Christoph Beuttler, Klimapolitik-Chef von Climeworks, im grossen Interview: «Ohne uns gibts kein Netto-Null»

Christoph Beuttler hat viel zu tun, auch auf der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheikh. Die «Handelszeitung» trifft den neuen Klimapolitik-Chef des Schweizer Unternehmens Climeworks, das mit einer an der ETH entwickelten Absauge-Technik Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entfernt, zum Interview in der grünen Zonen der COP27. Emsig eilt Beuttler für Diskussionsrunden und Meetings zwischen dem weitläufigen Gelände – das für Unternehmen und die breite Öffentlichkeit zugänglich ist – und der blauen Zone – jener für die offiziellen Verhandlungen – hin und her. Schon beim Klimagipfel in Glasgow im vergangenen Jahr galt das Schweizer Unternehmen als heimlicher Star. Auch jetzt wird es wieder international umschwärmt. Denn alle wollen vor allem eins wissen ... Können Sie die Welt mit Ihrer Technologie retten, Herr Beuttler? Allen emittierten Tonnen hinterherzurennen, wäre zu schwer. Jede vermiedene Emission, jedes CO2, das nicht in die Luft geht, ist besser. Aber Ihr «CO2-Staubsauger» hilft, damit wir klimaneutral werden – also nicht mehr Emissionen ausstossen, als natürlich oder technisch wieder eingefangen werden können? Es gibt keinen Netto-Nullpunkt ohne Carbon Dioxide Removal (CDR) inklusive Direct Air Capture, der Entfernung von CO2 aus der Luft. Das hat jede und jeder mittlerweile verstanden. Wir verursachen immer Restemissionen. Auch die Landwirtschaft zum Beispiel kann mit Technologien nicht vollständig emissionsfrei gemacht werden. Wenn Sie eine Solaranlage bauen, entstehen auch dabei Emissionen. Und diese müssen eben mit CDR neutralisiert werden. Wie viel können und müssen Technologien wie Ihre zur Reduktion von CO2 leisten? Aktuell geht man global von etwa 15 Prozent der Emissionen aus. Deutschland rechnet mit einem Entfernungsbedarf von nur 5 Prozent, aber da hat man auch auf blauen Wasserstoff aus Russland gesetzt. Der wird aus Erdgas gewonnen, wobei die dabei entstehenden CO2-Emissionen abgeschieden und gespeichert werden. Auch dabei würden in der Lieferkette Emissionen entstehen. Wobei so ein blauer Wasserstoff aus Russland wegen der aktuellen Situation nicht mal mehr eine Lösung für Deutschland ist. Es muss nun auf grünen Wasserstoff gesetzt werden. Ich glaube, viele Industrien werden es schaffen, 90 Prozent ihrer Emissionen zu reduzieren. Oder 85 Prozent. Manche werden mehr reduzieren, andere weniger. Das heisst, am Ende könnten es realistisch 10 bis 20 Prozent sein, die wir nicht durch reine Reduktion in den Griff bekommen. Das kann sein. Wir wissen es einfach noch nicht. Am Anfang ist es immer leichter mit der Reduktion, dann wirds schwerer und teurer. Das sieht man schon daran, wenn man seinen eigenen CO2-Fussabdruck verringern will: Die ersten 50 Prozent sind leicht, die nächsten 25 Prozent tun schon richtig weh. Viel mehr ist kaum möglich. Ausser, wenn man selbst den Zug nur noch selten nutzt und so weiter. Was bedeutet das eigentlich: CO2-Entfernung? Das Molekül muss aus der Luft genommen und dauerhaft weggesperrt werden. Mindestens hundert Jahre, vielleicht sogar besser tausend Jahre. Und danach? Tja, wenn wir das Klimaproblem in hundert Jahren nicht gelöst haben … dann ist es wohl zu spät – zu heiss. Sollten wir dann nicht lieber gleich auf weniger dauerhafte Lösungen verzichten? Das wäre keine gute Idee. Wir brauchen auch Ansätze wie jene, die auf Biomasse basieren, denn sie sind aktuell noch einfacher und günstiger. Das ist Bioenergie aus Pflanzen, die während ihres Wachstums CO2 binden und deren bei der Herstellung freigesetztes CO2 direkt wieder abgeschieden und gespeichert wird. Expertinnen und Experten schätzen das CO2-Reduktionspotenzial bis 2050 auf bis zu 5 Gigatonnen. Wir