Um seinen Gästen Kaffee zu servieren, geht der CEO mit ihnen in die Cafeteria und stellt sich wie alle in die Schlange vor dem Automaten. Freundliche Begrüssungen, lockere Atmosphäre. «Amerikanische Firmenkultur», sagt Daniel Rüthemann, «das hat mich an dieser Firma von Anfang an fasziniert.»

Als Rüthemann vor 23 Jahren bei IBM anheuerte, war die Firma mit ihren damals weltweit 400000 Mitarbeitenden das führende Unternehmen auf dem boomenden IT-Markt. Später ist IBM durch eine Krise gegangen, knapp am Konkurs vorbei, schrumpfte beinahe auf die Hälfte der Belegschaft und musste sich umbauen von einem Hardware-Produzenten zu einem globalen Dienstleistungsunternehmen.

Heute steht IBM wieder in voller Blüte, baut die Computer mit der weltweit grössten Rechenleis-tung, erstellt digitale Nervensys-teme für ihre Kunden und ist wieder zuvorderst in der Forschung, die grossen Menschheitsfragen zu lösen: Was ist Intelligenz, was ist Bewusstsein?

Daniel Rüthemann ist dem Unternehmen in all den Jahren treu geblieben. «Das fiel mir nicht schwer», sagt er, «ich lernte innerhalb der Firma immer neue Berufe, immer neue Länder kennen, die Faszination ist immer geblieben.» Rüthemann hat seinen Aufstieg bis zum General Manager von IBM Schweiz nicht geplant. Die meisten Schritte sind jeweils an ihn herangetragen worden. Was ihm aber geholfen hat, um Chef zu werden: «Ich war immer nahe beim Kunden. Das schärft den Blick auf das eigene Unternehmen. Sonst sieht man es nur immer von innen nach aussen. Aber der Kundennutzen ist der entscheidende Wegweiser für die Weiterentwicklung.»

Wichtig waren für ihn auch die globalen Einsätze. «Die letzten sieben Jahre war ich dauernd auf Reisen. Wenn man sich international bewegt, mit vielen Leuten zusammengearbeitet hat, auch in Krisensituationen, dann lernt man einander kennen, und das gibt mit der Zeit ein tragendes Netzwerk.»

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Mitarbeitende aus 55 Nationen

IBM ist heute ein weltweit tätiges Unternehmen mit globalen Prozessen. Wenn ein Kunde in der Schweiz anklopft, dann wird sein Produkt zum Teil auf der ganzen Welt produziert, in Dublin, Bratislava, Manila. Auf der anderen Seite arbeiten alleine in Zürich Mitarbeitende aus 55 Nationen. «All diese unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten unter einen Hut zu bringen, die diversen Standards, Qualitätsanforderungen, aufeinander abzustimmen, ist eine gewaltige Herausforderung.» Es bedeutet, quasi ein Modell der Weltgemeinschaft aufzubauen.

Diese globale Mentalität ist einer der drei Hauptgründe, warum Daniel Rüthemann von IBM fasziniert ist. «Als ‹global traveler› muss man sich aber auch bewusst bleiben, dass man sich dabei in einem Kokon bewegt», sagt er. «Man kommt mit dem Flugzeug an, nimmt ein Taxi ins Hotel, von da in den Conference-Room und gesprochen wird ein globalisiertes Englisch. Und wenn man sich nur 100 m davon wegbewegt – eine andere Welt.»

Um an den jeweiligen Standorten die Bodenhaftung nicht zu verlieren, joggt Rüthemann gerne

zuerst ein paar Runden im Centralpark, wenn er in New York angekommen ist, oder er schnappt sich einen Stadtplan und läuft los, manchmal besucht er auch die örtlichen Zoos. «Da spürt man sehr deutlich die kulturellen Unterschiede der Menschen, wenn man ihr Verhältnis zu den Tieren beobachtet.»

Die zweite Faszination des Daniel Rüthemann an IBM liegt in der Dynamik, mit der sich das Unternehmen dauernd neu erfindet. Seit den Umwälzungen von 1993 hat es sich eine ganz neue Kultur angeeignet, was Fluktuation und Umstrukturierung anbelangt. Der Umbau vom Hardware-Konzern zum Dienstleistungsunternehmen ist nach wie vor im Gange. IBM übernimmt heute immer mehr Mitarbeiter von Kunden, welche Dienstleistungen outsourcen, und deren Integration ins Unternehmen ist eine Aufgabe, die Rüthemann sehr ernst nimmt.

Seine wichtigste personalpolitische Aufgabe ist es, die Mitarbeitenden durch dauernde Zielvereinbarung und Weiterbildung marktfähig zu erhalten. «Wir haben aus jener Krise in den 90er Jahren sehr viel gelernt. Wir schauen, dass die Leute nicht abhängig werden vom Unternehmen, sondern fit bleiben für den dauernden Wandel.» Vielfach werden unumgängliche personelle Umstrukturierungen mit einem Outplacement begleitet.

