Asiatische Touristen galten als die grosse Chance für den Schweizer Tourismus. Besonders Chinesinnen und Chinesen besuchten seit 2011 immer zahlreicher die Schweiz – zur Freude von Destinationen wie Luzern, Interlaken oder der Rigi. 2019 bildeten Chinesen noch die fünftwichtigste ausländische Besuchergruppe.

Jetzt, wo sie wegen Covid-19 nicht mehr kommen, werden sie schmerzlich vermisst. Und zwar nicht nur an den touristischen Hotspots, wo man es vermuten würde. Sondern auch in Sins im Aargau, im urnerischen Flüelen oder in Affoltern am Albis. Es sind solche Orte, wo Chinesen den grössten Anteil an den Übernachtungen haben (die Zahlen stammen vom Bundesamt für Statistik und wurden von der Credit Suisse aufbereitet).

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Wer nach der Erklärung sucht, stösst beispielsweise auf das Businesshotel «Arcade» in Sins, das «Holiday Inn Express» in Affoltern oder das «Tourist» in Flüelen. Dank dieser Hotels kommen die Ortschaften in der Statistik zu Ehren: Sie waren beliebt bei chinesischen Reisegruppen.

Ein grosser Parkplatz lockt Reisegruppen an

Im «Arcade» kamen sie zusammen mit indischen Gästen etwa für die Hälfte aller Übernachtungen auf. Das Hotel ist ideal bei der Autobahnausfahrt gelegen und einfach zu erreichen von Luzern oder Zürich.

«Wir profitierten von unserer Nähe zu Luzern. Es trifft uns sehr, dass die Cars dieses Jahr nicht kommen», erzählt Co-Geschäftsführer Reto Gaudenzi. «Wir waren die ersten in der Region, die sich auf diese Gruppen spezialisierten, und haben beispielsweise für das Frühstück extra chinesisches Personal beschäftigt.»

Auch das «Tourist» in Flüelen leidet unter dem Ausbleiben der Gäste aus Asien. Besonders in der Nebensaison, im Frühling und Herbst, setzte Hotelier Peter Arndt auf solche Gruppen – sie machten etwa 40 Prozent der Buchungen aus. «Sie konsumierten zwar wenig und brachten das Essen selber mit. Aber die Rechnung zahlten sie immer anstandslos.» Arndt glaubt nicht, dass die chinesischen Touristen bald wieder zahlreich die Schweiz besuchen. «Die kommen frühestens in drei Jahren wieder», sagt der Hotelier.
 

Wann chinesische Touristen und andere Gäste aus Übersee wieder in grosser Zahl die Schweiz bereisen, kann niemand mit Sicherheit sagen – zu unklar ist die weitere Entwicklung der Pandemie. Die vielleicht interessantere Frage ist ohnehin, wie sich der chinesische Tourismus in Europa verändern wird. Wie lange reisen Chinesinnen und Chinesen noch fast überwiegend in Gruppen an? China hat mittlerweile eine grosse Mittelschicht, die sich Reisen nach Europa leisten kann.

Auf eigene Faust

«Chinesen besuchen häufiger auf eigene Faust die Schweiz, diese Tendenz war schon vor der Krise zu erkennen», bestätigt Florian Hälg von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Das sieht der Tourismusforscher auch als Chance für den Schweizer Tourismus.

Denn die Reisegruppen blieben meist nur ein oder zwei Tage, besuchten nur die Topdestinationen und gaben wenig für Übernachtungen und Essen aus. Der Gruppentourismus nahm auch Auswüchse an, wie im Frühling 2019, als 12'000 Chinesen gleichzeitig durch die Schweiz jagten. «Die Gruppenreisen sind in Verruf geraten. Schweiz Tourismus wirbt in China deshalb nur noch für Einzelreisen», sagt Hälg.

Ob diese chinesischen Individualtouristen auch in Sins, Affoltern am Albis oder Flüelen übernachten wollen, ist eine andere Frage: Das neue Reiseverhalten von chinesischen Gästen wird auch Verlierer schaffen.