haben nicht genug Biomasse auf der Welt und bräuchten drei Planeten, um das Emissions-Problem allein damit zu lösen. Auch Aufforstung schafft es natürlich nicht, CO2 über tausend Jahre zu speichern. Aber wir brauchen alle diese Ansätze. Und wir brauchen die Diskussion darüber, damit klar bleibt: Das CO2 muss aus der Luft in den Boden. Und zwar nicht im Sinne von CCS, der Abscheidung und Speicherung von fossilem CO2 direkt bei der Produktion. Damit wird kein CO2 entzogen, sondern es wird lediglich verhindert, dass keine weiteren CO2-Moleküle in die Luft kommen. In Ihrem Linkedin-Profil steht, Sie splitten Ihre Zeit zwischen Ihrem Job bei Climeworks und dem Vorsitz bei zwei Nichtregierungsorganisationen in Brüssel, die sich für negative Emissionen und Innovation im Bereich Klima und Energie einsetzen. Mittlerweile sind noch ein paar Mandate mehr dazugekommen. Hat ihr Tag etwa mehr als 24 Stunden? Ich habe eine sehr tolle Frau. Sie arbeitet auch 150 Prozent und wir haben zwei Kinder, aber irgendwie kriegen wir es hin. Und ich habe ein tolles Team, das mir den Rücken freihält. In Brüssel, der Schweiz und den USA. Wir arbeiten alle sehr viel. Dafür wirken Sie hier recht entspannt. Es bringt ja nichts, permanent aufgeregt zu sein. Ich habe auch so meine Momente, in denen mir bewusst wird, was für eine Skalierungsreise wir noch vor uns haben. Dass wir mehr Gas geben müssen. Das ist unser aller Welt. Wir müssen schneller mehr machen. Aber wenn wir das hinbekommen wollen, darf ich mich nicht persönlich verrückt machen. Von Haus aus sind Sie Betriebswirt. Und jetzt auch eine Art Aktivist? Ich weiss nicht, ob ich mich als Aktivisten bezeichnen würde. Ich habe damals Ökonomie, BWL und International Business studiert, um herauszufinden, was wir ändern müssen. Ich wollte erst mal das System verstehen, um überhaupt etwas bewegen zu können. Das war damals schon der Plan? Ja, mit 18 hatte ich eine Werbeagentur. Da war es schon mein Wunsch, in den Bereich zu gehen, den man früher «Nachhaltigkeit» genannt hat. Jetzt würde ich «Energie und Klima» dazu sagen. Sie haben zuletzt viel Geld für Ihr Vorhaben eingefahren: 600 Millionen Franken bei der letzten Funding-Runde im Frühjahr, einen Zehnjahresvertrag mit Microsoft. Kann man Climeworks überhaupt noch als Startup bezeichnen? Wir sind definitiv kein Startup mehr. Aber wir haben auch gar nicht sooo viel Geld eingefahren. Gemessen an der Grösse des Problems ist es ein Tropfen. Sie kokettieren. Das war die grösste Finanzierungsrunde, die es jemals gab. Klar, das ist ein Rekord hoch drei. Aber die ganze Industrie muss grösser werden. Damit meine ich alle Unternehmen, die mit den unterschiedlichsten Ansätzen den Planeten wieder aufräumen. Wir müssen grösser werden als jene Industrien, die das CO2 in die Luft gepumpt haben. Also wollen Sie es mit der Öl- und Gasindustrie aufnehmen? Wir müssen. Und das wird Geld kosten, nicht nur ein paar Millionen. Sondern? Von wie viel sprechen wir? Gemessen am weltweiten BIP vielleicht 2 Prozent pro Jahr, wenn wir im Milliarden-Tonnen-Bereich sind. Wichtig ist, dass wir den Preis pro entfernter Tonne CO2 auf etwa 200 US-Dollar reduzieren. Aktuell ist er drei- bis viermal so hoch. Was brauchen Sie dafür? Mehr Anlagen. Wir müssen schneller mehr davon bauen. Es geht nur um Zeit. Wir machen das alles zum ersten Mal und können nicht einfach Leute anstellen, die schon genau wissen, wie das geht. Wie lösen Sie das Personalproblem? Wir stellen intelligente Menschen aus komplementären Industrien an. Aber nicht einmal damit kommen wir hinterher. Wir sind gerade 300 Leute und machen die Arbeit von 3000. Nötig wäre die Arbeit von drei Millionen. Bis 2050 wollen sie im Gigatonnen-Bereich sein, also Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Wo stehen Sie gerade? Wenn man die Nullen nimmt: