Die grösste Bank Deutschlands steckt in der Krise. Die Anleger verlieren zunehmend das Vertrauen in die Deutsche Bank. Die Aktie des Kreditinstituts ist seit Jahresbeginn heftig eingebrochen.

Seit der Finanzkrise kämpft die Deutsche Bank darum, endlich wieder in sicheres Fahrwasser zu gelangen. Sie hat kräftig umgebaut, gespart, Top-Manager ausgetauscht und immer wieder Milliarden am Kapitalmarkt besorgt. Immer wieder hat das grosse Kreditinstitut betont, dass nun endlich das Schlimmste vorbei sei. Doch stets ging es dann noch weiter abwärts.

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Fast ein Viertel an Wert verloren

In den vergangenen Tagen hat sich die Lage für die Deutsche Bank noch einmal zugespitzt. Seit Mitte September haben Aktien des deutschen Branchenprimus fast ein Viertel an Wert verloren und sind auf einen historischen Tiefststand gesackt. Selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise waren die Papiere mehr wert.

Inzwischen stellen selbst Grossinvestoren hinter vorgehaltener Hand die Frage, wo die Deutsche Bank künftig ihren Platz haben wird. Die Zeiten der Deutschland AG sind längst vorbei, als das Institut an allen wichtigen deutschen Konzernen beteiligt war. Auch das teuer zugekaufte Investmentbanking lohnt sich seit der Finanzkrise immer weniger.

Spekulationen über mögliche Rettungspläne der Politik für das krisengeschüttelte Geldinstitut oder eine bevorstehende Kapitalerhöhung schiessen seit Tagen ins Kraut. Deutsche-Bank-Chef John Cryan betont, er brauche beides nicht. Über die Probleme von Deutschlands größtem Geldhaus - und wie der Staat eventuell doch helfen könnte:

Welche Probleme hat die Deutsche Bank?

Jahrelang hat sich die Deutsche Bank zu den globalen Spitzeninstituten gezählt und im internationalen Investmentbanking kräftig mitgemischt. Seit der Finanzkrise ist hier nicht mehr soviel Geld zu holen, vor allem wegen der verschärften Regulierung. Kritiker sagen, die Deutsche Bank habe das viel zu spät erkannt, sie hätte viel früher umsteuern müssen.

Jetzt bindet die Sanierung sehr viele Ressourcen, das Institut ist quasi nur noch mit sich selbst beschäftigt. Das führt dazu, dass die Deutsche Bank im Kerngeschäft Marktanteile verliert. Viele Investmentbanker sind zur Konkurrenz gegangen, Top-Posten waren lange vakant.

Die ausgerufene Schrumpfkur fällt im aktuellen Umfeld ohnehin schwer: die Niedrigzinsen fressen sich tief in die Bilanz, die Kreditnachfrage ist mau. Für Geld, das die Bank bei der Europäischen Zentralbank parkt, weil sie es nicht gewinnbringend anlegen kann, muss sie Strafzinsen bezahlen. Die immer strengere Regulierung kostet zusätzlich. Dazu hat Cryan die «lausige» IT als einen der grossen Hemmschuhe in der Bank ausgemacht.

Das grösste Ungemach droht der Bank aber von den vielen Rechtsstreitigkeiten. Die Milliarden-Strafen, die hier in vielen Fällen drohen, könnten die Reserven schnell aufzehren.

Welche Kapitaldecke hat das Institut?

Mit ihrer harten Kernkapitalquote von 10,8 Prozent (Ende Juni) liegt die Deutsche Bank zwar über den Mindestanforderungen der Regulierer (unter Basel III müssen Banken sieben Prozent der Risikopositionen durch Eigenkapital abdecken, systemrelevante Institute wie die Deutsche Bank bis zu 9,5 Prozent). Doch am Kapitalmarkt gelten schon Quoten unter zehn Prozent als indiskutabel. Im Vergleich zu vielen internationalen Konkurrenten hinkt das Institut zudem hinterher: Die Credit Suisse kommt auf 11,8 Prozent, die UBS auf 14,2 Prozent, die US-Bank JP Morgan auf 11,9 Prozent.

Beim jüngsten Stresstest der europäischen Branchenaufseher belegte die Deutsche Bank unter den 51 geprüften Häusern Platz 42. Ihre harte Kernkapitalquote im Stress-Szenario von 7,8 Prozent lag deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 9,2 Prozent - sie wurde von den Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten nach unten geprügelt.

Zum Ende des Jahres will die Deutsche Bank auf eine harte Kernkapitalquote von rund elf Prozent kommen. Aus eigener Kraft will sie das Polster bis Ende 2018 auf 12,5 Prozent verstärken. Dazu sollen noch mehr Risikopositionen abgebaut werden.

Wo lauern die grössten Risiken?

