Nun lächeln sie wieder von den Plakatwänden, die spärlich bekleideten Konsum-Engelchen von H&M. Sie trotzen nicht nur der Kälte, sondern auch einem garstigen wirtschaftlichen Umfeld: Stimulierende Botinnen, die auch in den schwierigen Jahren der jüngsten Vergangenheit mit üppigen Umsätzen locken konnten. «Die Unterwäschekampagne schlägt sich überaus positiv auf die Verkaufszahlen aus», frohlockt H&M-Pressesprecherin Danielle Bryner, ohne aber Detailzahlen zu verraten. Die Zeit vor Weihnachten gilt nicht nur für H&M, sondern für die gesamte Dessous-Branche als eine der umsatzstärksten.

Die Entwicklung mit der intimsten Verpackung ist erfreulich. «Die Umsätze der Damentagwäsche sind in den letzten zehn Jahren um 10% gewachsen, diejenigen der Miederwaren gar um 20%, während der Textilmarkt insgesamt stagnierte», sagt Wolfgang Giehler, der beim Hergiswiler Marktforschungsinstitut IHA-GFK den Bekleidungssektor betreut. Der Trend, nackt zu schlafen oder sich nachts nur mit einem T-Shirt zu begnügen, hat dagegen der Branche geschadet. «Die Umsätze mit der Nachtwäsche sind in den letzten zehn Jahren um über 15% gesunken.» Als Miederwaren werden Büstenhalter und Korsetts definiert, zur Tageswäsche zählen Slips, Strings, Panys und Leibchen. Pyjamas und Nachthemden gehören zur Nachtwäsche. Auf 500 Mio Fr. schätzt Giehler den Markt für Damenwäsche und auf 100 Mio Fr. denjenigen für Nachtwäsche.

Die Gründe für die positive Entwicklung liegen schwergewichtig in den vielen Innovationen bei den Formen, Farben oder Fasern der Büstenhalter. Dabei sind Push-ups, Balconnets, transparente Träger, nahtlose BH, Sport-BH, Spitzen, Stickereien, Rüschen oder Mikrofasern nur einige Elemente, um die wachsende Vielfalt der Kreationen zu bezeichnen. «Solche Innovationen haben auch den Markt der Tageswäsche stimuliert, da BH und Slip oft als Kombination zusammen gekauft werden», erklärt Giehler.

Der Boom im Dessousbereich hängt auch mit der Erotisierung der ganzen Gesellschaft zusammen. Sexy Strings und Strapse haben ihr Schmuddel-Image abgelegt und sind salonfähig geworden. Stars wie Madonna haben den Weg gepfadet für immer mehr Frauen, die unverblümt ihre Unterwäsche zur Oberbekleidung verwandelten. Kino-Knüller wie «Moulin Rouge» mit Nicole Kidman haben Designer zu noch raffinierteren Dekorationen für das immer Gleiche inspiriert und Kundinnen zu Käufen verführt.

*Reizende Zukunft für exzellente Lagen*

Trotz dem Boom bei den Miederwaren ist das Geschäft für die einzelnen Händler hart. Denn immer mehr Anbieter buhlen um die Gunst der Lingerie-Käuferinnen. «Die Konkurrenz ist riesig, überall kann Frau Dessous kaufen, in Drogerien, Parfümerien, ja selbst in Kaffeeshops», jammert Roger Schärer, Inhaber der Unterwäschekette Perosa. Zwischen 1995 und 2001 konnte er den Umsatz des Familienunternehmens von 23 Mio Fr. auf 28 Mio Fr. pushen. Doch dieses Jahr werde der Umsatz voraussichtlich in der Höhe des Vorjahres verharren. Denn der raue Wirtschaftswind hat auch sein Unternehmen nicht verschont. Die Rezession spüren vor allem Lingeriegeschäfte, die auf Luxusartikel setzen, aber auch kleinere Wäschefachgeschäfte müssen kämpfen. So erzählt ein Lieferant, dass er dieses Jahr so viele Mahnungen wie noch nie verschickt hat und die Liste der Gemahnten immer länger wird.

Entscheidend für den Erfolg des Geschäftes mit den Lusthüllen ist die Verkaufslage. Im Kampf um die attraktivsten Lagen kommen nur die dicksten Portemonnaies zum Zugriff: «Bei einer Ablösungssumme von 1,5 Mio bis 2 Mio Fr. für ein einziges Geschäft an der Zürcher Bahnhofstrasse kann ich nicht mithalten», sagt Perosa-Chef Schärer. Trotzdem ist es ihm dank seinem Beziehungsnetz gelungen, für nächstes Jahr an bester Lage in Luzern am Schwanenplatz eine neue Perosa-Filiale zu eröffnen. Auch für Hanspeter Grüninger, Geschäftsleiter von Beldona, steht die Standortoptimierung neben dem Ladenumbau der Kette weiterhin zuoberst auf der Prioritätenliste. Beldona ist die grösste Damenunterwäschekette der Schweiz und setzt mit ihren 75 Filialen jährlich rund 70 Mio Fr. um, hat aber in den letzten Jahren unter Besitzerwechsel und Ablösung der Führung gelitten. Seither laufen handfeste Umstrukturierungen: Drei Geschäfte an peripheren Lagen wurden geschlossen, gleichzeitig wurden neue Filialen in Shoppingzentren eröffnet.

Stark im Damenwäschegeschäft sind die Warenhäuser, die gut einen Drittel des Umsatzes für sich verbuchen (Tabelle). Noch ist hier Manor der Leader. Doch Christoph Clavadetscher, der neue Chef der Warenhausgruppe Epa und Coop City, hat den Boom bei der Damenunterwäsche erkannt und will eine Spitzenposition im wogenden Geschäft erringen. Aber auch in diesem Konsumsegment steht die Migros im Wege: «Mit unserem Anteil von 14% am Gesamtmarkt der Tages- und Nachtwäsche und der Miederwaren ist dieses Segment für uns enorm wichtig», betont Migros-Mediensprecher Urs Peter Naef. Und der orange Riese will auch hier weitere Marktanteile erobern.

Trotz entfesseltem Konkurrenzkampf sehen die Aussichten auch weiterhin reizend aus. Marktforscher Wolfgang Giehler ist jedenfalls überzeugt: «Wenn die Branche weiterhin so innovativ im Bereich Fashion wie auch in der Funktion bleibt, wird sich dieser Markt gut entwickeln.»

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