Migros und Coop schauen gelassen, wie sich der Einzelhandel in Deutschland zerfleischt. Die beiden Detailhändler suchen jeder für sich ihre Chance. Die Migros glaubt derzeit felsenfester als je zuvor an den Markt in Deutschland. Nachdem die Migros vor wenigen Wochen bereits ankündigte, ihre auch in der Bundesrepublik bekannten und beliebten Klassiker wie Schokolade, Kaffee und Nudeln über Internet nach erfolgreichen Testläufen bundesweit anzubieten und auszuliefern, ist klar, wohin der Zug fährt. Der Schritt nach Deutschland wird forciert. Parallel dazu wird stationäres Business ausgebaut. «Wir exportieren das Know-how aus der Schweiz», sagt Peter Küng, Sprecher der Migros-Genossenchaft in Basel. Von dort wird die Expansion Richtung Süddeutschland gesteuert.

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Geschäftsführer der Tochter Migros Deutschland GmbH ist der Basler Genossenschafts-Direktor Werner Krättli. An drei Standorten in Deutschland ist Migros bereits präsent: In Lörrach, in Bad Säckingen und in Freiburg (im Breisgau). Die neuste und grösste Migros-Niederlassung steht auch schon fest. Auf 17000 m2 Verkaufsfläche wird in Reutlingen am 28. September 2008 der vierte Migros-Markt eröffnet. Bis zu zwölf Märkte plant Migros weiter, an Angeboten von Kommunen und Bürgermeisterämtern mangelt es nicht, bestätigt Migros-Sprecher Küng.

Coop mit Rewe im Rücken

Noch zurückhaltend zeigt sich Mitbewerber Coop. «Wir wollen aus der Position der Stärke Marktanteile gewinnen», ist sich Unternehmenssprecher Karl Weisskopf sicher. Das ist heute mehr auf die Schweiz bezogen und dürfte das Verdauen des Carrefour-Brockens betreffen. Trotzdem: «Wir werden in weitere Gebiete vordringen und schauen uns alles an», fügt Weisskopf hinzu. Eine Expansion nach Deutschland stehe derzeit allerdings nicht zur Diskussion. Warum auch, mit Rewe aus Deutschland als internationaler Einkaufspartner über die gemeinsame europäische Einkaufsplattform Coopernic ist Coop bereits grenzüberscheitend bestens aufgestellt. Und jüngst hatte der deutsche Rewe-Chef Alain Caparros in einem

Interview mit der «Basler Zeitung» betont, die Zusammenarbeit mit Coop intensivieren zu wollen. Das unterstreicht auch Weisskopf

gegenüber der «Handelszeitung». Im Übrigen sei man auch nicht unglücklich über eine spürbar rückläufige Tendenz im Einkaufstourismus aufgrund des starken Euro.

Neue Gelüste von Rewe?

Der Zuspruch in den Filialen wächst. So beobachtet auch Coop in Ruhe, wie sich die Grossen in der Branche in Deutschland momentan das Leben schwer machen – und ob Partner Rewe aus Köln nicht am Ende zu den Gewinnern zählt. Der Kölner Handelsriese (44 Mrd Euro Umsatz) will nämlich die 2900 Discount-Filialen Plus des deutschen Mitbewerbers Tengelmann übernehmen und mit der eigenen Discount-Schiene Penny (2000 Filialen) verschmelzen. Damit würde Rewe den dritten Platz im deutschen Discountermarkt (nach Aldi und Lidl) beanspruchen. Ob das wiederum neuerliche Gelüste auf den Schweizer Mark auslösen (gemeinsam mit Coop?) könnte, bleibt Spekulation. Jüngst verriet Rewe-Chef Caparros, dass bis zu einer halben Mrd Euro in die Expansion und Renovierung des Rewe-Filialnetzes gesteckt werden sollen. Auf Nachfrage will der Kölner Handelskonzern jedoch keinen Kommentar zu weiteren Kooperationsplänen mit der Schweizer Coop abgeben.

Sicher ist: Markt und Handel seien im tiefen Umbruch begriffen, bestätigt Handelsinsider Giovanni Artemesio von der Zürcher Investmentgesellchaft GHP-Arbitrium, die indirekt an der Gründung des deutschen Öko-Discounters Basic und dessen jüngsten Verkauf an Lidl beteiligt war. «Generell sehe ich diese Bewegung grenzüberschreitend», meint Artemesio, «und es wird einen weiteren Druck auf verankerte Unternehmen im Detailhandelsbereich geben.»

Die Schweiz bleibt weiter im Visier europäischer Discounter: Handels-Giganten aus Grossbritannien und Skandinavien zieht es Richtung Mitteleuropa. Dabei wollen sie die Schweiz nicht auslassen. Tesco aus Grossbritannien beispielsweise, zweitgrösster Einzelhändler der Welt, schielt Branchengerüchten zufolge nicht nur auf Übernahmen in Deutschland, sondern könnte sich auch in angrenzenden lukrativen Märkten wie die Schweiz und Österreich wohlfühlen. Britisch zurückhaltend will Greg Sage, Internationaler Expansionsmanager bei Tesco, nichts absagen, aber auch nicht kommentieren, «in welche Länder man vielleicht oder vielleicht auch nicht in Zukunft eintreten will». Aktuell will Tesco gerade im US-Markt angreifen und Wal-Mart herausfordern. Nicht nur die in der Schweiz bereits vertretenen schwedischen Möbel-Filialisten Ikea und seit gut einem Jahr auch Jysk kündigen an, noch 2007 weitere Filialen zu eröffnen, auch andere skandinavische Handelsmultis sowie dänische Lebensmitteldiscounter liebäugeln mit der Schweiz: Kesko etwa (2000 Geschäfte) ist der grösste finnische Einzelhändler im nordischen und baltischen Raum. «Im Moment gibt es keine konkreten Pläne, in die Schweiz oder auch nach Österreich zu gehen», erklärt Kesko-Kommunikationschef Harri Utoslahti zwar, er fügt aber an: «Sage niemals nie.» Interessant seien diese Märkte inklusive Deutschland allemal.

Auch der dänische Lebensmittel-Discounter Netto (390 Märkte) fühlt sich bereits mit Ablegern in Nord- und Ostdeutschland sehr wohl. In den nächsten zwei Jahren soll es Stück um Stück Richtung Süden gehen, verrät Unternehmenschef Klaus Jensen. «Deutschland ist ein unheimlich interessanter Markt», meint er, «wir sind mit den Rahmenbedingungen sehr zufrieden.

Jensens Begründung: Die Konsumenten seien vertraut mit dem Discount-Konzept. «Es ist realtiv einfach, auf dem deutschen Markt zu arbeiten», erläutert der dänische Handelsprofi. Gleiches gilt für die Schweiz: Aktuell gäbe es zwar keine Pläne für die Eidgenossenschaft, aber man überwache ständig die Marktentwicklung, ob und wie man neue Chance ergreifen könne, meint Jensen.