Trotz düsteren Konjunkturaussichten kann er mit gutem Gewissen in Rente gehen. Jim Singh weiss, dass die Geschäfte auch nach seinem Abgang bestens laufen werden. Den abtretenden Finanzchef von Nestlé beruhigt vor allem das Milliardengeschäft mit dem Heimtierfutter. An seiner letzten Investorenkonferenz geriet Singh ins Schwärmen, als er von der zuständigen Konzernsparte Purina erzählte. «Wir sind die klare Nummer eins bei der Trockennahrung für Hunde und Katzen und bei der Feuchtnahrung für Katzen», freute sich Singh.

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Der Lebensmittelgigant aus Vevey operiert im Schönsten aller Märkte. Das florierende Geschäft mit der Verpflegung der Vierbeiner kennt hohe Margen, aber keine Krisen. Selbst mitten in den globalen Finanzturbulenzen gilt der Heimtierfuttermarkt als beinahe immun gegen negative Einflüsse. Weltweit geben Menschen dafür jährlich rund 70 Milliarden Franken aus – Tendenz kräftig steigend.

Auch in den Krisenjahren 2008 und 2009 setzten sich die steilen Wachstumsraten fort. Laut Marktforschern wächst die Tierliebe sogar in schlechten Zeiten. Um sich vor der emotionalen Kälte in der rauen Welt der Wirtschaft zu schützen, kommt der Mensch gerne mal auf den Hund. Der bleibt auch loyal, wenn überall die Verlässlichkeit schwindet. Hundehalter gelten zudem als zahlungskräftige Zielgruppe. Der obere Mittelstand mit eigenem Haus und Garten ist in der Kundschaft überproportional vertreten.

Nestlé bedient die animalische Seite seiner Kunden ziemlich erfolgreich – und schreckt dabei auch nicht vor gewöhnungsbedürftigen Methoden zurück. Neuerdings werden TV-Werbespots akustisch mit Hochfrequenztönen untermalt, wie sie eben nur feine Hundeohren hören.

Die forsche Strategie geht auf. Allein 2010 erzielte Nestlé Purina mit der Verpflegung für Vierbeiner einen Umsatz von 13,1 Milliarden Franken. Das entspricht rund 12 Prozent des gesamten Konzerngeschäftes. Mit Markenprodukten wie Beneful, Bonzo, Felix, Friskies, Gourmet, One oder Pro Plan bolzt der Konzern weltweit ein- bis zweistellige Wachstumsraten.

Monopolistische Struktur

Die Position des Weltmarktführers muss sich Nestlé allerdings mit Whiskas-Produzent Mars teilen. Beide Konzerne beziffern ihren Marktanteil beim Heimtierfutter auf je 18,3 Prozent. Dahinter folgen mit deutlichem Abstand die zwei Schwergewichte Colgate-Palmolive mit der Marke Hill’s und Procter & Gamble mit Marken wie Eukanunba und Iams. Zusammen kontrollieren die vier Giganten die Hälfte des Marktes. «Faktisch herrscht in vielen Ländern ein Monopol dieser grossen Markenhersteller », betont ein Branchenkenner.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet zwei grosse Nahrungskonzerne auch beim Heimtierfutter dominieren. Die Beschaffungs- und Herstellungsprozesse sind bei Tier- und Menschennahrung ähnlich. «Es gibt mehr Parallelen, als man denkt», erklärt etwa Jürgen B. Steinemann, «Preisvolatilität, Risikomanagement und Kundenstruktur sind vergleichbar.» Der Mann, der jetzt Chef des weltgrössten Schokoladenproduzenten Barry Callebaut ist, kennt die Szene. Früher sass er in der Konzernleitung des niederländischen Tierfuttermittelkonzerns Nutreco.

Die Tiernahrung gilt bei Nestlé als profitabler als etwa Süssigkeiten oder Fertigsuppen für Menschen. Die Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern lag 2010 bei 17 Prozent, und im 1. Halbjahr 2011 kletterte sie gar auf 20 Prozent. Sie war damit deutlich höher als die Marge von 15 Prozent für die gesamte Nestlé Group.

Nestlé und seine Mitbewerber profitieren von der Tatsache, dass der Freihandel mit tierischen Produkten in vielen Ländern eingeschränkt ist. In der Schweiz brauchen die Importeure ein Ursprungszertifikat des Herstellers. «Diese gesetzliche Bestimmung verunmöglicht faktisch Parallelimporte und erlaubt es den Produzenten, in Absprache mit Importeuren und Grossisten die Preise bequem zu kontrollieren », kritisiert Chris Plüss, Geschäftsführer der Fachmarktkette Fressnapf. Die Branche dementiert freilich solche Praktiken und verweist auf die Wettbewerbskommission (Weko), der zufolge der Wettbewerb beim Tierfutter durchaus spielt.

