Jörg Weber (62), Chef und Gründer der Modekette Chicorée, trotzt der Misere im Schweizer Bekleidungshandel. Der Modediscounter steigerte letztes Jahr seinen Umsatz um vier Prozent auf 151 Millionen Franken, wie BLICK erfahren hat. Dabei herrscht in der Modebranche seit einigen Jahren Heulen und Zähneklappern. Ganze neun Prozent brach das Bekleidungs- und Schuhgeschäft 2018 in der Schweiz ein. Als Hauptursache gilt der deutsche Onlinehändler Zalando, der in der Schweiz mit seinen günstigen Preisen massiv expandierte und seinen Umsatz innert sieben Jahren von 0 auf 800 Millionen Franken katapultierte.

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In diesem Umfeld, wo selbst internationale Konzerne wie H&M an Boden verlieren, sagt Weber: «Wir spüren den Druck von Zalando nicht.» Er gehe zwar davon aus, dass Zalando hierzulande seinen Marktanteil ausgeweitet hat, aber nicht auf Kosten von Chicorée. Klar ist: Etwas muss Weber besser machen als die Konkurrenz. Der Kern seiner Strategie, nur auf stationären Handel zu setzen, widerspricht dem Trend des florierenden Onlinehandels.

Chicorée wird nie Pakete verschicken

«Der Onlinehandel ist kein Allerheilsmittel», findet Weber. Er sehe das Onlinegeschäft gar nicht als Konkurrenz und will selber auch nicht in dieses Geschäft einsteigen. «Ich kenne niemanden in der Schweiz, der mit Damenmode im Onlineverkauf Geld verdient», führt er aus. Vielleicht werde es einmal ein Angebot geben, wo man Chicorée-Produkte im Internet bestellen und dann in der Filiale abholen könne. Aber mit Päckli würden auch in Zukunft keine Chicorée-Produkte versandt – das wäre nicht rentabel. Sowieso schätzten die Kunden das reale Einkaufserlebnis.

Das Kleiderunternehmen wuchs letztes Jahr um 8 auf 157 Standorte. Die neuen Filialen seien von dem hierzulande in Konkurs gegangenen italienischen Modekonzern OVS übernommen worden, erklärt Weber. Nach der Expansion der letzten Jahre sei die Schweiz nun gut abgedeckt mit Chicorée-Filialen. Es gebe noch etwa drei, vier Wunschstandorte, die dazukommen könnten. 

Jörg Weber, Chef und Gründer der Modekette Chicorée

Jörg Weber: Chef und Gründer der Modekette Chicorée

Quelle: ZVG

Natürlich habe Chicorée Kunden von Mitbewerbern abgeworben, auch solchen, die inzwischen verschwunden seien, räumt er ein. Sein Erfolgsrezept sieht Weber jedoch in erster Linie im konsequenten Fokus auf die Harddiscount-Preise und den Ausbau der grösseren Kleidergrössen.

«Rabatte sind das Schmiermittel»

Für ihn gehören Daueraktionen das ganze Jahr über dazu. «Rabatte sind das Schmiermittel für den Verkaufsmotor», so Weber. Während etliche Detailhandelsexperten wie Martin Hotz von Fuhrer & Hotz vor längerfristigen Rabatten warnen und sie als Gift sehen, sagt Weber: «Rabatte sind für uns ein Segen.» Jeder Mensch schaue auf den Preis, Rabatt sei Teil des Handels und dürfe nicht verteufelt werden. Bei Chicorée gibt es alle Arten von Rabatten: 50-Prozent-Rabatttage, Tagesaktionen, und auch das neue VIP-Kundenbindungsprogramm mit Kundenkarte oder via App bietet Rabatte.

Doch verdient Chicorée mit diesem Rabattismus überhaupt? «Mit hohen Volumen kommt man automatisch auf gute Resultate», sagt Weber. Chicorée verdiene über die Menge, verkaufe pro Jahr über 10 Millionen Teile. Mit dem tiefen Preis allein brächte Chicorée die Kunden nicht in die Läden, führt Weber aus. Das vor 34 Jahren gegründete Familienunternehmen mit 750 Mitarbeitern muss bei den Modetrends mit H&M, Zara und Co. auf Augenhöhe sein. Da liegen keine langen Produktionswege drin. 

Weg von China und Bangladesch

Immer mehr Chicorée-Mode lässt Weber deshalb nicht mehr nur in Billigländern wie China und Bangladesch produzieren. Inzwischen werden rund 30 bis 35 Prozent der Chicorée-Bekleidung in Italien, Frankreich oder Griechenland hergestellt. Die Produktionskosten sind zwar laut Weber in Europa etwas höher, doch bei topmodischen Produkten seien die Kunden auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.

Dieser Artikel wurde zuerst im Wirtschaftsressort des «Blick» veröffentlicht.