Zwei grosse Auktionen zur Schweizer Kunst sind es pro Jahr, die an der Zürcher Gessnerallee bei Sotheby’s durchgeführt werden; die eine fand gerade am 5. Juni statt. Im Ausstellungsraum sind die Riesenformate gestapelt, die im Safe keinen Platz finden, darunter seltene Bilder von Hodler aus Privatsammlungen. «Werke von Hodler kommen immer seltener zum Verkauf», erklärt Claudia Steinfels, die Chefin, «weil sich viele Bilder bereits in Museen befinden.»

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Für Hodler hat Sotheby’s daher schon in der Vergangenheit immer wieder Spitzenpreise erzielt: Vor sechs Monaten erst gab Claudia Steinfels einem Hodler-Liebhaber den Zuschlag für das Bild «Thunersee mit Stockhornkette» zu einem Rekordpreis von 5732000 Fr. – der Schätzwert lag zwischen 3 und 4 Mio Fr. Bei solchen Erfolgen fällt auch etwas vom Glanz auf die Auktionatorin und ihr Zürcher Team.

So geschehen auch bei einer von Kunstsammlern, Blaublütigen und beim breiten Publikum mit Spannung verfolgten Versteigerung der speziellen Art, einem «Castle Sale». Damals kam der Inhalt des Schlosses Marienburg bei Hannover, des Stammschlosses der Welfenprinzen, unter den Hammer. Der von Claudia Steinfels geschlagene Auktionspart wurde zu einem sensationellen Verkaufshit, gingen doch sämtliche Objekte weg. Ein solcher «White Glove Sale», wie er genannt wird, macht allen Beteiligten Riesenfreude und schafft Freiräume. «Wenn die Zahlen stimmen, geniesst man bei den Country-Head-Sitzungen in London eine gewisse Freiheit», gesteht Steinfels lachend.

Familiär vorbelastet

Claudia Steinfels’ Vater stammt aus dem Seifen- und Waschmittel-imperium Steinfels und hat irgendwann seine Leidenschaft für ausgewählte Weine und Kunst im Nebenberuf ausgelebt. Daraus hervorgegangen ist das Auktionshaus Steinfels, wo Claudia Steinfels bereits als Teenager mitgearbeitet hat. «Natürlich hat mich mein Elternhaus geprägt. Daher war ich in dem Sinne vorbelastet für einen Werdegang in und mit der Kunst.» Kein Wunder, war es schon der Gymnasiastin klar: «Ich will Kunstgeschichte studieren.»

Den Weg zu ihrer Arbeit für den globalen Brand Sotheby’s baute sie sich nach dem Studium der Kunstgeschichte selbst auf. So begann sie als Leiterin von kunsthistorischen Führungen in Museen und Privatsammlungen in Zürich und Winterthur, arbeitete als Kunstkritikerin für verschiedene Tageszeitungen und vermittelte ihr Wissen an der Klubschule Migros und der Volkshochschule des Kantons Zürich.

Als ihr die Credit Suisse von 1993 bis 1995 den Job als Projektleiterin für Kunst und Ausstellungen und Kultursponsering anbot, konnte sie nach zwei Jahren neue Pluspunkte verbuchen: Sie hatte gelernt, Kunst als Sponsoring-Objekt zu betrachten. Claudia Steinfels hat sich nur ein einziges Mal beworben, nämlich als Führerin im Kunsthaus Zürich. Ansonsten ist der Kunstzirkel immer noch klein genug, dass man sich kennt.

Nach vier Jahren als General Manager bei Christie’s AG legte sie ein Jahr Pause ein, um ihre Dissertation abzuschliessen. «Just nach meiner Kündigung bei Christie’s kam ein Telefon vom CEO von Sotheby’s, der mir den Vorschlag machte, die Leitung des Zürcher Hauses zu übernehmen.» Claudia Steinfels lehnte erst einmal ab, die Dissertation hatte Priorität. Sotheby’s wartete.

Seit sechs Jahren spielt sie nun im Auftrag des weltberühmten Auktionshauses eine wichtige Rolle im viertgrössten Kunstmarkt der Welt, der Schweiz. «Die Schweizer sind Jäger und Sammler», eines ihrer Lieblingsstatements, «sehr aufgeschlossen und neugierig, was an der vordersten Kunstfront passiert». Die stabile politische und wirtschaftliche Lage, angenehme Steuern, eine hervorragende Infrastruktur und eine Traumlandschaft begünstigen auch vermehrt die Übersiedlung betuchter Ausländer, die aktiv Kunst sammeln.

Flache Hierarchien

Claudia Steinfels ist eine Chefin, die sich gerne auch mal «zackig» ausdrückt, wie sie selbst sagt, aber genauso gerne Verantwortung überträgt. Schliesslich ist sie viel unterwegs und möchte den Mitarbeitern Freiräume lassen, «was die Arbeit ja auch spannender macht».

