Das sagt der Yale-Experte Steven Tian über den Teck-Übernahmedeal des Schweizer Rohstoffkonzerns: «Glencore scheint einen Konkurrenten sabotieren zu wollen»

Seit Wochen ist ein transatlantisches Kräftemessen im Gang und es endete am Mittwoch in einem Knall: Der kanadische Rohstoffkonzern Teck gab bekannt, auf seine Pläne zu verzichten, sich aufzuspalten. Was letztlich bedeutet, dass die Kanadier den Schlagabtausch mit Glencore verloren haben. Glencore wirbt seit Wochen mit einer Übernahmeofferte um Teck (siehe Infobox unten). Der Rohstoffgigant aus Zug will den Konkurrenten übernehmen und das gemeinsame Kohlegeschäft ausgliedern. Teck hatte sich mit aller Kraft gegen die Avancen gewehrt und stattdessen den eigenen Aufspaltungsplan vorangetrieben. Wie präsentiert sich nun die Situation im Übernahmekampf? Steven Tian, Experte für gute Unternehmensführung an der US-Universität Yale, erklärt, wieso Glencore einen Erfolg errungen hat, der sich als Pyrrhussieg entpuppen könnte. Herr Tian, wieso treibt Glencore diesen Übernahmedeal voran? Glencore scheint einen Konkurrenten sabotieren zu wollen. Es besteht keine Chance, dass diese Übernahme gelingen wird. Glencore ist sich dessen bewusst. Glencore-Chef Gary Nagel hat selber gesagt, dass der Deal ohne die Zustimmung der Stimmrechtsaktionäre mit A-Klasse-Titel von Teck keine Chance hat. Teck wird von Norman Keevil kontrolliert, und der hat sehr deutlich gemacht, dass er den Konzern nicht an Glencore verkaufen will. Teck hat seine eigene Aufspaltung abgeblasen. Ist das ein Etappensieg für Glencore? Das bedeutet einen klaren Sieg für Glencore – diese Schlacht hat der Konzern gewonnen. Der Rückzug der eigenen Pläne stellt einen Gesichtsverlust für Teck dar. Teck hat den Widerstand der B-Titel-Aktionäre gegen die Aufspaltung offensichtlich unterschätzt. Glencores aggressive Strategie ist bemerkenswert. Es kommt selten vor, dass ein Konzern einen Aktionärsbeschluss eines anderen Konzerns zu stoppen versucht. Nun scheint Glencore sein Ziel erreicht zu haben. Letztlich ging es dem Schweizer Konzern offenbar nur darum, Tecks Aufspaltung zu verhindern. Sie haben es erwähnt: Norman Keevil müsste einer Übernahme zustimmen. Könnte er seinen Widerstand aufgeben, falls Glencore ein besseres Angebot macht? Ich halte das für unwahrscheinlich. In den Medien wird im Moment das falsche Bild gezeichnet, dass die B-Aktionäre die A-Aktionäre unter Druck setzen werden, dem Deal zuzustimmen. Die A-Aktionäre um Norman Keevil können aber solche Druckversuche ignorieren. Es gibt keine juristische Grundlage, um die Stimmrechtsaktionäre zu irgendetwas zu zwingen. Glencore scheint zu realisieren, dass sie sich sehr weit vorgewagt haben. Nun, wo sie erreicht haben, was sie wollten – die Aufspaltung eines Konkurrenten zu blockieren –, zeigen sie plötzlich Zurückhaltung. Die Aufspaltung von Teck hätte Glencore geschadet, für Teck selber wäre sie gut gewesen. Wieso hätte die Zweiteilung von Teck Glencore geschadet? Weil Teck dann zum Übernahmeziel für andere Bergbaukonzerne geworden wäre? Exakt. Glencores Kalkül lautet: Wenn wir euch nicht haben können, sollen alle anderen ebenfalls leer ausgehen. In seiner jetzigen Form ist Teck nur für wenige potenzielle Käufer attraktiv. Kein Rohstoffkonzern ausser Glencore will ein Unternehmen kaufen, das ein so grosses Kohlegeschäft besitzt. Falls Teck diese Kohleaktivitäten hätte ausgliedern können – in eine Gesellschaft namens Elk Valley Resources –, wäre Teck für sämtliche grossen Rohstoffkonzerne attraktiv geworden: BHP, Anglo American und so weiter. Ernstzunehmende Bewerber wären Schlange gestanden. Glencore hätte keine besonders guten Karten gehabt, Tecks Metallaktivitäten zu übernehmen – es wäre ein Bieterwettbewerb entstanden. Das wollte Glencore verhindern. Der Übernahmekampf dreht sich um Kohle. Wie stark ist Glencore unter Druck, sich von diesem