ungefähr in der Mitte. Aber jetzt kommen die grossen Nullen, die uns von den 10’000 Tonnen in die Millionen und Milliarden Tonnen bringen müssen. Wie sehr helfen Ihnen langfristige Verträge wie jener mit dem Tech-Unternehmen Microsoft, für das Sie über ein Jahrzehnt 10’000 Tonnen pro Jahr entfernen sollen? Das ist der absolute Knüller – und auch nicht der einzige. Mich freut der Speed, mit dem wir diese Partnerschaften abschliessen, weil immer mehr Firmen erkennen, dass sie keinen Business Case mehr haben, wenn die Welt instabiler wird. In einer Welt mit Blackouts nützen die besten Microsoft-Produkte nichts mehr. Microsoft emittiert insgesamt 14 Millionen Tonnen Treibhausgas pro Jahr, Sie werden davon nur einen Bruchteil entfernen. 2030 wollen sie insgesamt 5 Millionen Tonnen pro Jahr entfernen lassen. Ich weiss nicht, wie hoch ihr Gesamtausstoss dann sein wird, aber sie wollen sehr viel reduzieren. Im Prinzip machen sie genau das Gleiche wie wir: Sie skalieren. Und helfen uns, zu skalieren. Wir sind an einem Punkt wie Tesla vor 15 Jahren, haben gerade einen Roadster gebaut, und das ist natürlich ein Spielzeug, aber es macht das, was es machen soll, und zeigt, was wir können. Wir bauen nun das Model S, unsere Anlage Mammut in Island … … die bis zu 36’000 Tonnen pro Jahr entfernen soll … Mammut ist immer noch zu teuer. Aber es wird uns zum Model 3 bringen. Und dann? Vielleicht gibt es ja dann auch mal ein Model 2, wie es Tesla plant, das dann noch günstiger ist. Wollen Sie sich aktuell wirklich mit Elon Musks Autofirma vergleichen? Vom Prinzip her ist es ähnlich. Wir können uns auch mit der Solarindustrie vergleichen, die anfangs viel teurer war. Wir wissen, wie die Technologie funktioniert. Man baut mehr davon, man lernt, wird besser, also auch günstiger. Im Juni war Spatenstich für Mammut. Wo stehen Sie? Wir haben einen Zeitplan bis 2024. Dann wollen wir anfangen, zu fördern. Die Anlage Orca, die 4000 Tonnen im Jahr schafft, haben wir erst letztes Jahr eröffnet. Also etwa eine Verzehnfachung der «Fördermenge» in zwei, drei Jahren. So müssen wir weitermachen. Wir brauchen eine kontinuierliche Wachstumsrate um 60 Prozent, um bis 2050 auf die 15 Prozent zu kommen, die CDR entfernen sollte. Elektroautos skalieren aktuell mit einer Wachstumsrate von 50 Prozent. Neben den beiden Mega-Anlagen in Island übernimmt Climeworks auch die Projektentwicklung für die Kohlenstoffdioxid-Entfernung aus der Luft plus Speicherung (DAC+S) in Norwegen und den USA. Auch in den Oman wollen Sie gehen. Warum fehlt die Schweiz auf dieser Liste? Das Gestein in der Schweiz eignet sich grösstenteils nicht für die Mineralisierung von CO2. In Ländern wie Island wissen wir, es geht und es ist sicher. Ausserdem sind die Genehmigungsverfahren kürzer. Ist die Schweiz für Ihre Industrie zu bürokratisch? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Aber da es eh nur wenig Speicherkapazitäten für uns gäbe, ergibt die Diskussion wenig Sinn. Die Schweiz könnte Ihnen ja wenigstens einfach sehr viel Geld geben, um die von ihr verursachten Emissionen woanders zu binden. Der Emissionshandel ist ja im Pariser Abkommen unter Artikel 6 vorgesehen. Genau, das geht. Aber wir sind praktisch ausverkauft. Orca ist ausverkauft, Mammut auch zu einem grossen Teil. Die dauerhafte CO2-Entfernung ist ein knappes Gut, und sie wird auch immer ein knappes Gut bleiben. Aber wir würden uns natürlich freuen, wenn die Schweiz einsteigt. Wer das jetzt tut, beweist Voraussicht. Ein Gedankenspiel: Wie viel Geld müsste die Schweiz für technische Lösungen in die Hand nehmen, damit sie weiterleben kann wie bisher? Das kommt darauf an, mit wem sie es umsetzen will. Wir liegen im Moment bei 600 bis 800 Dollar pro Tonne, aber könnten theoretisch mehr verlangen, weil die Nachfrage da ist. Andere Ansätze, die auch relativ permanent sind, kosten im Schnitt 200 Dollar, es gibt aber auch davon nicht genug Angebote. 