Chronext-Börsengang: Vorspiel zum Endgame

Es ist gerade verdammt viel los im Handel mit Uhren. Bucherer will die USA erobern, Watches of Switzerland auf dem europäischen Festland expandieren. Der Schweizer Uhrenhändler Les Ambassadeurs macht den Chef der deutschen Uhrenplattform Montredo zum Chef und übernimmt die Plattform dann gleich ganz. Eine mit dem Luxus-Giganten LVMH verbandelte Beteiligungsgesellschaft kauft sich beim grössten Vermittler für Secondhand-Uhren, Chrono24, ein. Und jetzt geht auch noch Chronext, der Online-Uhrenhändler aus Zug, an die Börse. Die Meldungen der letzten Tage zeigen: Wir erleben gerade das Vorspiel des Endgame um die Vorherrschaft im (Online-)Uhrenhandel. Alle gegen AlleDie Konkurrenz im Multi-Milliarden-Markt ist gigantisch: Amerikanische Online-Riesen wie Ebay wetteifern mit alten Auktionshäusern wie Sotheby's, Christie's oder Phillips, etablierte Uhrenhändler wie Bucherer rivalisieren mit neuen Spielern wie Stock X oder Luxus-Giganten wie Richemont. Daneben buhlen viele Plattformen wie Chronext um Kunden. Plus natürlich die Juweliere und Uhrenhändler dieser Welt, die in ihren Hinterzimmern längst mit Secondhand-Zeitmessern dealen. Und schliesslich wollen auch viele Uhrenmarken selbst zumindest das Business mit den eigenen gebrauchten Uhren über die eigenen Kanäle abwickeln. Hat da ein noch junges Unternehmen wie Chronext überhaupt Chancen, auf einen grünen Zweig zu kommen? Obwohl es seit der Gründung im Jahr 2013 vor lauter Wachstum auf aktuell rund 110 Millionen Franken Umsatz noch keine Zeit hatte, Geld zu verdienen? Hier einige Gründe, die für und gegen Chronext sprechen: Chronext hat in den letzten Wochen ganz grosse Namen für den eigenen Verwaltungsrat engagieren können. Etwa Norbert Platt, einen Veteranen der Luxusbranche. Platt war lange Jahre Chef bei Montblanc und später Konzernchef von Richemont. Dann Gary Briggs, früher Marketingchef bei Facebook. Und schliesslich Daniella Vitale. Sie verfügt über 30 Jahre Erfahrung im Luxusgütersektor und war bis vor kurzem als Markenchefin für Tiffany aktiv. Kurz: Es ist ein gutes Zeichen, wenn solche grosse Namen an die Zukunft eines Unternehmens wie Chronext glauben. Co-Gründer um Chef Philipp Man hat mit Chronext diverse Painpoints der Kundinnen und Kunden aus dem Online-Kauf von Uhren genommen. Erstens verfügt Chronext bereits über 12 Läden, in denen man online gekaufte Uhren abholen und anprobieren kann. Zweitens gewährt Chronext auf jede Uhr zwei Wochen Rückgaberecht. Drittens beschäftigt das Unternehmen eigene Uhrmacher, die alle auf der Plattform angebotenen Uhren auf Echtheit prüfen und eine tadellose Funktion gewährleisten. Viertens gibt es auf jede Uhr zwei Jahre Garantie, egal ob es sich um eine Occasion oder eine neue Uhr handelt. Das Geschäftsmodell von Chronext ist (noch) einzigartig: Während Plattformen wie Chrono24 oder Ebay reine Vermittler sind und Anbieter wie die Richemont-Tochter Watchfinder reine Händler sind, welche ihr Inventar kaufen und dann an die Endkunden weiterverkaufen, ist Chronext beides: Vermittler und Händler. Die Strategie ist clever. Dies vor allem deshalb, weil im Onlinehandel noch nicht etabliert ist, welches Geschäftsmodell sich durchsetzen wird. Richemont zum Beispiel engagiert sich deshalb ebenfalls in beiden Geschäftsmodellen, ebenso Europas führende Online-Apotheke Zur Rose, die über ihre Tochter Promofarma auch das Inventar von stationären Apotheken online anbietet. Auch Zalando baut dieses hybride Geschäftsmodell kontinuierlich aus. Chronext-Chef Man sagt es catchy: «Wir sind das Farfetch für Uhren.» Für Nicht-Eingeweihte: Farfetch gilt im Handel mit Luxusmode derzeit als das Mass aller Dinge. Ein Problem für Chronext ist die vergleichsweise kleine Auswahl an Uhren. Klar: Mit über 7000 Uhren ist das Angebot zwar weit breiter als bei jeden Juwelier. Aber im Vergleich zu Chrono24, wo aktuell rund 475'000 Uhren gelistet sind, eben doch überschaubar. Entscheidend für den Erfolg von Online-Plattformen wie Chronext ist, wieviele Trophy-Watches sie listen können. Fehlen die Submariners, Royal Oaks und Nautilus' in den jeweils richtigen, weil heiss begehrten Versionen, fehlt auch der Umsatz. Der Konkurrenzkampf um diese Modelle allerdings wird Woche für Woche intensiver. Auch wenn Chronext mit dem Börsengang nun über 200 Millionen Franken einnehmen wird und das Geld zur weiteren Expansion nutzen will, bleibt das Unternehmen ein KMU. Konkurrenten wie LVMH, Richemont und Bucherer werden auf absehbare Zeit über mehr Mittel verfügen, um sich in dem umkämpften Markt breit zu machen. Zudem sind ihre Beziehungen in die Industrie, deren Erzeugnisse sie verkaufen, enger. Auch das ein Vorteil, den Man mit Chronext nur mit höherer Agilität wettmachen kann. Immerhin: Wenn es Riesen wie LVMH oder Richemont mit dem Online-Uhrenhandel wirklich ernst meinen, wäre eine kotierte Chronext ein nahezu ideales Übernahmeziel. In den letzten zwei Jahren ist Chronext im Schnitt um 46 Prozent pro Jahr gewachsen und 2020 einen Umsatz von 101 Millionen Euro gemacht. Wie hoch der Verlust war, ist (noch) ein Geheimnis. Marktvolumen von 80 Milliarden DollarDer Markt für Luxusuhren verspricht grosses Potenzial. Das Beratungsunternehmen McKinsey beziffert allein den Markt für neue Uhren auf jährlich rund 50 Milliarden Dollar, 78 Prozent dieses Umsatzes würden mit Luxusuhren gemacht. Dazu kämen noch mal fast 30 Milliarden Dollar Umsatz mit gebrauchten Uhren.