Sie sind der geborene Showman. Das hat Ihr Auftritt am Jubiläumsfest zum 50.Geburtstag der Charles Vögele gezeigt. Haben Sie den Beruf verfehlt?

Daniel Reinhard: Nein, um Mitarbeiter, Kunden oder die Öffentlichkeit zu motivieren, braucht es ähnliche Eigenschaften, wie als Moderator durch einen Event zu führen.

Sie brauchten bereits vor knapp vier Jahren Ihr Showtalent, als Sie CEO wurden: Damals musste Vögele mit einem Absturz rechnen.

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Reinhard: Es war in der Tat eine kritische Phase. Aber die Mitarbeiter wussten, es muss sich etwas verändern, sonst verlieren wir Arbeitsplätze. Die Mitarbeiter waren daher motiviert, etwas zu ändern.

Mussten Sie Ihr Showtalent eher bei den Banken einsetzen? Das Hauptproblem war damals, die Refinanzierung sicherzustellen.

Reinhard: Die Banken waren damals nicht gerade begeistert von der Performance. Wir hatten Einzelkredite bei den Banken und mussten diese überzeugen, dass Vögele erfolgreich in die Zukunft fliegt. Das Einzige, was ich den Banken vorweisen konnte, war unser Strategiepapier. Es war eine Frage meiner Überzeugungskraft, glaubhaft zu sein. Fünf Monate lang verliefen die Gespräche mit den Banken, das war zum Teil höchst dramatisch.

Und wie konnten Sie sie schliesslich überzeugen?

Reinhard: Banker sind kritisch und nicht unbedingt im Konsumgüterbereich zu Hause. Ich konnte sie überzeugen, weil ich mit meiner Arbeit bei Salamander vor Vögele Vertrauen aufbauen konnte. Ich hatte acht Jahre lang mit der Deutschen Bank zusammengearbeitet.

Salamander geht es aber nicht gut.

Reinhard: Aber den Job, den ich dort ausführte, war ausgesprochen gut. Ich habe einen Einzelhandel übernommen, der zehn Jahre lang Geld verloren hat. Als ich gegangen war, haben wir eine Umsatzrendite von 5% erzielt. Wenn im Einzelhandel die Führung wechselt, dann kann es brutal schnell ändern, wenn man Fehler macht. Innerhalb von zwei Jahren kann ein Unternehmen abstürzen.

Damals war für Vögele die grösste Herausforderung, weiterhin Bankkredite zu erhalten. Und heute ?

Reinhard: Heute haben wir in vielen Bereichen Stabilität erreicht. Zum Beispiel in der Finanzierung: Die Nettoverschuldung soll von ursprünglich 600 Mio Fr. bis in drei Jahren auf Null sinken. Heute beträgt sie nur noch 199 Mio Fr. Dieses Ziel erreichen wir über das operative Ergebnis und über Lagerabbau und nicht etwa durch Immobilienverkäufe. Wir haben auch Stabilität in der Führung, die Fluktuation ist sehr klein, nur eine Person aus dem Führungsteam ist innerhalb von drei Jahren gegangen. Auch in den Ablaufprozessen herrscht Stabilität.

Wie konnte es trotz dieser Stabilität letztes Jahr zur Gewinnwarnung kommen?

Reinhard: Das nehme ich relativ sportlich. Wir Schweizer haben immer Angst, einen Fehler zu machen. Sie können nicht immer alles perfekt machen. In einer Kollektion fällen Sie immer Entscheide für die Zukunft, da kann es mal zwischendurch Fehler geben. Die Zielerreichung auf der langfristigen Achse muss stimmen. Wir wollen weiterhin in den bestehenden Märkten Marktanteile mindestens halten.

Das erklärt noch nicht die Gewinnwarnung?

Reinhard: Ich wollte bereits 2004 im Voraus Kredite erneuern, die erst Ende August 2005 ausgelaufen wären, die erhielt ich von den Banken überraschend schnell. Ich wusste damals aber nicht genau, wohin das Unternehmen hinsteuert und sprach deshalb eine Gewinnwarnung aus, damit die Banken entscheiden konnten, ob sie weiterhin Kredite geben wollten.

Von welchen Banken erhielten Sie trotz Gewinnwarnung Kredit?

Reinhard: Von allen Banken, die uns auch bis dahin unterstützt hatten Deutsche Bank, UBS, Credit Suisse, Basler und Zürcher Kantonalbank und die Bank Austria, und zwar zu den genau gleichen Konditionen wie vor der Gewinnwarnung. Dieses Vorgehen war eine vertrauensbildende Massnahme und wurde auch gut goutiert.

Und wie sieht es heute aus?

Reinhard: Bis jetzt haben wir keine Gewinnwarnung gemacht. Das ist überhaupt kein Thema. Unser Geschäft ist sehr lebendig und sehr kurzfristig, und wenn man mal eine Schramme holt, kann man sie schnell wieder ausmerzen.

Benötigen Sie neue Kredite?

Reinhard: Nur, wenn wir ein Unternehmen kaufen würden und dafür Geld brauchen. Falls wir zum Beispiel in Polen super erfolgreich sind und dort 100 Filialen übernehmen könnten, dann machen wir es. Aber zuerst müssen wir diesen Markt testen. Wir haben aus der Vergangenheit Lehren gezogen.

Weshalb wollen Sie im Osten expandieren?

Reinhard: A la longue muss Vögele wachsen. In unseren bestehenden Märkten ist nicht mehr viel Wachstum zu erreichen, wir müssen also neue Märkte erobern.

Letzte Woche haben Sie Läden in Slowenien eröffnet und ...