Tatsächlich mischen nebst den erwähnten Global Players mindestens 30 weitere Produzenten auf dem Schweizer Markt mit. Dazu gehört zum Beispiel die Fenaco. Sie hat in diesem Jahr die Biomill, eine Herstellerin von Trockenfutter für Hunde, von der Groupe Minoteries übernommen. Zudem gibt es Nischenanbieter wie etwa Lüthi & Portmann. Die Firma produziert den Hunde- und Katzensnack Chicky wauwau, aus ausgestallten Legehennen als Rohstoff. Der Verein der Eierproduzenten Gallo Circle fand so eine ethisch und wirtschaftlich vertretbare Endverwertung für Federvieh, das früher noch als Suppenhuhn im Kochtopf landete. Der Marktanteil der zahlreichen kleinen Produzenten von Heimtierfutter ist allerdings insgesamt gering.

Für Nestlé mag der Schweizer Markt nur einer von vielen sein, uninteressant ist er dennoch nicht. Er gilt als besonders profitabel. Das Volumen liegt zwischen 500 und 600 Millionen Franken. Dabei müssen die Tiere nicht etwa mit Schlachtabfällen vorlieb nehmen, sondern werden mit dem Feinsten verwöhnt. «Besonders florierte in den letzten Jahren die sogenannte Premiumnahrung, also Futter aus hochwertigen Stoffen», sagt Coop-Sprecherin Sabine Vulic.

Und es gibt wie bei Herrchen ausgeprägte Esstrends. «Die Biowelle ist noch ausgeprägter als bei den Menschen», verrät Plüss. «Real Nature» heisst so ein Bio-Menü für den Hund. Ein weiterer Wachstumsrenner ist Diätfutter, denn Fido und seine Rudelgenossen leiden immer häufiger an Übergewicht. Verantwortlich dafür sind die vielen Snacks und Hundekekse, die sich ebenfalls bestens verkaufen. Und wie für den Menschen gibt es auch für die Vierbeiner Functional Food, vom Anti-Zahnstein- Häppchen bis zum Gelenk-Aktiv-Stäbchen. Inzwischen besetzen die Regale mit Tiernahrung in den Supermärkten respektable Zonen, die mindestens so gross sind wie die Kosmetikabteilungen. Die Migros zum Beispiel führt 1000, Coop rund 500 Artikel für Hund, Katze, Nager und Vögel.

Für die Detailhändler in der Schweiz zeichnet sich nun allerdings ein Ende der goldenen Jahre ab. Die Umsätze in der Branche dürften in diesem Jahr laut Nielsen Marktforschung um 3 bis 5, im nächsten Jahr gar um 8 Prozent schrumpfen. Der Einkaufstourismus sowie der mit dem Markteintritt von Aldi und Lidl eingeläutete Preiskampf drückten auf die Umsätze, klagt Plüss. Die Margen teilten sich Hersteller und Importeure, während der Detailhandel kaum etwas verdiene.

Das alles braucht Nestlé nicht sonderlich zu kümmern. Den grossen Herstellern werden für die nächsten Jahre weiterhin steile Wachstumsraten von 6 bis 8 Prozent vorhergesagt. «Vor allem in Lateinamerika und China ist das Potenzial noch riesig», glaubt Vontobel-Analyst Jean Philippe Bertschy.

Nestlé-Finanzchef Singh sieht sich in einer glänzenden Ausgangsposition. «Die Hunde- und Katzenpopulation wächst jährlich um 2 Prozent», sagt er. Zudem sei das Portfolio mit über 20 Hauptmarken, die Nestlé in 49 Fabriken weltweit produziert, fast schon perfekt. Nestlé setzt nun beim weiteren Ausbau auf Brasilien, Mexiko, Russland, China und den restlichen asiatischen Raum. Für Singh gibt es keine Zweifel: «Pet Care ist ein grossartiges Geschäft mit einer grossartigen Zukunft.»

 

Schweizer Markt: 800 Millionen für die Haustiere

Marktvolumen
In der Schweiz leben insgesamt 1,5 Millionen Katzen und 450000 Hunde. Statt wie früher Mäuse zu fangen und herumstreunend Abfälle zu suchen, lassen sich die Pets heutzutage bedienen. 80 bis 90 Prozent der Hunde und Katzen kriegen industrielles Fertigfutter. Rund 800 Millionen Franken gaben Herr und Frau Schweizer 2010 für die Haustiere aus, davon zwei Drittel für deren Fütterung.

Detail- und Fachhandel
Rund die Hälfte des für die Heimtiere ausgegebenen Geldes landet bei den Detailhändlern (Migros, Coop, Denner, Aldi, Lidl), die andere Hälfte in den Fachmärkten. Grösster Anbieter ist hier die Kette Qualipet. Sie hat in den letzten zehn Jahren ihr Netz von 30 auf 80 Verkaufsstellen fast verdreifacht. Im letzten Jahr wurde in einem Joint Venture mit Ringier ein E-Shop lanciert. Fressnapf als zweitgrösste Kette unterhält 38 Filialen in der Schweiz.