Die stärkste Faszination des Daniel Rüthemann ist aber der Computer an sich. Seine Fähigkeit der analytischen Intelligenz. «Wir sind heute schon erstaunlich weit gekommen, und es ist nur eine Frage der Zeit und der Zusammenarbeit von Wissenschaft, Politik und Industrie, bis wir bahnbrechende Erfolge feiern können.» Rüthemann denkt dabei an neue Forschungsgebiete, an die digitale Simulation der Hirntätigkeit zum Beispiel.

«Wir werden eines Tages ein Hirn simulieren können, wir werden verstehen, wie Intelligenz funktioniert, wie Bewusstsein entsteht. Wir werden in Zukunft neue Medikamente nicht mehr an Versuchstieren testen, sondern an einem digitalen menschlichen Körper, wir werden Rechenkapazität herstellen, mit der wir Erdbeben voraussagen können oder andere Umweltveränderungen.»

Um dies zu erreichen, braucht es aber seiner Meinung nach ein neues Selbstverständnis der forschenden Partner. «Eine Universität alleine wird das nicht leisten können, auch kein einzelnes Unternehmen. Dazu müssen Politik, Wissenschaft und Industrie auf vielen Kanälen kooperieren, und gerade hier in der Schweiz sehe ich dafür eine grosse Zukunft. Wir haben ja kaum etwas anderes anzubieten als Know-how und Intelligenz. Legen wir also unsere Kräfte zusammen.»

Das Second Life der IBM

IBM ist wieder ganz vorne mit dabei, die globalen Herausforderungen der Menschheit anzupacken. Zuvorderst dabei ist IBM auch bei einem Phänomen, das sich Second Life nennt, eine In-ternetplattform, in der sich Besucher eine frei gewählte zweite Identität zurechtlegen können, sich in einem dreidimensionalen Raum bewegen, miteinander kommunizieren können. Der Zulauf zu Second Life ist überwältigend, da entsteht eine zweite, digitale Welt, mit allen Annehmlichkeiten der unsrigen, und einigen Erleichterungen darüber hinaus.

Kinogänger erkennen darin die Welt als Matrix. Daniel Rüthemann entdeckt sie gerade für sich. IBM hat beschlossen, viel Geld in diese Welt zu investieren. «Wir sehen auch darin eine grosse Zukunft», sagt er, «Firmen werden darin eine Präsenz aufbauen, da werden sich Gemeinschaften bilden, es wird grosses Entertainment geben und das ganze wird professionalisiert. Wir überlegen uns auch, ob wir Video Conferencing in Zukunft mit Second-Life-Technologie betreiben sollen.» Mit welcher Identität Daniel Rüthemann als Avatar in dieser Welt unterwegs ist, will er aber nicht verraten. Als wilder Muskelmann? Als Hip-Hopper? «Das Geheimnis, die Anonymität machen ja gerade den Reiz aus.»

Bei all dem Engagement für seinen Job bleibt privat nicht mehr

viel übrig. Rüthemann ist Vater von vier Kindern, die jüngsten Zwil-linge gerade 18 Monate alt, das äl-teste fünf. «Das ist eine völlig neue Herausforderung», sagt er, «ich muss mich sehr gut organisieren, um den Kindern die nötige Zeit geben zu können, aber sie bringen völlig neue Aspekte in mein Leben, ganz neue Erkenntnisse.» Auf der Strecke bleiben dabei seine per-sönlichen Hobbys. Die Golfausrüstung hängt am Nagel, und im Keller steht seine schöne 92er Harley. «Da setzt sie jetzt halt Patina an.»

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ZUR PERSON

Steckbrief

Name: Daniel Rüthemann

Funktion: General Manager IBM Schweiz

Alter: 47

Wohnort: Mettmenstetten

Familie: Verheiratet, vier Kinder

Ausbildung: Betriebsökonom HWV

Karriere:

- 1984–1992 Div. Positionen in Verkaufsorganisation IBM CH

- 1993–1996 Aufbau Bankenlösungen Zentral- und Osteuropa

- 1997–1998 Leiter Global Services Delivery, IBM Frankfurt

- 1999–2006 Globale Kundenbeziehungen (in einer Grossbank)

- 2006 General Manager IBM CH

Führungsprinzipien

1. Teamwork – denn Teamlösungen sind intelligenter und ausgewogener.

2. Transparenz – Entscheide und Motive offen legen.

3. Ehrlichkeit – Persönliche Agenda auf den Tisch legen.

4. Sportlichkeit – Wettbewerbsfähigkeit ist Wissen, Können und Wollen.

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Firma

IBM Schweiz wurde 1927 gegründet. Die Firma mit Hauptsitz in Zürich beschäftigt heute rund 3100 Mitarbeitende in Zürich, Basel, Bern-Gümligen, Genf und Lugano. Der weltweite Umsatz 2006 betrug 9,4 Mrd Dollar.