Dicke Post erhielten letzte Woche rund 200 Primo/Visavis-Geschäftsleiter. «Wir können uns vorstellen, dass bei Ihnen im Primo/Visavis-Kanal eine gewisse Verunsicherung besteht, zumal Sie nicht wie Rewe im Discount-Geschäft tätig sind. Vielleicht schauen Sie sich bereits nach einem leistungsstarken Partner um, der Sie in Ihrer zukünftigen Tätigkeit unterstützt.» Dies schreibt Ferdinand Hirsig, Vorsitzender der Volg-Geschäftsleitung, in einem Brief an Primo/Visavis-Geschäftsführer, die mit ihrem Standort gut zur Volg-Familie passen würden. «Wir erlauben uns, Sie in den nächsten Tagen telefonisch zu kontaktieren.»

Als Begründung führt Hirsig an: «In letzter Zeit hat sich der Markt massiv verändert, und die unterschiedlichsten Signale deuten darauf hin, dass die Bewegung im Markt - insbesondere im Markt der privaten Detaillisten - anhält oder sich gar noch beschleunigt.»

*Harte Töne bei Bon Appétit*

In der Tat herrscht Aufruhr bei den Lebensmittelhändlern, seit Alain Caparros, CEO der Bon Appétit, im April kommuniziert hat, dass er die Dorf-und Quartierläden Primo/ Visavis straffer führen will. 80 bis 90% ihrer Waren sollen sie künftig von der Bon appétit-Tochter Usego beziehen. Bis anhin deckten sie sich in der Regel nur mit 30% ihrer Waren bei Usego ein. Das allerdings rechnet sich für Bon Appétit schlecht. Denn die Kosten für die Belieferung hängen von der Liefermenge ab.

Und wie verhalten sich die betroffenen Ladenbesitzer? «Die guten Detailhändler reagieren gut, die schlechten schlecht.» So sieht es jedenfalls Caparros. Ganz anders beurteilt manch kleiner Lebensmittelhändler die Hiobsbotschaft. Die Unabhängigen wollen sich nicht alles vorschreiben lassen. Die Margen sind zwar klein, aber die vermeintliche Selbstständigkeit hindert viele selbstständige Detaillisten am Aufgeben. Viele kämpfen ums Überleben. Allein im letzten Jahr haben 120 Primo/Visavis-Läden dichtgemacht.

Der Umsatz dieses Kanals sinkt seit Jahren: 2000 betrug er noch 1,35 Mrd Fr., letztes Jahr ist er auf 1,25 Mrd Fr. abgesackt (siehe Tabelle). Keine andere Lebensmittelkette in der Schweiz entwickelt sich derart negativ.

*Gute Aussichten für Volg*

Volg dagegen ist auf Erfolgskurs und erzielte letztes Jahr 3% mehr Umsatz auf praktisch unveränderter Verkaufsfläche. Damit konnte Volg erneut Marktanteile gewinnen. Volg steigerte den Umsatz in den letzten vier Jahren um rund 10% und verkleinerte im selben Zeitraum die Verkaufsfläche um 3%. Die Volg-Läden sind gut verankert in ländlichen Gegenden. Und im Gegensatz zu Usego liefert Volg auch frisches Gemüse und Obst an ihre Detaillisten.

Im Kampf um private Detailhändler mischt auch Spar mit. Stefan Leuthold, Präsident und Mitbesitzer von Spar, will im Franchise-Kanal in den nächsten Jahren stark wachsen und neue Franchisenehmer finden. Geplant sind

sechs Spar-Eröffnungen in diesem Jahr. Leutholds Wachstumsstrategie führte zum Bruch mit Spar-Geschäftsführer Gerold Boliger, der auf qualitatives Wachstum setzte und weniger Filialen eröffnen wollte. Boliger hat deshalb vor gut zwei Wochen das Unternehmen verlassen. Sein Vertrag läuft aber erst Ende September aus. Um ein positives Signal an die Franchisenehmer zu setzen, hat Leuthold letzte Woche mit seiner Geschäftsleitung entschieden, dass er in Zukunft diesen Bereich direkt leiten wird. «Wenn der Besitzer diesen Bereich führt, zeigt er, wie wichtig ihm die Partner sind.»

Dieses Zeichen zu setzen, war wichtig. Denn es herrscht über den abrupten Abgang von Boliger Unsicherheit bei den Franchisenehmern. Spar-Partner haben deshalb bei Denner angeklopft. Sie möchten zum erfolgreichen Discounter wechseln, wie Markus Frankhauser, stellvertretender Geschäftsführer der Denner-Satelliten, erklärt. Auch Primo/VisavisBetreiber bewerben sich bei Denner. Allerdings sind die Verkaufsflächen der Visavis-Läden für einen Denner-Satelliten zu klein. Vor allem unabhängige Detaillisten mit ausländischem Pass bewerben sich als Betreiber eines Denner-Satelliten.

Tatsächlich forciert Denner die Satelliten-Strategie. Denn sie ergänzt das Discount-Filialnetz vorab in ländlichen Gebieten. Seit April werden diese Satelliten einem umfassenden Facelifting unterzogen. Dieser Prozess soll bei sämtlichen 268 Satelliten bis Ende nächsten Jahres abgeschlossen sein. Zusätzlich will Denner bis 2006 rund 30 neue Satelliten eröffnen.

*Nur eine Kette wird siegen *

Nachdem Coop keine privaten Detailhändler mehr beliefert und auch Migros die Belieferung von kleinen Dorf-und Quartierläden schmalspurig fährt, entwickelt sich diese Nische zum Kampfplatz für die kleineren Ketten. Dabei zeichnet sich ab, dass es im Schweizer Detailhandel neben Migros, Coop und den Discountern nur noch für eine Kette Platz hat, welche die kleinflächigen Läden imDorf und im Quartier bedienen wird.

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