Beim Start vor sechs Jahren traf sie noch 20 Mitarbeiter an, von

8 musste sie sich gleich trennen. Das verbliebene Team, bestehend aus verschiedenen Experten für alte Meister, Schmuck und Uhren, Schweizer Kunst, Asiatika und weitere Fachgebiete, Logistik und Transport, Sicherheit und Administration hat sich seither nicht verändert. Ein «tolles Team», bekräftigt sie mehrmals, das perfekt zusammenspielt.

Mitarbeiter verfolgen diejenigen Auktionen, für die sie zuständig sind, vor Ort, und sie kommen fast ebenso weit herum wie die Chefin selbst. Das Motto «Verantwortung übertragen und umgekehrt Vertrauen geniessen» gibt den Mitarbeitern grosse Entscheidungsfreiräume. «Bei Fehlern, vor allem, wenn sie mehrmals vorkommen, bin ich allerdings relativ harsch.» Schliesslich fühlt sie sich gegenüber dem weltberühmten Brand verantwortlich, gemeinsam mit Mitarbeitern und Experten einen Topservice zu bieten. Das heisst, herausragende Expertisen zu erstellen, die Sammler und deren Präferenzen sehr gut zu kennen, Marketing gekonnt einzusetzen und ein Botschafter der Firma zu sein.

Künftige Herausforderungen warten in den Märkten in Russland, Indien und China, wo sich dank grosser Geldmengen mehr und mehr ein Kunstsammelboom abzeichnet. Entsprechend sind zu den klassischen Auktionsgebieten neuerdings Versteigerungen zur chinesischen Gegenwartskunst gekommen. Diese Themen werden selbstverständlich auch im Zürcher Team besprochen und vertieft.

Von straffer Führung oder Führungsprinzipien ist in der Zürcher Filiale jedoch wenig zu spüren. Wichtiger sind gegenseitiges Vertrauen und Respekt. «Wir sind ein kleines Team und pflegen eine sehr flache Hierarchie. Zudem sind wir ja eine anglo-amerikanische Firma, wo sich jeder mit dem Vornamen anspricht.»

Oft fremdbestimmt

Ein Auktionsjob kann rund um die Uhr gehen, finden doch Versteigerungen weltweit statt. «Es kann durchaus vorkommen, dass wir im Auftrag eines Kunden frühmorgens in Hongkong mitbieten oder nach Mitternacht in New York.» Persönliche Gespräche und Besuche beim Kunden zuhause vermitteln, was dieser wünscht und begehrt. Das setzt Einfühlungsvermögen und Diskretion voraus und die Bereitschaft, häufig abends unterwegs zu sein.

Dazu kommen die Anfragen für Mentorships, beispielsweise an der St. Galler Kaderschmiede, Auftritte als Referentin, Steinfels als Gastrednerin an Klubanlässen, Steinfels als Teilnehmerin an Podiumsgesprächen, Steinfels an der ART in Basel, Steinfels als Förderin junger Künstler, Steinfels bei Sotheby’s New York oder London.

Da bleibt für eine Familie wenig Platz. Kein Wunder lautet ihr Steckbrief: Nicht verheiratet, keine Kinder. «Ich bin oft fremd bestimmt, und wenn ein Kunde anruft, muss ich frei sein.» Auch wenn dies Einsätze am Wochenende erfordert, bleibt sie dabei: «Entweder mache ich meinen Job mit Vollblut oder ich mache ihn gar nicht.»

Doch wenn Kunstsammler oder Freunde von ihr mal Ratschläge wollen, wenn es um Kunst als Geldanlage geht, klingt die Antwort gar nicht mehr so cool, sondern vielmehr emotional: «Kaufe nur, was dein Herz berührt.»



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ZUR PERSON

Steckbrief

Name: Claudia Steinfels

Funktion: Managing Director von Sotheby’s Zürich und Senior Director von

Sotheby’s Europa

Alter: 41

Wohnort: Zumikon

Familie: Ledig

Karriere:

- 1993–1995 Credit Suisse Hauptsitz Zürich, Marketing Services, Kultursponsoring, Projektleitung für Kunst und Ausstellungen

- 1995–1996 Galerie Lawrence Zürich, Assistant Director

- 1996–Juli 2000 Christie’s AG Zürich, General Manager

- Seit 2001 Sotheby’s Zürich.

Führungsprinzipien

1. Verantwortung übertragen und Vertrauen geniessen.

2. Offene und klare Kommunikation.

3. Gemeinsam Ziele anpeilen und motivieren.

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Firma

Sotheby’s Int. AG

Gegründet 1744 in London. 2006: 98 Büros in 35 Ländern, 378 Auktionen in 15 Salesroom Offices weltweit, mit Auktionen in 82 Sammler-kategorien. Sotheby’s Zürich (eines der 15 Salesroom Offices) beschäftigt 12 Mitarbeiter. Gesamtertrag Sotheby’s Zürich: 33 Mio Fr. Sotheby’s International: Umsatz 2006 3,66 Mrd Dollar.