2019 emittierte die Schweiz gesamthaft rund 37 Millionen Tonnen. Die vollständige Entnahme würde demnach zwischen 7,4 und 30 Milliarden Dollar kosten. Netto-Null ohne die Reduktion des Ausstosses erreichen zu wollen, ist keine gute Idee. Mit CDR ist das so: Bis zu einem bestimmten Kostendach ergibt es Sinn, die Emissionen zu reduzieren, und wenn man darüber kommt, entfernt man besser. So kann man das grob einteilen. Während man aber reduziert, muss man trotzdem bereits für die Entfernung skalieren beziehungsweise einkaufen, denn nur so entwickeln sich die Volumina, die wir dann mal brauchen. Der Preis ist völlig aktuell egal. Es geht darum, dass wir die Volumina entwickeln müssen. Wenn Technologien wie Ihre bis 2050 bis zu 5 Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entfernen können sollen, wäre das etwa ein Siebtel des weltweiten Ausstosses. Glauben Sie, dass Sie das schaffen? Ja. Deswegen sagen wir auch: Es gibt keine Konkurrenz im Bereich der CO2-Entfernung und -Lagerung. Wir hoffen wirklich, dass mehr ernsthafte Firmen in den Markt kommen und diese nicht mit Fantasiepreisen um sich schmeissen, sondern wirklich Anlagen bauen, Produkte anbieten und dann loslegen. Wir müssen eine ganze Industrie aufbauen, die funktionierende Lieferketten hat. Dann erst wird es so billig, so wie man es bei Solar und Wind gerade beobachten kann. Wie sehr treffen Sie die aktuellen Lieferkettenschwierigkeiten und die hohe Inflation? Das betrifft uns auch, aber wir haben Gott sei Dank ein sehr gutes Team, welches das auf dem Schirm hat. Und in einer jungen Industrie, die relativ teuer ist, fällt es nicht so ins Gewicht. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es uns nicht wehtut. So wie jedem, der auf dieser Welt aktuell etwas produziert. Das 369 Milliarden schwere Klimapaket der Biden-Regierung enthält massive finanzielle Unterstützung für Abscheidungstechnologien. Allein die Steuergutschriften für die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre sind damit auf 180 Dollar pro Tonne gestiegen. Darf man das als Ihren grössten Lobby-Erfolg bezeichnen? Wir haben tatsächlich lange mitgearbeitet. Die USA haben erkannt, dass die direkte Gewinnung von CO2 aus der Luft kein Kostenfaktor ist, sondern eine Riesenchance. Eine wachsende Industrie zu kreieren, in einer Zeit, in der die fossile Industrie schrumpfen muss, ist sehr clever. Also fördern sie uns stark, damit wir dort hingehen – und es funktioniert. Machen Sie sich Sorgen, dass die Unterstützung aus den USA mit einem geteilten Kongress nun nach den Zwischenwahlen und einer möglicherweise republikanischen Präsidentschaft nach der Wahl 2024 nachlassen könnte? Eigentlich nicht. Wir sind in gutem Kontakt mit beiden Parteien, und die gemässigten Republikaner setzen ja eigentlich gerne auf Technologie. Der Supergau wäre allerdings, wenn Bidens Klimagesetze rückgängig gemacht würden. Was ist Ihr Vorteil gegenüber Wettbewerbern? Unsere Strategie ist, immer sehr genau zu sagen, was wir realistisch liefern können und was es kostet. Wir sind die Einzigen, die das wirklich wissen, weil wir insgesamt schon 16 Anlagen gebaut haben. Und wir können unsere Anlagen rein mit erneuerbarer Energie betreiben. Wo stehen Ihre nordamerikanischen Mitbewerber Global Thermostat und Carbon Engineering? Die Kanadier von Carbon Engineering wollen jetzt die erste Anlage bauen. Und die Kalifornier haben einen Prototyp. Wie gesagt, wir hoffen, dass sie es auch schaffen, Anlagen zu finanzieren und zu bauen. Geben Sie sich gegenseitig Schützenhilfe? Klar. Bei der Negative Emissions Platform, unserem Verein in Brüssel, sind sie auch Mitglied. Wir tauschen uns aus und gehen zusammen auf politische Entscheidungsträger zu, um ihnen