Herr Vilanek, haben Sie einen Interessenkonflikt?


Ich sehe keinen. Wir fühlen uns Sunrise verpflichtet, aber haben zur UPC-Übernahme eine andere Ansicht. Das ist klar eine Meinungsverschiedenheit, aber sicher kein Interessenskonflikt

Sie hätten einen Konflikt, wenn Sie als Freenet andere Interessen hätten als andere Aktionäre.

Wir sind einfach nur ein Aktionär, der zufälliger Weise deutlich mehr Aktien hat als die anderen Sunrise-Shareholder. Aber am Ende des Tages ich bin nur ein Aktionär.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das sagt Sunrise auch. Die Firma will Freenet keine Sonderstellung zugestehen, trotz ihres 25-Prozent-Anteils.

Mir ist keine andere Situation bekannt, wo ein Verwaltungsrat und ein Management gegen die explizite Meinung eines Grossaktionärs mit einem Viertel der Aktien in dieser aggressiven Form agiert. Und die Tatsache, dass man jetzt juristisch unglaubwürdig herleitet, wir hätten einen Konflikt, ist für mich ein grober Missbrauch der Aktionärsdemokratie. Ich dachte bisher immer, dass auch in der Schweiz ein Unternehmen den Aktionären und nicht dem Verwaltungsrat gehört. Aber dieses Verständnis scheint der Sunrise-VR nicht zu teilen. 

Sie sollen jetzt im Verwaltungsrat von den relevanten Sitzungen zur UPC-Transaktion ausgeschlossen. Werden Sie das akzeptieren?


Nein, sicher nicht. Wir haben eine Protestnote ins Protokoll gegeben. Und wir werden den Vorgang mit allen juristischen Mitteln bekämpfen. Aber bis zur Generalversammlung wird es nicht mehr viele solche Sitzungen geben. Den Ausschluss juristisch anzufechten, wird sicher länger dauern. 

Geht Freenet vor Gericht?


Ich weiss nicht, ob wir da vor Gericht gehen müssen. Das prüfen jetzt unsere Juristen. Aber mir geht es ja nicht darum, ob ich in einem Gremium sitzen darf. Sondern darum, ob die UPC-Übernahme stattfinden wird oder nicht. Ich setze da andere Prioritäten. 

Christoph Vilanek

Christoph Vilanek, geboren 1968 in Innsbruck, ist seit zehn Jahren Vorstands-Vorsitzender der Freenet AG. Zuvor arbeitete er unter anderem im Verlagswesen, bei McKinsey sowie zuletzt – vor seinem Wechsel zu Freenet – bei Debitel. Die Freenet AG ist ein Telecom-Unternehmen mit Sitz in Schleswig-Holstein und rund 3,5 Milliarden Euro Umsatz.
 

Der restliche Sunrise-Verwaltungsrat wirft ihnen Geheimnisverletzung vor.


Das einzige, was ich jemals gesagt habe, was nicht öffentlich war, ist mein persönliches Abstimmungsverhaltung rund um die UPC-Transaktion. Dies im Übrigen erst, nachdem Sunrise-Chef Olaf Swantee selber gesagt hat, dass nicht alle dafür waren. Da hab ich in meiner Stellungnahme gesagt, dass ich dagegen war. Mein eigenes Stimmverhalten unterliegt nicht der Vertraulichkeit. Ich kann deshalb überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb jemand unseres Unternehmens irgendeine vertrauliche Information nach aussen gegeben hätte. 

Sunrise wirft Ihnen überdies vor, erst für die Übernahme gewesen zu sein und diese jetzt zu sabotieren.

Der Deal war immer, dass man ein Ergebnis aushandelt, von dem man ausgehen konnte, dass die Gegenseite zustimmen könnte. Und es war vereinbart, dass wir dann dieses Endergebnis unseren Beratern zur Überprüfung geben werden. Ich wollte nicht externe Berater mit Zwischenresultaten aus den Verhandlungen beschäftigen, weil dies das Risiko erhöht hätte, dass etwas nach aussen dringt. Am 10. Januar hatten wir ein Verhandlungsergebnis. Wir haben dieses Ergebnis geprüft und am 24. Januar an einer Verwaltungsratssitzung gesagt, dass wir das Resultat so nicht unterstützen werden. Am 27. Februar haben wir dann an der finalen Beschlussfassung im Sunrise-Verwaltungsrat dagegen gestimmt. Ich kann da beim besten Willen keine Meinungsänderung sehen. Hinzu kommt, dass sich seither einiges geändert hat.

