Der Surprise-Faktor war gross, die Betroffenheit riesig. Als bekannt wurde, dass die Schweizer Handels-Institution Franz Carl Weber vom deutschen Drogeriemarkt Müller übernommen wird, brauchte die Spielzeug-Schweiz zunächst einmal ein Aspirin.  

Gleich auf den Swissness-Abschiedsschmerz folgte die Frage: Warum übernimmt eine europaweit tätige Drogeriemarktkette einen Schweizer Spielzeughändler?  

Franzki-Übernahme: Müller ist nicht gleich Müller  

Dazu muss man wissen: Müller ist nicht gleich Müller. Hierzulande bekannt ist vor allem die bayerische Grossmolkerei Müller Milch, werbetechnisch unsterblich gemacht mit dem Slogan: «Alles Müller oder was?». Bekannt auch auch deshalb, weil Theobald «Theo» Müller, langjähriger Patron des Milchkonzerns, am Zürichsee lebt und sich dort (unter anderem) an seinem Vermögen freut. Die «Bilanz» taxiert es auf sechs bis sieben Milliarden Franken.

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Im Fall von Franz Carl Weber geht es aber um das Müller-Imperium aus der Drogeriemarktszene mit Sitz in Ulm. Ein veritabler Riese in seiner Kategorie, wenn auch nicht der allergrösste der deutschen Drogeriemarktketten. An der Spitze steht DM mit einem Jahresumsatz in Deutschland von 9 Milliarden Euro (alle Zahlen 2021), gefolgt von Rossmann mit 7,9 Milliarden. Aber mit seinen über vier Milliarden Euro Umsatz kann sich auch die Nummer drei, Müller, sehen lassen.

Gemäss der deutschen «Lebensmittelzeitung» (LZ) blieb Müller davon im Geschäftsjahr 2020/2021 (letzte verfügbare Zahlen) ein Konzernjahresüberschuss von 195 Millionen Euro. Fazit der LZ: «Müller katapultierte so die Ebit-Marge von 2,7 auf 6,7 Prozent hoch.»  

Bei Spielwaren zehnmal so gross wie Franz Carl Weber  

Warum ein Drogeriemarkt wie Müller Franz Carl Weber als Schweizer Target ausgemacht hat und welche Rolle Übernahmen beim Firmenwachstum spielen, mag man am Müller-Sitz in Ulm nicht beantworten. Das knappe Statement aus der Firmenzentrale bezüglich Franzki lautet: «Wir freuen uns auf die bevorstehende Integration in die Müller-Gruppe und auf die damit verbundene zukünftige Zusammenarbeit.»  

Spannenderes lässt sich im Geschäftsbericht des Unternehmens finden. Gleich wie Marcel Dobler, bisheriger Co-Besitzer von Franz Carl Weber, geht auch Drogeriemarktriese Müller von einer weiteren Konsolidierung im Markt aus: «Aufgrund des unverändert stark wachsenden Online-Geschäftes sind Warenhäuser und Spielwaren-Fachgeschäfte massiv unter Druck. Es ist davon auszugehen, dass es in diesen Segmenten zu weiteren Schliessungen kommen wird», schreibt das Unternehmen. Selber hat Müller in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr sieben Prozent zugelegt, wie das Unternehmen schreibt: Mit Spielwaren setzte die ganze Gruppe im Geschäftsjahr 538 Millionen Euro um – also etwa zehnmal so viel wie Franz Carl Weber.  

Weil das Unternehmen in seinem Geschäftsbericht die Umsatzerlöse auf einzelne Segmente herunterbricht, lässt sich getrost sagen: Müller ist zwar ein Drogeriemarktriese. Aber ebenso auch ein Spielzeug-Goliath. Hinter Drogerieartikeln und Parfumerie sind Spielwaren der drittgrösste Umsatzbringer, weit vor anderen Segmenten wie Schreibwaren, Haushalt- oder Multimedia-Artikeln. Der Umsatz-Dreiklang bei Müller lautet also: Lippenbalsam, L’Oréal, Lego.

Zu vermuten ist, dass es Müller beim Erwerb vom Franz Carl Weber auch darum gehen könnte, sein grosses Einkaufsvolumen auf dem Gebiet der Spielwaren weiter auszunutzen, es zu bündeln und über zusätzliche Kanäle auszuspielen.  

Müller hat Filialen bis nach Mallorca

Die Geschichte der Drogeriemarktkette begann im Jahr 1953. Unternehmer Erwin Müller eröffnet in Ulm einen Friseursalon, erweiterte das Sortiment um Drogerieartikel und baute um Ulm herum weiter aus. Daraus entstand über die Jahre ein wahres Drogeriemarktimperium.

Als Konkurrent Schlecker vor über zehn Jahren pleiteging, half das dem Aufstieg der Müller’schen Drogeriemarktkette zusätzlich.  

Hierzulande sorgte Firmeninhaber Werner Müller – mit 90 noch heute voll im Saft – auch für Aufsehen, weil er sich mit der Bank J. Safra Sarasin im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Zahlungen stritt und sich dabei 2018 final durchsetzte.  

In der Schweiz ist Müller mit seinen Drogeriemärkten seit 2005 aktiv und betreibt aktuell 70 Läden. Europaweit beschäftigt das Unternehmen 35’000 Angestellte und ist in sieben Ländern tätig. Die Chancen, dass Schweizer Reisende dem Unternehmen diesen Sommer begegnen, stehen gut. Müller hat auch Filialen im sogenannten 17. Bundesland Deutschlands: auf Mallorca.   

Erwin Mueller / SPA Diamond 2016 Award am 2. Juni 2016 im A-ROSA Scharm¸tzelsee in Bad Saarow / *** Erwin Miller SPA Diamond 2016 Award on 2 June 2016 at a Pink Scharm¸tzelsee in Bathroom Saarow Copyright: x

Auch mit 90 noch voll im Saft: Drogeriemarkt-König Erwin Müller, hier an einem Event im Jahr 2016. 

Quelle: imago images/VISTAPRESS