zu sagen, welche Massnahmen uns helfen. Bidens Vorpreschen ist in der EU nicht überall auf Begeisterung gestossen. Kritikerinnen und Kritiker sprechen von einem «Glücksspiel», das Ressourcen von den Erneuerbaren abzieht. Ich kenne diese Argumente. Ich fürchte, da werden Dinge vermischt, die wenig mit uns zu tun haben. Zum einen fühlen sich andere Industrien ungerecht behandelt. Und dann gibt es noch das Argument, das Geld lieber in Emissionsreduktionen zu stecken. Dabei zeigen die Szenarien des Weltklimarats alle, dass wir beides machen müssen. Sonst fahren wir den Karren ja so oder so an die Wand. Aber es gibt auch einen Brief von 500 Umweltorganisationen. Das ist ein anderes Problem. Sie werfen uns in einen Topf mit CCS, der CO2-Abscheidung bei der Produktion. Die Kritik an CCS ist, dass dadurch die fossilen Energien «weiterleben» können. Wenn man realistisch ist und schaut, wie viel fossiles CO2 diese Welt noch braucht, dann sollten wir übergangsweise auch CCS betreiben. Wir dürfen das Verfahren aber nicht genauso behandeln wie die dauerhafte Entfernung und Speicherung, die wir machen. Das muss man sauber trennen und man muss Standards setzen. Ihre erste kommerzielle Anlage in Hinwil ZH ist eingestellt, aktuell sind Sie bei der zweiten Generation und arbeiten schon an einer dritten. Was muss optimiert werden? Mindestens drei grosse Komponenten: Erstens muss der Filter besser werden. Zweitens könnten die Anlagen günstiger und materialsparender produziert werden. Zwischen der ersten und der zweiten Generation haben wir zum Beispiel 40 Prozent Stahl pro Tonne CO2 eingespart. Drittens könnte der Prozess selbst noch besser gesteuert werden. Können Sie im Oman die gleiche Anlage wie in Island bauen? Bedingt. Verschiedene klimatische Bedingungen brauchen unterschiedliche Filter. Wir haben ein grosses Testzentrum in Zürich gebaut, in dem wir das simulieren und in Schleife testen können. Aber wir wollen es noch weiter ausbauen nach dem Vorbild der Flugindustrie. Dort gibt es tolle Testzentren, in die man Flugzeuge stellen und alles Mögliche simulieren kann. Sowas bräuchten wir auch, damit könnten wir – und andere Firmen – viel schneller vorwärtskommen. Wir könnten mehrere Dinge gleichzeitig testen und ein innovatives Milieu schaffen. Eine Art Test-Hub für DAC-Firmen. Soll der auch in Zürich stehen oder wandern Sie damit in die USA ab? Beides wäre gut. Wir verhandeln mit der Schweizer und der amerikanischen Regierung. Israel ist auch interessiert. Wann gehen Sie an die Börse? Aktuell planen wir keinen Börsengang. Ich will das für die Zukunft nicht ausschliessen, aber jetzt ist ja auch keine gute Zeit dafür. Wichtiger sind uns diese langfristigen Partnerschaften. Das verpflichtet die Partner wie uns. Ein Börsengang zielt ja schon eher auf kurzfristigen Shareholder-Value. Das kommt für uns erst infrage, wenn die Zeit reif ist und wir so weit sind mit der Technologie. Dann kanns natürlich auch schnell gehen. Spüren Sie grossen Druck, die Welt zu retten? Ich versuche einfach nur, mit meinem Team die richtigen Strategien festzulegen. Das sind super Leute. Wir alle machen das, um in den Spiegel schauen zu können. Ich möchte für meine Kinder was tun. Wenn ich das grosse Geld verdienen wollen würde, wäre ich woanders. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Climeworks halten ja Anteile. Der Firmenerfolg zahlt sich also langfristig auch bei Ihnen aus. Die Anteile sind bei uns allen noch eher sehr klein. In einer anderen Industrie hätte ich mit meinem Skill-Set sicher grössere Anteile und dazu ein höheres Gehalt. Das ist aber nicht der Punkt. Mir gehts ja gut. Der Punkt ist: Wenn man sich die Daten anschaut, die Wissenschaft, wo wir stehen, dann reicht eine Solaranlage auf dem Dach nicht. Wir müssen mehr tun. Je mehr Leute das verstehen, desto besser.