem Beitragsprimat besser fahren», meint Gerber, nachteilig sei der Wechsel dafür für die Kader.

«Kultivierter» Wechsel

Vor vier Jahren, als es um die Verselbstständigung der Kasse ging, liess das Parlament den bürgerlichen Versuchsballon platzen, den Primatwechsel subito und integral für sämtliche der rund 55000 Publica-Versicherten zu verfügen. Jetzt soll der Startschuss gemäss Weisung des Bundesrats im Jahr 2007 fallen. Damit sollte eigentlich genügend Zeit zur Verfügung stehen, insbesondere auch für die offenbar immer noch nötigen vertrauensbildenden Massnahmen gegenüber dem Personal. Die interdepartementale Arbeitsgruppe, die bis 2005 dem Bundesrat eine vernehmlassungsreife Vorlage zu unterbreiten hat, ist jedenfalls angehalten worden, die Sozialpartner während des ganzen Prozesses beizuziehen.

Die Personalverbände werden dabei darauf pochen, dass die 2003 vom Bundesrat abgegebene Zusicherung, der Wechsel werde ohne Leistungsabbau erfolgen, nicht unter die Räder kommt. Nach Auskunft von Hans-Peter Konrad, Vizepräsident des Pensionskassenverbands ASIP und seinerzeit verantwortlich für den Primatwechsel bei Sulzer, ist es möglich, das Leistungsniveau ohne Mehrkosten zu halten sofern gewisse Parameter stimmten. Der Bund selber strebt für den Moment ein «kultiviertes» Beitragsprimat an und tritt damit in die Fussstapfen des Kantons Basel-Land, der sich ein Leistungsziel steckte und das unter «intelligentes» Beitragsprimat verkaufte. Ob bei der Umstellung Kosten zur Deckung erkannter Ziellücken (beispielsweise zur Kompensation wegfallender Solidaritäten) in Kauf genommen werden, sei letztlich von der Politik zu entscheiden, gibt David Gerber vom Personalamt zu verstehen. Bei der letzten grossen PKB-Diskussion im Parlament blieben Schätzungen, die von Umstellungskosten von 1 Mrd Fr. ausgingen, unwidersprochen. Doch das war vor vier Jahren, als der Spardruck noch nicht derart umfassend war.

Pensionskasse: Schleichender Wechsel Richtung Beitragsprimat

Beim Leistungsprimat wird ein bestimmter Prozentsatz des letzten versicherten Verdiensts als Altersrente der beruflichen Vorsorge garantiert. Es ist also Sache der Pensionskasse, dafür zu sorgen, dass die eingehenden Beiträge für diese Leistungen ausreichen, und die Versicherten brauchen sich beispielsweise durch die Diskussionen um den Mindestzinssatz nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Beim Beitragsprimat dagegen richten sich die Leistungen grundsätzlich nach der Höhe der von den Versicherten und ihren Arbeitgebern bezahlten Beiträge. Der Realwert der künftigen Rente ist also nicht bekannt. Auch wenn linke Sozialpolitiker das Leistungsprimat noch immer mit einem Glorienschein versehen, gehört die Zukunft eindeutig dem Beitragsprimat, wie ein Blick auf die Pensionskassenstatistik zeigt. Über 2,5 Mio aktive Versicherte waren 2002 einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen, die ihre Altersrenten über das Beitragsprimat finanziert. Das sind 4,5% mehr als 2000. Mit dem Leistungsprimat im Rücken blickten dagegen bloss 750000 Versicherte dem Ruhestand entgegen, 3,3% weniger als zwei Jahre zuvor. Noch haben drei von fünf Bediensteten der öffentlichen Hand eine auf dem Leistungsprimat basierende 2. Säule, doch geht auch hier der Trend klar in Richtung Beitragsprimat: Zwischen 2000 und 2002 stieg die Zahl der nach dem Beitragsprimat Versicherten von 164000 auf 190000, während sich die Zahl der öffentlich-rechtlich Beschäftigten mit Aussicht auf Altersleistungen gemäss Leistungsprimat in der gleichen Zeitspanne von 357000 auf 315000 reduzierte.