Nach seiner spektakulären Flucht in den Libanon hat sich der frühere Nissan-Chef Carlos Ghosn mit scharfer Kritik an seinem früheren Arbeitgeber und an den japanischen Strafverfolgern zu Wort gemeldet. «Mein unvorstellbarer Leidensweg ist das Werk skrupelloser und rachsüchtiger Einzelpersonen», sagte der 65-Jährige auf einer Pressekonferenz in Beirut.

Ghosn war nahezu zeitgleich mit seinem Sturz als Chef der Autobauer-Allianz Nissan/Renault im Herbst 2018 von japanischen Behörden festgesetzt und angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft in Tokio beschuldigt ihn, Gelder in zweistelliger Millionen-Dollar-Höhe schwarz kassiert, veruntreut und unterschlagen zu haben. Ghosn bestreitet jegliche Verfehlungen. «Die Anschuldigungen sind unzutreffend», wiederholte Ghosn am Mittwoch. Aus dem Hausarrest in Japan entkam er Ende Dezember, angeblich mit dem Flugzeug eines türkischen Privatjet-Anbieters.

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Verletzung der Menschenrechte

«Warum haben sie 14 Monate lang versucht, mich zu brechen, und mir jeden Kontakt mit meiner Frau verweigert?», fragte der libanesisch-stämmige Manager nun in Beirut. Die Antwort aus seiner Sicht: Er sei Opfer einer Verschwörung beim japanischen Autobauer und bei Behörden des Landes geworden, nachdem das Geschäft von Nissan nicht mehr gut lief. Ausserdem hätten seine Gegner ihn loswerden wollen, um den Einfluss des französischen Herstellers Renault bei Nissan abzuschütteln.

Ghosn warf Japan eine Verletzung grundlegender Menschenrechte vor. «Ich wurde bis zu acht Stunden lang ohne einen Rechtsanwalt verhört», sagte er. «Wenn Sie nicht einfach gestehen, wird es noch schlimmer», habe ihm der Staatsanwalt immer wieder gedroht. Er sei vor aller Welt bereits als schuldig abgestempelt worden. Seine monatelange Untersuchungshaft, die schliesslich in Hausarrest umgewandelt wurde, sei völlig überzogen gewesen.

Ihm sei keine andere Wahl als die Flucht ins Ausland geblieben, sagte Ghosn. «Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens.» In keinem anderen demokratischen Land der Welt käme man wegen derartiger Vorwürfe ins Gefängnis. 

Ghosn soll in einer Kiste versteckt aus Japan in den Libanon geflohen sein. Zu der Flucht mit einem Privatjet hätten ihm zwei hierzu eingereiste Amerikaner geholfen, berichteten japanische Medien unter Berufung auf Ermittler. Japan nannte die Ausreise illegal.

(awp/reuters/tdr)