«Mir ist keine andere Situation bekannt, wo ein Verwaltungsrat gegen die explizite Meinung eines Grossaktionärs mit einem Viertel der Aktien in dieser aggressiven Form agiert.»

Was?


Wir gingen bis Anfang Jahr davon aus, dass das neue 5G-Netz nicht in Häusern funktionieren würde. Heute ist klar, dass dem so ist, was die Bedeutung des Festnetzes insgesamt schwächt. Und damit natürlich auch den Wert von UPC Switzerland. Liberty hat die Schweizer Tochter für die Heirat zwar aufgehübscht. Die Amerikaner haben mit viel Rabatt 14'000 neue Mobilkunden gekauft. Gleichzeitig aber verliert die Firma immer noch TV-Kunden. Und die, die sie hinzugewinnen, sind reine Basis-Kunden. Mit der UPC-Transaktion würde Sunrise 2'500 Franken pro Kunden bezahlen. Das sind 50 Monatsbeiträge! Das ist aus unserer Sicht einfach ein zu grosses Risiko. Ich war deshalb immer gegen die Struktur. Aber in den letzten Monaten haben sich die Vorzeichen noch verschlechtert.  

Sunrise argumentiert dagegen, die Synergien würden höher ausfallen als erwartet.


Es ist ja schon verwunderlich: Zum einen stellt man fest, dass die Integrationskosten um 95 Millionen auf fast das Doppelte ansteigen werden. Und zum anderen sagt Sunrise, dass man pro Jahr 45 Millionen mehr Synergien rausholen kann. Man muss nicht besonders intelligent sein, um festzustellen, dass die Verantwortlichen verzweifelt nach Synergien suchen. 

Aber macht es nicht grundsätzlich Sinn, die zwei Firmen zusammenzuführen?


Bei den Synergien geht es ja vor allem ums Netz, das man nicht mehr von Swisscom anmieten muss. Man rechnet dann rein, dass diese Mietkosten künftig ansteigen und tut so, als würde das eigene Netz nichts kosten. Aber warum mietet man sich nicht einfach bei UPC ein?

«Ich dachte bisher immer, dass auch in der Schweiz ein Unternehmen den Aktionären und nicht dem Verwaltungsrat gehört.»

Weil UPC-Mutter Liberty Global die Firma verkaufen will. Und nicht Netze vermieten.

Da haben Sie vollkommen Recht, die wollen raus. Aber wenn jemand unbedingt verkaufen will, dann muss ich ihm doch nicht den höchsten Preis bezahlen, der je für so eine Einheit bezahlt wurde. 

Aber für Deutschland und Österreich hat UPC – im Verhältnis zum lokalen Preisniveau – ähnliche Verkaufspreise generiert.


Das sehe ich anders. Man rechnet da immer mit den heutigen Kunden und Preisen. Aber in der Schweiz tobt gerade ein aggressiver Preiskampf. Bei Salt erhalten Sie heute für 40 Franken das gleiche wie bei UPC für 60 Franken. Doch Sunrise nimmt an, dass die Preise der Vergangenheit gleich bleiben werden. 

Sunrise hat zum Halbjahr offengelegt, was Freenet in den Verhandlungen gefordert hat, um zu zeigen, dass Sie eine «Hidden Agenda» haben. Freenet wolle bloss aussteigen und abkassieren, lautet der Tenor. 


Sunrise hat am Donnerstag reihenweise Sachen kommuniziert, die nicht öffentlich waren. Die Verschwiegenheitsregeln wurden also bewusst verletzt. Hinzu kommt: Wir haben bis heute zu keinem Zeitpunkt mit irgendjemandem über den Verkauf unserer Aktien gesprochen. Ich hab vor einem Jahr gesagt, wenn mir jemand eine Prämie bezahlt, überlege ich mir den Verkauf. Aber bis heute haben wir mit niemandem konkret über einen Paketverkaut verhandelt. Hingegen hat Sunrise uns vorgeschlagen: Wenn ihr den UPC-Deal ablehnt findet und wir einen Käufer bringen, wäre das was? Da sagte ich, dann gebt ihm meine Nummer. Aber da hat nie jemand angerufen. 

