Auf den ersten Blick wirkt es sonnenklar: Mit dieser Firma stimmt etwas nicht. Erst wurde Iqbal Khan überwacht. Dann meldete sich in der letzten Woche Colleen Graham, die ehemalige US-Compliance-Chefin der Credit Suisse: Auch sie sei beschattet worden. Und nun dies: Wie die «Neue Zürcher Zeitung» recherchierte, setzten CS-Instanzen auf den ehemaligen Personalchef Peter Goerke ebenfalls Detektive an.

Sonnenklar scheint also, dass in der zweitgrössten Schweizer Bank eine düstere Kultur der Überwachung herrscht. Und dass machtbewusste Manager mit massivem Druck vorgehen, wenn jemand ausschert.

So scheint es – aber ist es auch so? Auf den zweiten Blick erkennt man drei Fälle, die doch recht unterschiedlich gelagert sind.

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  • Iqbal Khan wurde observiert, nachdem er gekündigt hatte und zur Erzrivalin UBS wechseln wollte.
  • Peter Goerke wurde überwacht – und danach wurde er aus der Konzernleitung entfernt.
  • Der Fall von Colleen Graham wiederum spielt in einem anderen Staat und auf einer völlig anderen Hierarchiestufe. Im übrigen gesteht die Bank hier nicht etwa gewisse Ungereimtheiten ein, sondern bestreitet die Vorwürfe entschieden.

Übers Ganze gesehen drängt sich zumindest ein Verdacht auf: Nämlich dass die diversen Detektivspiele keineswegs im Interesse desselben Strippenziehers waren – ob der nun Tidjane Thiam, Pierre-Olivier Bouée oder Urs Rohner heisst. Die Massnahmen gegen Iqbal Khan scheinen in Diensten des CEO gewesen zu sein. Die Winkelzüge um Peter Goerke wirken eher gegen Thiam gerichtet. Und Colleen Graham erachtete selber Thiam wie auch CS-Präsident Urs Rohner als uninformiert und insofern unverdächtig.

«Man kennt diese hochrangige Unwissenheit. Man kennt sie seit den Steuerermittlungen der Nullerjahre.»

Oder anders: Über die Begründungen und Motive hinter den Überwachungs-Mandaten wissen wir heute eher weniger, als es kurz nach dem Auffliegen des Falls Khan den Anschein hatte.
 
Gewiss, die Häufung mag ein Indiz sein für eine gewisse Aggressivität in der CS-Unternehmenskultur: Man pflegt vielleicht eher Rivalität als Kameradschaft, it's them or us. Doch ebenso könnte sich darin spiegeln, dass der Überwachungsskandal vom Frühherbst 2019 jetzt einfach weitere Vorkommnisse ans Licht spült. Wie Colleen Graham dem «Wall Street Journal» sagte, wurde sie durch die Meldungen über den Fall Khan motiviert, ihre eigene Geschichte vorzubringen.

«…erstmals aufgekommen»

Ob die Credit Suisse wirklich ein Kultur-Problem oder ein Corporate-Governance-Problem hat – das ist also doch nicht so sonnenklar. Aber eines ist unverkennbar: Die Grossbank hat ein echtes Kommunikations-Problem.

Stetig drängen neue Verdächtigungen nach oben, gefolgt vom CS-Kommentar, dass die Männer an der Spitze nichts davon gewusst haben. Auch zur aktuellen NZZ-Recherche teilt die Bank lediglich mit, die Untersuchung der Kanzlei Homburger habe keine Hinweise erbracht, «dass Peter Goerke beschattet worden ist. Dieser Punkt ist heute, zweieinhalb Monate nach der Untersuchung von Homburger, erstmals aufgekommen.»
 
Man kennt diese hochrangige Unwissenheit. Man kennt sie seit den Steuerermittlungen der Nullerjahre oder dem gerichtsnotorischen Mosambik-Skandal. Nichts gewusst, nichts gehört, nichts gesehen. Der Schatten über der Konzernleitung wird immer grösser.

Peter Goerke: Auf- und Abstieg mit Turbomotor

Ein weiterer CS-Topbanker wurde observiert: Peter Goerke. Er begann als Thiam-Vertrauter – und wurde am Ende ganz schnell weggelobt. Mehr zum Fall Goerke lesen Sie hier.