Reinhard: ... nächstes Jahr wollen wir je fünf Testläden in Polen, Tschechien und Ungarn eröffnen. Ende 2007 wollen wir dann entscheiden, ob wir weiter dort investieren, und gleichzeitig werden wir wieder drei bis vier neue Märkte testen. Alle zwei bis drei Jahre wollen wir solche Testmärkte eröffnen.

Wo?

Reinhard: Sehr wahrscheinlich konzentrieren wir uns vorerst auf Osteuropa oder Nordeuropa. Bis wir den Schritt nach Indien oder China wagen, wird es mindestens vier bis sechs Jahre dauern.

Weshalb eröffnen Sie die Läden in Slowenien ohne Testphase?

Reinhard: Wir haben sehr viele Kunden aus Slowenien in unseren Läden in Österreich. Die mentale und kulturelle Verwandtschaft mit dem Süden von Österreich ist also sehr ähnlich. Wir sind als Unternehmen in Slowenien bekannt. Zudem liegt der Hauptsitz der Vertriebsorganisation von Österreich in Graz, 40 Kilometer von der Grenze. Wir mussten diesen Markt nicht testen, weil wir sicher sind, dass er funktionieren wird. Es sind auch nur 25 Filialen. Falls wir in Polen und Tschechien einsteigen, werden wir dort je gegen 100 Filialen eröffnen.

Wann ist ein Test erfolgreich?

Reinhard: Wir gehen mit einer breiten Gesamtkollektion in diese Märkte. So sehen wir, welche Art von Kollektion in diesem Land funktioniert. Dabei testen wir auch, ob wir die richtigen Mitarbeiter haben, ob sie in unser Unternehmen passen, ehrlich sind und nicht laufend Mein und Dein verwechseln. Das habe ich alles schon erlebt, denn ich war früher in diesen Ländern tätig gewesen.

Es heisst doch immer Lage, Lage, Lage. Testen Sie die Ladenstandorte nicht?

Reinhard: Wir wählen von Anfang an nur 1A-Standorte aus. Solche Lagen sind dort nicht viel preiswerter als in der Schweiz, aber natürlich liegen die Personalkosten viel tiefer als hier, und die Läden sind dort zum Teil täglich 24 Stunden lang sieben Tage die Woche offen.

Das tönt ja paradiesisch für Sie. Die Expansion wird also im Osten stattfinden. Wollen Sie auch die Konzernzentrale dorthin verlegen?

Reinhard: Nein, das steht nicht zur Diskussion. Der Schweizer Markt ist nach wie vor der wichtigste Markt für uns, vom Umsatz her, von der Rentabilität her. Ohne Schweiz hätte Vögele die letzten acht Jahre nicht überlebt. Wir haben hier einen Riesengewinn, einen Ebitda von 80 bis 90 Mio Fr. pro Jahr erzielt. Wir wollen hier weiterhin die Nummer eins bleiben. Einen Heimmarkt darf man nie aufgeben. Das Wichtigste für einen Einzelhändler ist ein starker Heimmarkt.

Aber dieser Heimmarkt hat stagniert, wie die jüngsten Zahlen zeigen. Zudem hat H&M Vögele in der Schweiz überrundet.

Reinhard: H&M hat teilweise andere Warengruppen als wir. In vergleichbaren Warengruppen ist Vögele klar Nummer eins. Und unsere Rendite in der Schweiz ist ebenso hoch wie diejenige bei H&M.

Der Schweizer Bekleidungsmarkt wird aber kaum mehr wachsen.

Reinhard: Das stimmt, aber wir gehen davon aus, dass der eine oder andere aus dem Markt verschwindet.

Wer wird verschwinden?

Reinhard: Die Läden, die in der Mitte positioniert sind, werden vermehrt kämpfen müssen.

Weshalb halten Sie trotz Expansion in den Osten am Standort in Pfäffikon fest?

Reinhard: Wir haben hier eine hohe Qualität an Arbeitskräften. Wir haben nur einen Treasurer, nur zwei Controller für 1,5 Mrd Fr. Umsatz, dafür müsste ich in Ungarn zehn Leute anstellen. Die Hälfte unserer Leute im Einkauf stammt aus Deutschland. Die kommen gerne in die Schweiz, weil wir viel bieten an gutem Betriebsklima, Infrastruktur. Es ist attraktiv, hier zu wohnen bis hin zu den Steuern. In Deutschland habe ich 60% Steuern bezahlt, hier zahle ich noch die Hälfte. In der Zentrale brauchen wir Topleute, die wollen auch in einer Topregion leben.



Der Bekleidungsprofi: Steckbrief

Name: Daniel Reinhard

Funktion: CEO Charles Vögele

Alter: 52

Wohnort: Meggen LU

Familie: Verheiratet, zwei Söhne

Karriere

1986-1991 CFO der Bally in Deutschland und Österreich

1991-1993 Firmenleiter der Bally Deutschland und Österreich

1994-1998 Mitglied des Vorstands der Salamander AG

1998-2001 Sprecher des Vorstandes der Salamander AG

Seit 2002 CEO Charles Vögele

Firma: Charles-Vögele-Gruppe

Das Mode-Einzelhandelsunternehmen mit 787 Verkaufsniederlassungen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien und den Niederlanden beschäftigt 7201 Mitarbeitende. Dieses Jahr feiert das Unternehmen sein 50-jähriges Bestehen. Begonnen hat es mit einem kleinen Laden am Zürcher Hirschengraben. Aus diesem Familienunternehmen entstand ein europaweiter Konzern mit einem Umsatz von 1333 Mio Fr. Vögele ist auf Expansionskurs im Osten: Startschuss war der 22. September, als die erste Filiale in Slovenska Bistrica in Slowenien eröffnet wurde.