Geschäft zu trennen? Das ist die Million-Dollar-Frage. Denn Glencore ging mit dieser Übernahmeofferte ein grosses Risiko ein. Nun steht die Idee im Raum, dass der Zuger Konzern das Kohlegeschäft abstossen könnte. Dadurch läuft Glencore Gefahr, unter Druck von aktivistischen Investoren zu geraten, die das Kohlegeschäft loswerden möchten. Und Konkurrenten von Glencore könnten auf den Gedanken kommen, Glencore zu übernehmen und das Kohlegeschäft auszugliedern. Ich bin gespannt, wie sich diese Geschichte über die nächsten Monate entwickeln wird. Glencore könnte die Kontrolle über das eigene Schicksal entgleiten. Die Schweizer könnten einen hohen Preis für diese Übernahmeschlacht zahlen.Glencores Übernahmeangebot für Teck Glencore will Teck kaufen und das gemeinsame Kohlegeschäft in eine getrennte Gesellschaft abspalten. Es würden somit zwei neue Konzerne entstehen. Der eine – Coalco – umfasst das gemeinsame Kohlegeschäft, der andere mit dem Namen Metalsco die restlichen Rohstoffaktivitäten. Der Anfang April lancierte Deal hat ein Preisschild von 23 Milliarden Dollar, und die Teck-Aktionäre erhielten Anteile an Metalsco sowie Cash – oder alternativ zusätzlich Anteile an Coalco. Konkurrent Teck zeigte am Angebot allerdings kein Interesse. Und auch Norman Keevil, der mit seiner Familie und der japanischen Sumitomo Metal Mining den Konzern über Stimmrechtsaktien (A-Aktien) kontrolliert, lehnte das Angebot ab. Statt mit Glencore zu fusionieren, wollte Teck sein Kohlegeschäft selber ausgliedern. Am Mittwoch hätten sämtliche Aktionärinnen und Aktionäre – also auch jene mit B-Titeln – über die Abspaltung abstimmen können. Wenige Stunden vor der Abstimmung zog Teck den Plan allerdings zurück. Bitte schlüsseln Sie auf, was Glencore jetzt passieren könnte. Jetzt, wo der Vorschlag einer Aufspaltung von Glencore auf dem Tisch ist, könnten Konkurrenten ermuntert werden, eine Übernahme des Schweizer Konzerns zu versuchen. Zweitens wird Glencore womöglich stärker unter Druck aktivistischer Investoren geraten. Bereits jetzt drängt ein Aktionär – Bluebell Capital – die Konzernleitung dazu, das Kohlegeschäft auszusortieren. Dieser Forderung könnten sich nun weitere Aktionärinnen anschliessen. Und drittens wird Glencore vielleicht politische und regulatorische Probleme bekommen. Glencores aggressives Verhalten hat Unmut auf höchster staatlicher Ebene in Kanada ausgelöst. Die Vize-Premier Chrystia Freeland äusserte sich öffentlich kritisch, eine solche prononcierte Äusserung einer so hohen Regierungsvertreterin ist sehr ungewöhnlich. Glencores Image ist schlecht. Vergessen wir nicht: Letztes Jahr hat Glencore mehr Bussgeld wegen Bestechung und Korruption bezahlt, als Teck Gewinn machte. In seinem neusten offenen Brief an die Teck-Aktionäre betont Glencore, wie stark Kanada von der Übernahme profitieren würde. Sie halten dies also für keinen Zufall? Mit dieser Haltung versucht Glencore, Bedenken innerhalb Kanadas zu zerstreuen. Es geht um Schadensbegrenzung, der Konzern bemüht sich, das jetzt beschädigte Verhältnis zu den Behörden zu kitten. Denn falls Tecks A-Klasse-Aktionäre einem Deal doch zustimmen würden, hätte Kanadas Regierung das letzte Wort. Der Staat würde das Vorhaben einer Überprüfung unterziehen. Das Verfahren müsste klären, ob die Übernahme Kanadas nationale Sicherheit gefährdet und ob Kanada unter dem Strich davon profitiert. Ob Glencores Deal unter diesen Gesichtspunkten gut abschneiden würde, ist fraglich. Kanada würde ungern die Kontrolle über begehrte Rohstoffe wie Kupfer, Nickel und Zink verlieren, die für die Lieferketten für E-Autos und erneuerbare Energien so wichtig sind. Gute Beziehungen zur Regierung sind für Glencore grundsätzlich wichtig. Kein Bergbaukonzern kann ohne den Segen von Regierungen operieren, zu gross ist die Abhängigkeit, sie benötigen eine Vielzahl von Bewilligungen und Konzessionen.