Weil niemand bei Sunrise einsteigen will?


Sie finden keinen Investor, der ihnen sagt, dass der Deal in dieser Struktur gut sei. Sunrise sagt immer, es gebe viele Interessenten. Ja, klar. Da sind Hedge Funds eingestiegen, die gleichzeitig mit Puts auf sinkende Kurse wetten. Das können Sie wunderbar erkennen: Am Freitag voriger Woche, als wir bekannt gaben, dass wir definitiv gegen die UPC-Transaktion sind, ging der Kurs um acht Prozent hoch. Gestern, als Sunrise mitteilte, wie sehr man kämpfen wolle, ging der Kurs wieder runter. 

Der Markt lehnt die UPC-Übernahme ab?


Genau, der Markt will das nicht. Offensichtlich sind die ganzen Hedge Funds in der Sache short. Hinzu kommt, dass hier etwas verschwiegen wird. Der Kleinaktionär, der normale Schweizer Bürger, der sich für 10'000 Franken Aktien gekauft hat, dem sagt man: Entweder du investierst noch einmal 10'000 Franken, oder du verlierst Geld. Denn es wird eine Verwässerung geben und einen Discount auf die neuen Aktien. Da wird jeder Kleinaktionär einen Nachteil haben. Und es wird suggeriert, Freenet blockiere alles. Wenn sich das Management so sicher wäre, dass die Transaktion locker durchgeht, dann könnte man doch ganz entspannt argumentieren: Freenet ist dagegen, der Rest ist dafür. Die Aggressivität, die jüngst in allen Äusserungen zu hören war, zeigt deutlich: Es gibt ganz viele institutionelle Anleger, die massive Zweifel an der Transaktion haben.

Haben Sie Kontakt zu anderen Investoren?


Wir haben nie Kontakt mit anderen Aktionären gehabt, aber am Freitag nach unserer Stellungnahme erhielten wir viele Anrufe von Investoren, die unsere Meinung teilen. Die uns sagten, dass sie an der GV dagegen stimmen werden. Und das waren keine Kleinaktionäre.  

«Mit der UPC-Transaktion würde Sunrise 2'500 Franken pro Kunden bezahlen. Das sind 50 Monatsbeiträge! Das ist aus einfach ein zu grosses Risiko.»

Der Streit zwischen Freenet und Sunrise hat eine persönliche Ebene erreicht – da ist etwas eskaliert, oder?


Ich möchte keine Namen nennen. Aber mein letztes Gespräch mit Olaf Swantee, am letzten Dienstag, verlief gut. Swantee ist sicher nicht über unsere Haltung erfreut, aber der Ton war nüchtern. Und über alles andere, was derzeit in der Firma läuft, haben wir sehr konstruktiv gesprochen. Aber es gibt andere Leute, die extrem persönlich und aggressiv werden. Das ist nicht angemessen. Wenn ein Aktionär eine andere Meinung hat, dann kann man nicht einfach sagen, den schliessen wir aus. Ich vertrete im Verwaltungsrat nicht meine persönlichen Aktien, sondern die Aktionäre allgemein. Mit dem Unterschied, dass andere, die im Verwaltungsrat sitzen, selber gar keine Aktien haben. 

Sind Verwaltungsrat und Management über Prämien dazu motiviert, den Deal durchzubringen?


Das ist mir nicht bekannt. Aber natürlich wächst die Firma, wenn die Fusion durchkommt. Und dann wird man feststellen, dass die Honorare bei ähnlich grossen Firmen grösser sind. Indirekt könnte die Fusion damit schon zu höheren Salären und Vergütungen führen. 

Sunrise hat sich zur finanziellen Lage von Freenet geäussert. Ihre Firma sei schwach, könne sich die Kapitalerhöhung nicht leisten und sabotiere daher den Deal.

Das ist blanker Unfug. Ja, wir werden nicht eine Milliarde nachschiessen, weil wir glauben, dass das die falsche Milliarde ist. Und wir haben keine angespannte Finanzierung. Wir haben einen Hebel von knapp über drei. Unsere nächste, kleine Refinanzierunng steht erst 2022 an. Wir sind nicht unter Druck. Ich bin schon ein bisschen überrascht, dass Sunrise unsere finanzielle Lage als Grossaktionär zu kommentieren hat. Ich bin mir nicht sich, ob das angemessen ist.  

