Warum die USA dem globalen Steuerwettbewerb ein Ende bereiten wollen

Joe Biden war mit dem Versprechen zur Wahl angetreten, die Unternehmenssteuern zu erhöhen, die Präsident Donald Trump zuvor massiv gesenkt hatte. Der Zielwert: 28 Prozent – statt wie derzeit 21 Prozent. Damit aber müssten Firmen in den Vereinigten Staaten höhere Steuern zahlen als in einer Reihe anderer Länder – zum Beispiel in der Schweiz. Was wiederum den einen oder anderen Konzern dazu verleiten könnte, die Zelte in den USA abzubrechen. Um hier gegenzusteuern, will die US-Regierung jetzt dem internationalen Steuerwettbewerb den Garaus machen. Konkret plant Finanzministerin Janet Yellen, mit den G20-Ländern eine Vereinbarung zu erarbeiten, mit der der jahrzehntelange Wettlauf hin zu tiefen Steuern durchbrochen werden soll. Dabei stehen die USA keineswegs allein da: Auch Grossbritannien will Unternehmen stärker belasten, um die riesigen Haushaltslöcher durch die Corona-Krise zu stopfen. Grossbritannien hatte seine Unternehmenssteuern in den vergangenen Jahren immer weiter nach unten gedrückt. Derzeit liegen sie bei 19 Prozent – dem niedrigsten Niveau unter den grossen Industrieländern. Im Rahmen der Brexit-Verhandlungen mit der EU «drohten» die Briten immer wieder, ihre Sätze noch weiter zu senken und die Insel zu einem Steuerparadies à la Singapur zu machen. Doch das war vor der Corona-Krise. Nun ist die britische Wirtschaft stark angeschlagen, im Staatshaushalt klafft eine grosse Lücke. Boris Johnsons Regierung will den Steuersatz für Unternehmen im Jahr 2023 von 19 auf 25 Prozent erhöhen. Dass diese beiden Länder nun voranschreiten, erstaunt etwas, waren sie es doch, die in den 1980er Jahren den Standort-Kampf via sinkenden Steuersätzen einläuteten. Klar ist: Mit der Unterstützung des Schwergewichts USA wird die Durchsetzung einer Mindeststeuer auf globaler Ebene sehr viel wahrscheinlicher. Der französische Finanzminister reagierte am Dienstag denn auch erfreut über die Avancen seiner amerikanischen Amtskollegin: «Wir müssen diese historische Gelegenheit ergreifen», sagte Bruno Le Maire in Paris. Für die Schweiz ist die Entwicklung kritisch: Seit Jahren werden internationale Konzerne mit tiefen Steuersätzen ins Land gelockt. Der Vorteil des Steuerwettbewerbs könnte mit weltweiten Regeln zur Firmenbesteuerung dahin sein. Die Geschichte zeigt, wie brisant die Idee von Janet Yellen ist: Schon das Schweizer Bankgeheimnis für Privatpersonen war mit der geballten Kraft der G20-Staaten endgültig zertrümmert worden. Mit der Drohung, Steueroasen auf «schwarze» und «graue» Boykottlisten zu setzen, bauten die zwanzig führenden Industriestaaten ab 2016 einen massiven Druck auf – notabene angeführt von der Regierung Obama-Biden. OECD plant globale Steuerreform Die Idee eines Mindest-Satzes für Unternehmen ist auch nicht neu: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeitet bereits seit drei Jahren an einer globalen Steuerreform. Sie umfasst zwei zentrale Säulen: eine weltweite Mindeststeuer und eine neue Verteilung der Besteuerungsrechte auf digitale Dienstleistungen – kurz eine Digitalsteuer. Vor etwa sechs Monaten hatten sich 137 Länder auf ein Grundgerüst zu beiden geeinigt. Allerdings ohne die Unterstützung der USA unter Donald Trump, der vor allem die grossen amerikanischen Tech-Unternehmen wie Google und Amazon schützen wollte. Für die Schweiz mit vielen internationalen finanzstarken Konzernen hätte die OECD-Reform negative Folgen, schätzen einige Experten. Das Paket könnte Bund und Kantone mindestens eine halbe Milliarde und bis zu 5 Milliarden Franken an Steuerausfällen kosten, warnte Finanzminister Ueli Maurer. So viel wird es wohl nicht werden, dennoch dürfte die Reform Experten zufolge schaden. Geplant ist, dass Konzerne ab 750 Milliarden Euro Jahresumsatz ihre Steuern dort zahlen, wo sie ihren Umsatz machen, das heisst wo ihre Kunden sind. Das wäre im Fall der grossen Steuerzahler wie Novartis und Nestlé grösstenteils nicht in der Schweiz. Auch andere kleine Staaten locken Firmen mit Niedrigsteuern an – in der EU etwa Irland, Ungarn und Zypern, um den Nachteil eines kleinen heimischen Marktes zu kompensieren. Im Schnitt zahlen Unternehmen in der Schweiz knapp 15 Prozent Steuern – im EU-Durchschnitt sind es rund 20 Prozent. Kantonen konkurrieren mit Steuerparadiesen Zu den steuerlich attraktivsten Standorten in der Schweiz zählen Zug, Luzern und Glarus. In den vergangenen Jahren haben mehrere Kantone die Steuersätze für Firmen weiter gesenkt; sie spielen ganz vorne mit im internationalen Wettbewerb. Nur Länder wie Katar oder Bahrain verfügen ausserhalb Europas über tiefere Gewinnsteuersätze als die Schweiz. Auf der anderen Seite wollen sich Länder mit hohen Steuern vor der «Dumping-Konkurrenz» durch Niedrigsteuerländer schützen, und dieser Zwang ist nach den Milliarden-Ausgaben für die Lockdown-Kosten grösser denn je. Deshalb weht nun ein anderer Wind. So hat die neue Regierung im Weissen Haus den Widerstand gegen eine Digitalsteuer aufgegeben. Auf einem virtuellen Treffen der G20-Finanzminister im Februar sagte Janet Yellen, Washington bestehe nicht länger auf Ausnahmeregeln für US-Unternehmen, die eine Digitalsteuer in bestimmten Ländern zahlen müssen. Krisen beschleunigen Reformen Nun dürfte auch die Mindeststeuer zum konkreten Projekt werden. Die G20-Länder wollen bis Mitte des Jahres «eine globale und konsensbasierte Lösung» finden – die Schweiz ist als Gast mit dabei und dürfte versuchen, Schlimmstes zu verhindern. Die G20 wurden übrigens im Zuge der Weltfinanzkrise 2008 ins Leben gerufen: Auch diese Krise hatte die internationale Zusammenarbeit verstärkt und die Reform des globalen Finanzsystems beschleunigt. Vorausgegangen war dem ebenfalls eine Initiative der OECD – gegen Steueroasen. Die Folgen für die Schweiz sind bekannt.

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Der nächste Kampf gegen Steueroasen wie die Schweiz