Seit vielen Jahren fährt der Hamburger Bankier regelmässig nach London: Er besucht dort griechische Reeder, seine Kunden. Sie fühlen sich in der britischen Metropole wohl: Der Lebensstandard ist hoch, das Vermögen lässt sich dank freundlicher Steuergesetze leicht mehren. Von persönlicher Betroffenheit angesichts der Krise in der Heimat merke er bei seinen Gesprächen nichts, erzählt der Mittvierziger. Tief in sein Gedächtnis hätten sich die Worte eines sehr wohlhabenden Griechen eingebrannt. Auf die Frage, warum er Syriza wähle, habe dieser geantwortet: «Es war die einzige Partei, die keine Immobiliensteuer erheben wollte.»

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«Reiche griechische Reeder», das ist längst ein stehender Begriff in den politischen Talkshows. Ganz gleich, welcher politischen Couleur sie angehören, sie alle verweisen gern auf diese Gruppe, wenn es um neue Steuerquellen für das darbende Land geht. Ganz so, als würde es nur am politischen Willen der Syriza-Regierung fehlen, dass die Millionen und Milliarden nicht schon längst eingesammelt und die Schuldenprobleme der Griechen gelöst sind. So verlockend der Gedanke ist, so unrealistisch bleibt er. Die Zusage von Regierungschef Alexis Tsipras, die Reeder stärker zu besteuern, wird kaum Wirkung zeigen – sofern sie überhaupt umgesetzt wird.

Grösste Handelsflotte der Welt

Reich sind viele griechische Reeder zweifellos. Ihre Handelsflotte ist mit mehr als 3300 Schiffen und einer Tragfähigkeit von 250 Millionen Tonnen laut Reederverband VDR die grösste der Welt. Japan, Deutschland und China folgen erst auf den Plätzen. Und es gibt auch ausserhalb der maritimen Welt einige Griechen mit stattlichem Vermögen. Die Schweizer Grossbank UBS zählte im vergangenen Jahr in ihrem «Ultra Wealth Report» elf griechische Dollar-Milliardäre und 565 Griechen, die über mehr als 30 Millionen Dollar verfügen.

Das Problem: Das Vermögen liegt zu einem grossen Teil im Ausland, und das nicht erst seit der Zuspitzung der Krise in den vergangenen Monaten. Die Superreichen leben ausser in London gerne in Monte Carlo, auch Zypern gehört wieder zu den bevorzugten Zielen. Ihr Geld steckt in Logistikzentren in Bulgarien oder Schiffen aus Deutschland – die sie den deutschen Banken günstig abkauften, als diese aus ihren Krediten herauswollten. Auch auf dem Wohnungsmarkt trifft man sie hierzulande. «Die Preise in Berlin oder München sind noch nicht so überzogen wie in London oder Paris, da hat sicher der eine oder andere ein Haus oder ein Apartment als Geldanlage gekauft», sagt ein griechischer Banker, der im Ausland Karriere gemacht hat.

Besteuerung nicht nach Staatsangehörigkeit

Die Mobilität der reichen Griechen stellt den Staat vor erhebliche Herausforderungen. Die meisten Steuersysteme setzen schliesslich beim Wohnsitz oder dem inländischen Vermögen an, nicht beim Pass. «Den Versuch, das Vermögen der Griechen, die im Ausland leben, zu besteuern, halte ich für reine Show«, sagt Steffen Lampert, Professor für Internationales Steuerrecht an der Universität Osnabrück. Der überwiegende Teil lebe nicht nur im Ausland, sondern mache auch dort den Grossteil der Geschäfte. «Eine Besteuerung, die sich nach der Staatsangehörigkeit richtet, ist sehr schwierig umzusetzen«, so Lampert.

Bei den Reedern kommt hinzu: Selbst wenn sie alle in Griechenland leben würden, müssten sie kaum Steuern zahlen. Wie in anderen Ländern auch geht lediglich ein symbolischer Pauschalbetrag an den Fiskus, die sogenannte Tonnagesteuer. Zudem ist die Steuerfreiheit bei Investitionen in die Schifffahrt sogar in der griechischen Verfassung verankert. Aristoteles Onassis hat dafür in den 50er-Jahren gesorgt. Das Argument: Nur so habe sich die durch den Zweiten Weltkrieg stark dezimierte griechische Flotte wieder aufbauen lassen. Noch heute verweisen Politiker auf die Arbeitsplätze, die an der Schifffahrt hängen.

Viele Schiffe unter der Flagge Panamas

Tsipras' Vorschlägen aus der vergangenen Woche, die Tonnagesteuer zu erhöhen und Steuervergünstigungen abzubauen, werden deswegen geringe Erfolgsaussichten eingeräumt. «Eine höhere Besteuerung wird wenig bringen», sagt Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die verbliebenen Schiffe mit griechischer Flagge würden dann umgeflaggt. Schon heute fahren die meisten von ihnen mit den Farben Panamas oder Liberias.

Steuerflüchtlingen lässt sich dagegen unter Umständen mit einem Abkommen beikommen, wie es Griechenland gerade mit der Schweiz aushandelt. Alle Steuerbetrüger sollen von einer Amnestie profitieren, wenn sie auf das Schwarzgeld 21 Prozent Steuern zahlen. Auch in Luxemburg und Österreich vermutet der erfahrene Steueranwalt Christopher Steckel von der Kanzlei Leisner Steckel Engler griechisches Schwarzgeld. Griechenland wird kaum mit raschen Strafzahlungen rechnen können. Da es noch keinen automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden innerhalb der EU gibt, müsste es dafür mit jedem einzelnen Staat ein entsprechendes Abkommen schliessen.

Vermögen im Inland im Fokus

Wirtschaftswissenschaftler Kritikos sieht denn auch die Hauptaufgabe der Regierung nicht darin, dem Vermögen im Ausland hinterherzujagen. «Die entscheidende Frage ist, wie kann die griechische Regierung die vermögenden Landsleute im Ausland dazu bringen, wieder verstärkt in Griechenland zu investieren», sagt er. Abbau der Bürokratie und ein einfacheres Steuersystem hält er für zwei drängende Punkte.

Für die Reichen gilt angeblich das Gleiche wie für die griechischen Normalbürger: «Die Leute haben wenig Vertrauen in den Staat und fragen sich dementsprechend, warum sie Steuern zahlen sollen», sagt der Manager mit griechischem Pass. Sie gingen davon aus, dass sie sich im Zweifel ohnehin selbst helfen müssen, bei der Versorgung im Alter, sogar bei der Schulbildung, wo manche eine mangelnde Qualität des Unterrichts ganz selbstverständlich durch abendliche Nachhilfe ausgleichen. Bei 80 Prozent seiner Landsleute liege die Steuermoral seit vielen Jahren bei Nullkommanull.

«Ich vermisse den Patriotismus»

Schon heute investieren einige Reeder durchaus in Griechenland, weiss der Hamburger Bankier von seinen Kunden. Einer habe dort erst vor wenigen Jahren einen Hotelkomplex mit mehreren Tausend Betten errichten lassen. Doch nun kämen immer weniger Gäste. «Das trifft ihn.» Allerdings nur in seinem Portemonnaie. Das Schicksal des Heimatlandes lasse viele unberührt, sagt der Bankier. «Ich vermisse den Patriotismus.»