Wirklich erstaunen kann es nicht, dass sich Severin Schwan 2023 vom Posten als Roche-CEO zurückzieht. 15 Jahre lang wird er dann die operative Führung über den Basler Pharmamulti innegehabt haben. Kaum ein Schweizer Konzernchef hält sich so lange an der Spitze. Zumindest nicht ausserhalb von Roche.

Und doch überrascht der Schritt, denn Diskussionen darüber gab es zuletzt eigentlich keine – zumindest nicht an der Öffentlichkeit. Die Maschine Roche läuft zuverlässig routiniert.

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Vielleicht ist es genau dieses Momentum, das Schwan zum Rücktritt verleitete. Er hinterlässt einen aufgeräumten, aber vielleicht etwas ruhigen Betrieb. Im Gegensatz zur Novartis stehen gerade keine Radikal-Restrukturierungen an. Mit den beiden Geschäftsfeldern Diagnostik und Pharma hat Roche zwei klare Standbeine. Dabei konnte sich das kleinere – die Diagnostik – gerade in der Covid-19-Pandemie beweisen. Reihenweise konnte Roche ihre Cobas-Testgeräte an die Labors ausliefern. Mit etwas Geschick lässt sich darauf nun weiteres Geschäft aufbauen. Und mit den imposanten Türmen – Bau 2 ist mittlerweile auch fertiggestellt – hat Schwan sich, Roche und der Pharmastadt Basel ein weitherum sichtbares Denkmal gesetzt.

Bloss die Aktionäre konnten zuletzt nicht ganz so zufrieden sein, brach der Kurs des Roche-Genussscheins im Frühling doch stark ein – und vor allem viel stärker als die Novartis-Aktie. Dies, nachdem Analysten der UBS den Titel im April sogar zum Verkauf empfohlen hatten und Fragezeichen zur Pharma-Pipeline setzten. Die sei mit ihren grossen Blockbustern halt immer etwas volatil, lautete da die Antwort aus Basel. Man habe Zeit.

Nur auf den ersten Blick überraschend sind die Namen. Diagnostik-Chef Thomas Schineker stand bisher eher im Hintergrund, nur die wenigsten kennen seinen Namen. Und doch wird er und nicht der mächtige Pharma-Chef Bill Anderson künftig das Unternehmen leiten. Es scheint, als hätte der Oeri-Clan, der die Stimmenmehrheit von Roche kontrolliert, die alte Blaupause aus der Schublade gezogen.

Schon 2008 wurde der mit 41 Jahren gefühlt blutjunge österreichische Chef der Diagnostik-Sparte, Severin Schwan, zum CEO ernannt. Wo er einen etwas älteren Österreicher, Franz Humer, ablöste, der sich aufs Präsidium zurückzog; das er zuvor bereits im Rahmen eines Doppelmandats innehatte. Heute heisst der junge Diagnostik-Chef Schineker (47, Doppelbürger Österreich, Deutschland). Und es ist Schwan, der sich zum Präsidenten aufschwingt. 

Franz B. Humer, chairman of the board of Roche, right, and CEO Severin Schwan, left, attend the general assembly of Swiss pharmaceutical company Roche Holding AG, in Basel, Switzerland, Tuesday, March 3, 2010. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

So war es damals: Roche-CEO Severin Schwan (links) und Präsident Franz Humer (rechts) an der Generalversammlung 2010. Auch Humer war zuvor Konzernchef. 

Quelle: Keystone

 

Die Aktion ist typisch Roche. Der eine oder andere Investor wird anmerken, dass solche direkten Wechsel von der operativen Führung an die Spitze des Verwaltungsrats aus Gründen der Corporate Governance heute nicht vollzogen werden sollten. «Passt schon», lautet da wohl die Antwort in Basel, denn die wahre Kontrolle hat bei Roche eh nicht der Präsident, sondern die Familie. Und die wird im Verwaltungsrat von Vizepräsident André Hoffmann und Jörg Duschmalé vertreten.

Warum nicht Pharma-Chef Anderson? Vielleicht, weil dieser als Spartenchef schlicht zu wichtig ist, als dass man dort auf ihn verzichten könnte? Und vielleicht auch, weil Schineker, der erst kurz vor der Pandemie CEO der Diagnostik wurde, in den vergangenen Jahren zeigte, dass er Chef-Qualitäten hat? Der Aufstieg des 47-Jährigen ist auf jeden Fall bemerkenswert.

Roche verfügt in der neuen Konstellation über ein starkes Team. Anstelle des ehemaligen Airline-Managers Christoph Franz, dem man die Leidenschaft für die «Chemischen» nie so richtig abgenommen hat, steht mit Schwan wieder ein echter Rochianer an der Spitze. Eine dynastische Nachfolgeregelung auf allen Ebenen.

Und so bleibt vor allem eine Frage: Bleibt Schwan vom Verwaltungsrat aus die dominante Figur? Schon heute ist er dort als einfaches Mitglied vertreten. Er kennt die Situation von beiden Seiten. Als er 2008 Konzernchef wurde, tat auch er das zunächst noch im Schatten seines früheren Chefs. Humer blieb nach 18 Jahren als Konzernchef noch bis 2014 Verwaltungsratspräsident. Roche, das grosse Machtgeflecht.