Coffee B von Migros: Das halten Experten von der Innovation

Angetreten war die Migros eher unbescheiden: Für die Präsentation vom 6. September kündigte das Unternehmen nichts weniger als die «grösste Produktinnovation in der Unternehmensgeschichte» an. Was der orange Riese (established 1925) dann tatsächlich zeigte, mutet prima vista wirklich revolutionär an. Für das neue Kaffeesystem Coffee B könnte simplifiziert gelten: Genial einfach, einfach genial. Coffee B: Das sagen vier Marketing- und Innovationsprofis Fünf Jahre lang tüftelten Spezialistinnen und Spezialisten an einer Kaffeekugel, die biologisch abbaubar ist. Damit aber ist erst die halbe Wegstrecke zurückgelegt. Die zweite Hälfte: Kann die Migros ihr neues System auch zum internationalen Markterfolg machen? Die «Handelszeitung» fragt nach. Bei vier Profis, die sich in den Themen Marketing und Innovation sehr gut auskennen. Peter Felser, Pam Hügli, Jan Sedlacek und Cary Steinmann kommen bei ihrer Beurteilung dabei zu sehr unterschiedlichen Schlüssen. Einig ist sich das Quartett mindestens in einem Punkt: Damit Coffee B zum Erfolg wird, reicht der reine Umweltaspekt nicht. Das Produkt muss auch bezüglich Kaffeekompetenz überzeugen. Löst die Migros den Anspruch ein, die «grösste Produktinnovation der Unternehmensgeschichte» zu zeigen? Peter Felser: Die Ankündigung hat mich überrascht, weil sie in dieser Aggressivität und Prominenz nicht zur Migros passt. Mit den Kaffeebällchen löst die Migros ein Problem, das eigentlich keines ist. Wer keinen Kapselabfall produzieren will, kann ja ganz einfach auf Kaffeekapseln verzichten. Was halten Sie vom nun lancierten Produkt? Mich erstaunt, dass das Unternehmen die Abfallproblematik derart in den Vordergrund stellt. Bei einem Genussprodukt wie Kaffee müsste der Geschmack die Hauptrolle spielen. Mit der Verpackungsinnovation alleine ist es natürlich nicht getan; das Produkt ist in dieser Form kein Selbstläufer. Um erfolgreich zu werden damit, braucht es richtig gutes Marketing und viel Zeit, national wie international. Was hätten Sie persönlich bezüglich Innovation von der Migros erwartet? Einen grossen Wurf im Gesundheitsmarkt. Ein ganzheitliches System, das die Menschen bei ihren tatsächlichen Sorgen abholt. Löst die Migros den Anspruch ein, die «grösste Produktinnovation der Unternehmensgeschichte» zu zeigen? Pam Hügli: Die Ankündigung der Migros war für mich nicht zu aggressiv: Wenn man überzeugt ist von einer Sache, soll man das nicht zu bescheiden verkünden. Semi-Versprechen kommen nie gut an. Ob es wirklich die «grösste Innovation» der Firmengeschichte ist? Das ist weniger wichtig. Was wichtig ist: Dass sich das, was die Migros nun präsentiert hat, tatsächlich durchsetzen wird in den Märkten. Was halten Sie vom nun lancierten Produkt? Dass die Migros quasi die Lindor-Kugel der Kaffeewelt bringt, scheint mir wirklich innovativ. Und auch revolutionär. Was hätten Sie persönlich bezüglich Innovation von der Migros erwartet? Von einem Unternehmen wie der Migros erwarte ich Produkte und Lösungen, die in einem grösseren gesellschaftlichen Zusammenhang funktionieren und Nutzen stiften. Wenn diese Kaffeebällchen ein Beitrag zur Abfallvermeidung sind, dann passt das in diesen Rahmen. Löst die Migros den Anspruch ein, die «grösste Produktinnovation der Unternehmensgeschichte» zu zeigen? Jan Sedlacek: Ja. Eine bemerkenswerte Innovation ist die Kaffeekapsel ohne Kapsel auf jeden Fall. Wenn es die Migros nun schafft, das Produkt kommerziell erfolgreich zu machen, dann sage ich: Bravo! Was halten Sie vom nun lancierten Produkt? Bisher haben Kaffeekapseln schon die Themen Convenience und Kaffeegenuss höchst erfolgreich zusammengebracht – aber halt mit relativ viel Abfall, der nur begrenzt rezyklierbar ist. Wenn es der Migros nun gelingt, bei gleich viel Genuss und Convenience das Thema Abfall aus der Gleichung zu nehmen, dann ist das eine reife Leistung. Was hätten Sie persönlich bezüglich Innovation von der Migros erwartet? Etwas Substanzielles aus dem Gesundheitsbereich. Löst die Migros den Anspruch ein, die «grösste Produktinnovation der Unternehmensgeschichte» zu zeigen? Cary Steinmann: Wenn man bedenkt, dass die Migros aufgrund ihrer Herkunft und Geschichte ein Kopier- und Me-Too-Betrieb ist, dann hat sie hier das Versprechen nun wohl eingelöst. Auch wenn man sich bei der Präsentation einer Weltneuheit wohl ein wenig mehr Glamour vorstellt. Der Markenname ist ein Griff ins Klo. B kommt nach A, darunter hatte schon die B-Klasse von Benz gelitten. Und warum bitte Coffee statt Café? Was halten Sie vom nun lancierten Produkt? Nicht besonders viel. Wie verhält sich die pflanzliche Algen-Schutzschicht um die Kaffeekugel, wenn es feucht wird in der Küche, etwa durch Dampf? Selbst wenn das ausgetestet wurde und funktionieren sollte: Ich sehe bei dieser Kaffeekugel keinen Sex-Appeal. Weder haptisch noch optisch. Ebenso wenig bei der Kaffeemaschine, die mich mit ihren aufgereihten Kugeln eher an die Ziehung der Lottozahlen als an Kaffeegenuss erinnert. Dass hier ein Produkt entsteht, das keinen Abfall verursacht, ist gut. Aber wirklich entscheidend ist die Kaffeekompetenz. Und die hat Migros nicht wirklich, anders als Nestlé oder Lavazza. Was hätten Sie persönlich bezüglich Innovation von der Migros erwartet? Als Migros-Kind erwarte ich keine Produktinnovationen. Sondern die erfolgreiche Fortsetzung des duttiesken Karmas: Gute Produkte zu günstigen Preisen.

Coffee B von Migros: Das halten Experten von der Innovation

«Der Markenname ist ein Griff ins Klo»