Das grösste Risiko bergen mögliche Rekordstrafen, etwa wegen Tricksereien auf dem amerikanischen Immobilienmarkt vor der Finanzkrise. Das US-Justizministerium hat in dieser Affäre als erste Hausnummer eine Strafe von 14 Milliarden Dollar (rund 13,6 Milliarden Franken) aufgerufen. Die Deutsche Bank will diese Summe - nach dem Vorbild anderer Grossbanken - noch deutlich drücken, aber der Ausgang ist völlig offen. Fakt ist: Müsste die volle Summe gezahlt werden, würde die harte Kernkapitalquote auf einen Schlag in den einstelligen Prozentbereich absacken.

Der Hypothekenstreit ist indes nur einer von hunderten Streitfällen. Zu den grössten Altlasten gehören auch Geldwäsche-Vorwürfe in Russland, Verstösse gegen US-Sanktionen bei Iran-Geschäften sowie Manipulation auf dem Devisenmarkt. Insgesamt hatte das Geldhaus zuletzt 5,5 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten beiseite gelegt, weitere 1,7 Milliarden Euro für weniger wahrscheinliche Strafen.

Wie könnte die Bank ihre Kaptaldecke aufpolstern?

Vorzugsweise will sie das über den weiteren Abbau von Risiken tun, das hat Cryan immer wieder betont. Denn je weniger Risiken in der Bilanz stecken, desto weniger Eigenkapital muss die Bank vorhalten. Am schnellsten ginge der Risiko-Abbau, indem riskante Wertpapiere einfach verkauft werden. Aber nicht immer findet man schnell einen Käufer.

Auch der Verkauf der Postbank soll auf der Kapitalseite Entlastung bringen - hier ist das Unterfangen ungleich schwieriger. Denn bislang haben sich Finanzkreisen zufolge nur Schnäppchenjäger bei der Bank gemeldet. Und die Alternative Börsengang verspricht im Moment auch keine allzu rosigen Aussichten.

Analysten bringen immer wieder eine weitere grosse Kapitalerhöhung ins Spiel, die letzte gab es unter Cryans Vorgänger Anshu Jain. Aber viele seiner Versprechen von damals haben sich nie erfüllt, zum Beispiel, dass die Deutsche Bank wieder in der Weltspitze mitmischt. Die grossen Investoren sind ernüchtert und wollen ihr Geld nicht noch einmal für Altlasten hergeben. Cryan betont, die Frage einer Kapitalerhöhung stelle sich derzeit nicht. Angesichts des Aktienkurses, der einen Tiefstand nach dem anderen markiert, wäre das ohnehin schwierig. Die gesamte Deutsche Bank ist an der Börse noch rund 15 Milliarden Euro wert - ein Schatten ihrer selbst. JP Morgan kommt auf über 240 Milliarden Dollar.

Die Deutsche Bank könnte auch andere Unternehmensteile verkaufen, um an Geld zu kommen. Die Vermögensverwaltung etwa liesse sich recht leicht versilbern. Sie bindet aber kaum Kapital und liefert vergleichsweise stabile Erträge, die dann weg wären. Cryan hat einen Verkauf auch vom Tisch gewischt.

Wie könnte der Staat der Bank unter die Arme greifen?

Die Regierung kann grundsätzlich bei einer gesunden Bank im Rahmen einer Kapitalerhöhung einsteigen - eine Rettungsaktion im engeren Sinne wäre das jedoch nicht. Die Bedingung dafür wäre, dass auch private Investoren dabei sind und sich der Staat den Anteil zu marktüblichen Konditionen besorgt. Überprüfen würde das die EU-Kommission nach den beihilferechtlichen Regeln.

Möglich wäre auch eine «vorsorgliche Rekapitalisierung» durch den Staat, um eine drohende - aber nicht wahrscheinliche - Schieflage eines Instituts abzuwenden. Geregelt ist das in Artikel 18 der einschlägigen SRM-Verordung der EU. Massstab wäre, dass die Bank zwar in einem Stresstest die Kapitalvorschriften der Bankenaufsicht erfüllt, in einem negativen Stresstest-Szenario aber zusätzlicher Kapitalbedarf erkennbar würde.

Unter dieser Bedingungen wäre Hilfe also möglich. Diese dürfte aber nicht der Abdeckung alter Verluste dienen. Eine entscheidende Rolle spielt die Bankenaufsicht - im Falle von Grossbanken die EZB. Zudem müsste die EU-Kommission beihilferechtlich grünes Licht geben.

Stünde eine Bank tatsächlich vor der Pleite, käme dagegen der seit diesem Jahr in der EU greifende «einheitliche Abwicklungsmechanismus» (SRM) in Gang. Dieser sieht vor, dass der Kapitalbedarf ganz überwiegend von den Anteilseignern und Gläubigern gedeckt würde und nicht von den Steuerzahlern. Dafür, dass diese in jedem Falle außen vor blieben, gibt es jedoch keine allerletzte Gewissheit. Dies gelte insbesondere bei «gravierenden systemischen Krisen», merkt die Bundesbank an.

(reuters/sda/ccr)