«Der Markt will die UPC-Übernahme nicht. Offensichtlich sind die ganzen Hedge Funds in der Sache short.»

Würden Sie eine Finanzierung über Fremdkapital vorziehen? Wollen Sie einen anderen Deal?


Das Management hat uns Anfang letzter Woche aufgefordet, deutlich Position dazu zu beziehen, ob wir den Deal unterstützen. Das haben wir getan. Wir haben das dann auch kommuniziert, weil das eine relevante Entscheidung war. Wir haben dem Management – nicht öffentlich – eine Liste von Verbesserungsvorschlägen übergeben. Wir sind der Meinung, dass eine Stand-Alone-Lösung besser ist. Aber wenn man UPC günstiger bekommt, kann man das mitnehmen.

Also ist UPC aus Ihrer Sicht einfach zu teuer?


Nicht nur. Wir kritisieren auch die Übernahme der sehr teuren Finanzierung von UPC. Heute kostet die 160 Millionen Franken pro Jahr. Wir sind der Meinung, dass Sunrise das mit ihrer Investment-Grade-Bewertung um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag günstiger hinkriegen würde. Das ist auch ein Element der Transaktion. Mir kommt das vor, wie Sie zum Essen gehen und ein Schnitzel für 150 Franken bestellen. Und danach sagen sie zur Frau, es hat aber besonders gut geschmeckt. Aber dann war das Schnitzel immer noch zu teuer. Sunrise haben viel zu teures Essen bestellt und jetzt sagen sie, das schmeckt aber besonders gut, und da war auch noch besonders leckere Beilage dabei. Doch der Fakt bleibt: Die UPC ist ein zu teures Schnitzel. 

«Wir erhielten viele Anrufe von Investoren, die uns sagten, dass sie an der GV dagegen stimmen werden. Und das waren keine Kleinaktionäre. »

Würden Sie heute ihre Sunrise-Beteiligung verkaufen?


Am Samstag war der Preis bei 78 Franken. Wenn jetzt einer kommt und mit einem Aufpreis bezahlt, würde ich mir das sicher überlegen. Aber ich glaube an die Sunrise! Wenn wir diesen Unsinn nicht machen, ist der Aktienkurs bald wieder auf dem Höchststand. Schauen Sie doch, was passiert ist. Es gibt keinen Grund – ausser der Transaktion – der einen Kursrückgang begründen würde. Das Management von Sunrise macht einen Superjob. Die 5G-Auktion war deutlich günstiger als vorhergesagt. Der Aufbau von 5G ist billiger, weil die Technologie Fortschritte gemacht hat. Alles läuft gut, aber der Kurs ist um 20 Franken gesunken. Das kann nur sein, weil das Publikum die Übernahme für eine schlechte Akquisition halten. Es gibt keinen anderen Grund. 

Bereuen Sie, dass Sie eingestiegen sind?


Nein, bis heute nicht. Und ich bin überzeugt, dass wir dereinst mit einem Gewinn aussteigen werden. Bis in zwei bis drei Jahren wird der Kurs wieder auf dem alten Niveau sein. Aber wir sind nicht unter Druck. Vor 2022 haben wir kein Refinanzierung anstehen. 

Das Projekt: Sunrise will UPC kaufen

Mit dem Jahresabschluss gab Sunrise Ende Februar bekannt, das Kabelnetzgeschäft von UPC in der Schweiz kaufen zu wollen. Die bisherige Eignerin Liberty Global soll gegen Zahlung von 2,7 Milliarden Franken ausgekauft werden. Zudem übernimmt Sunrise Schulden, womit eine Gesamtbewertung von 6,3 Milliarden Franken resultiert.

Die Bewertung entspricht in etwa dem zehnfachen operativen Cashflow von UPC und liegt damit im Bereich der Bewertungen der kürzlich ebenfalls verkauften Bereiche UPC Österreich (Faktor 11) und UPC Deutschland (Faktor 12).

Michael Heim Handelszeitung
Michael HeimMehr erfahren