Lange Jahre war der Heimatmarkt das hässliche Entlein der Schweizer Grossbanken. Während sich die Top-Banker lieber mit Wall-Street-Grössen und superreichen asiatischen Kunden schmückten, behandelten sie den heimischen Markt fast schon stiefmütterlich. Doch nach der Finanzkrise ist aus dem einst vernachlässigten und belächelten Geschäft mit Kleinsparern und Mittelständlern ein stolzer Schwan gereift. Daraus will Credit-Suisse-Konzernchef Tidjane Thiam mit einem milliardenschweren Börsengang des Schweizer Geschäfts im kommenden Jahr Kapital schlagen. Die Vorbereitungsarbeiten für die grösste Aktienemission im Land seit mindestens zehn Jahren gehen jetzt in die heisse Phase.

Thiam will das Investmentbanking bei der zweitgrössten Schweizer Bank zurückfahren und stärker auf stabile Bereiche setzen. Dazu gehört das Schweizer Geschäft, dem der Ivorer als selbstständige Einheit mehr zutraut. Also beschaffte sich die Credit Suisse (Schweiz) AG eine Lizenz, übernahm 1,4 Millionen Kunden von der Muttergesellschaft und ging am Montag an den Start. «Der Aufbau der Rechtseinheit ist eine Voraussetzung für den Börsengang», erklärt Projektleiter Frank Schubert.

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Den Kurs des Mutterhauses in die Höhe treiben

Wenn das Marktumfeld der Credit Suisse nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht, dürfte die Gesellschaft in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres gelistet werden. Thiam will mit der Transaktion den Kurs des Mutterhauses in die Höhe treiben, indem das Schweizer Geschäft von der Börse separat bewertet wird. Für viele Experten steht aber etwas ganz anderes im Vordergrund. Die Credit Suisse kann mit den frischen Mitteln die Bilanz aufpolstern ohne den Anlegern dabei schon wieder eine Kapitalerhöhung zuzumuten.

Der Effekt ist praktisch der gleiche. Credit Suisse will sich mit dem Teil-Börsengang weitere 2 bis 4 Milliarden Franken holen. Die Schätzungen für den Wert des gesamten Schweizer Geschäfts reichen von 12 bis 20 Milliarden Franken. Den ganze Konzern taxiert die Börse zur Zeit lediglich mit knapp 30 Milliarden Franken.

Investmentbanken reissen sich um Börsengang

Wer sich über die Zahlen beugt, versteht wieso. Fast 60 Prozent des Konzern-Vorsteuergewinns erwirtschaftete in den ersten neun Monaten 2016 die Division Swiss Universal Bank, die in weiten Teilen der neuen Rechtseinheit entspricht. Das Investmentbanking und das Geschäft mit reichen Privatkunden verblassen im Vergleich. «Ich verstehe die Begeisterung für dieses Geschäft», erklärt Jupiter-Fondsmanager Guy de Blonay und verweist auf die hohe Profitabilität und Stabilität.

Auch Rivale UBS verdient im Schweizer Privat- und Firmenkundengeschäft prächtig, während etwa die Deutsche Bank weiterhin vor allem vom Investmentbanking lebt. «Die Schweiz ist ein reiches Land», erklärte ein hochrangiger Banker den Unterschied. Der durchschnittliche Erwachsene hat hierzulande ein Vermögen von deutlich über einer halben Million Franken.

Schärfere Vorgaben veränderten die Verhältnisse

Im Überschwang des Booms wurde das lange ignoriert. Vor der Finanzkrise wollten auch Credit Suisse und UBS im Investmentbanking ein grosses Rad drehen, für die armen Verwandten im Massengeschäft schämte sich die Teppich-Etage am Paradeplatz fast. Mit den schärferen Vorgaben der Regulatoren hat sich das grundlegend geändert.

Weltweit sind Institute wie die skandinavischen Banken mit ihren berechenbaren Geschäftsmodellen zu Börsenlieblingen avanciert. Investmentbanker gehen denn auch davon aus, dass die Credit Suisse ihre Schweizer Tochter bei den Anlegern genauso positionieren wird: Wenig Risiko, wenig Wachstum, aber eine hohe Ausschüttung. «Das ist eine Dividenden-Story», sagt ein Investmentbanker.

Nicht auszuschliessen ist auch, dass das IPO bei der Credit Suisse weitere Kapitalmarktransaktionen nach sich ziehen könnte. Mit der von den Regulatoren geforderten Abkopplung der für die Schweiz systemrelevanten Teile entfällt auch eine Hürde für eine Übernahme der Grossbank. «Die Abtrennung könnte Spekulationen beflügeln, ob es nicht einen besseren Eigner für das Mutterhaus gibt», erklärt EFG International-Fondsmanager Urs Beck. «Das könnte gerade für ein amerikanisches Haus einen Gedanken wert sein.»

(reuters/ccr)