Die Freitag-Brüder: «Hipness war nie unser Ziel»

Woran erkennen Sie Schweizerinnen und Schweizer im Ausland? Daniel Freitag (DF): Am ehesten an ihren On-Turnschuhen. Aus eigener Erfahrung möchten wir die Ausland-Swissness so ergänzen: AHV-Teenager tragen On-Turnschuhe; die Generation Prä-AHV kreuzt mit Freitag-Tasche auf. Einverstanden? DF: Nur teilweise. Freitag ist in einzelnen Auslandmärkten wie etwa Italien sehr stark verankert. Da ist es gut möglich, dass unsere Marke von Einheimischen getragen wird. Wer ist die typische Freitag-Trägerin? DF: Die klassische Zielgruppenbeschreibung, etwa nach Alter, Bildung oder Herkunft, greift bei Freitag nicht. Was unsere Kundinnen und Kunden eher verbindet, ist der gemeinsame Mindset: offen, neugierig, stärker interessiert an Nachhaltigkeit und alltagstauglicher Funktionalität als an einem internationalen Mode-Label. Und finanziell so gut ausgestattet, um 250 Franken und mehr für eine ausgepowerte LKW-Blache zu bezahlen? DF: So teuer ist das gar nicht. Wenn man diesen Betrag auf die jahrelange Nutzungsdauer umlegt, sind Freitag-Taschen schon fast ein Schnäppchen. Nächstes Jahr wird Ihre Firma dreissig Jahre alt. Sind seit dem letzten Jahrtausend neue Kunden hinzugekommen? Oder ist Freitag eine taschengewordene Zeitkapsel, die bei ihren Trägern den Spirit der 1990er Jahre wachhält? DF: Das ist je nach Markt unterschiedlich. In wichtigen Freitag-Absatzmärkten wie Südkorea, Japan und Thailand sind die Kundinnen und Kunden wohl jünger als hier in der Schweiz. Markus Freitag (MF): Über alle Produkte hinweg gerechnet sind unsere Kundinnen und Kunden bestimmt auf der jüngeren Seite. Also Menschen, die 1993 – falls sie dann schon auf der Welt waren – noch nichts wussten von Freitag. Das sehen wir auch in Zürich, unserem ältesten Markt: Unsere Marke wird zunehmend wieder von jungen Menschen getragen. Was wir von den Kids hören: Sie mögen Freitag, kaufen aber vorwiegend Ihre kleinen und günstigeren Modelle. Uhren und Sonnenbrillen wurden über die Jahre immer grösser – warum sind jetzt die kleineren Freitag-Taschen wieder beliebter? DF: Auf der einen Seite mag das stimmen. Aber auf der anderen Seite wurden viele Tascheninhalte über die Jahre winziger. Kleinere Smartphones, keine iPods mehr, Airpods statt Kopfhörer … Oder sind den Kids die grossen Taschen zu teuer? DF: Wir denken, dass es eher mit der kleineren Menge an Sachen zu tun hat, welche junge Leute heute mit sich herumtragen. Wie kann man als Unternehmen dreissig Jahre lange hip und relevant für die Zielgruppe bleiben? DF: Hipness war nie unser Ziel. Die Relevanz kann man beeinflussen, aber nicht erzwingen. Wir machten keine teuren Imagekampagnen, sondern liessen immer unsere Produkte für sich sprechen, sie sind unsere beste Werbung. Es gab vor zehn Jahren eine Phase, in der die Jungen Rucksäcke getragen haben, die sie an ihre Grosseltern erinnerten … … Nicht gut für Freitag … DF: … da konnten wir mit unseren farbigen Produkten tatsächlich weniger punkten. Jetzt sind die neunziger Jahre wieder angesagt, und das hilft uns. Das ist der Zeitgeist, und den kann man nicht beeinflussen. Aber man kann die Aspekte der eigenen Geschichte herausstellen. Und aktuell sind es nicht nur die Neunziger, die im Aufwind sind, sondern eben auch ein steigendes Interesse an nachhaltig produzierten Gütern. Laufen die Trend-Zyklen in allen Märkten gleich? DF: Wir haben nie gross studiert, wie wir unsere Marke weltweit aufbauen, ausrollen und Jahrzehnte lang am Leben halten sollen. In unseren dreissig Jahren hatten wir immer auch das Glück, dass wir in gewissen Ländern und Kontinenten just dann angesagt waren, wenn es anderswo mal nicht mehr so gut lief. Hochhalten der Trend-Halbwertszeit per geografischer Diversifikation? DF: Da hat uns teilweise sicher auch der Zufall geholfen. Freitag: Die Taschen-Saga 1993 gründeten die Brüder Daniel und Markus Freitag in ihrer Zürcher Wohngemeinschaft ihr Unternehmen, das es seither mit Taschen aus ehemaligen Lastwagen-Planen zum Accessoire-Klassiker mit grosser Bekanntheit gebracht hat. Heute hat ihr Unternehmen Sitz in Zürich-Oerlikon und beschäftigt 250 Angestellte. Die Freitag lab AG verkauft jährlich rund 400’000 Taschen und Accessoires. Wichtigste Absatzmärkte sind Südkorea, die Schweiz, Deutschland, China und Japan. Freitag erzielt seine Umsätze zu je einem Drittel über seinen Webshop, via Wiederverkäufer und über die 29 stationären Freitag-Stores. Umsätze gibt das Unternehmen nicht bekannt; Schätzungen belaufen sich auf ein Verkaufstotal von 30 Millionen Franken. VR-Präsident von Freitag ist seit Frühling 2021 der vormalige Brack.ch-CEO Markus Mahler, der auch Präsident von Mobility ist. Die beiden ausgebildeten Designer Daniel und Markus Freitag, heute 51 und 52 Jahre alt, besitzen Freitag je zur Hälfte und haben ein gegenseitiges Vorverkaufsrecht eingerichtet. Für den Fall, dass es einmal zu grösseren Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen kommen sollte, setzen die beiden Brüder auf einen treuhänderischen Schlichter, der zwei Stimmrechtsaktien hält. Wie weit lässt sich die Marke Freitag dehnen? MF: Diese Frage treibt uns derzeit tatsächlich um. Sind F-Sonnenbrillen, F-Parfum oder F-Manschettenknöpfe denkbar? MF: Das ist nicht ausgeschlossen. Aber uns geht es letztlich nicht um die Produktkategorie, sondern um die Idee dahinter. Wie meinen Sie das? MF: Vor zwanzig Jahren hatten wir ein Konzept für eine Freitag-Sonnenbrille. Uns fielen beim Rausschneiden der Autogurten für unsere Taschen die oft formschönen Autorückspiegel auf. In diesen Rückspiegeln steckt viel von der DNA der jeweiligen Automarke. Also überlegten wir uns, Brillen in Form von Autorückspiegeln zu lancieren. Aber die Verarbeitung von rezykliertem Autoblech zum Sonnenbrillen-Gestänge stellte sich dann als zu schwierig heraus. Wie offen ist Freitag beim angestrebten Marken-Stretch für die Zusammenarbeit mit externen Firmen und Ideengebern? MF: Da sind wir sogar sehr offen. Wichtig ist einfach, dass bei jedem zusätzlichen Produkt oder Service immer auch der Kreislaufgedanke im Zentrum steht. 2014 lancierte Freitag unter dem Label F-abric kompostierbare Kleider. Anders als Ihre Taschen sehen wir solche T-Shirts oder Hosen nie im Strassenbild. MF: Im Gegensatz zu den bunten Taschenunikaten erkennt man unsere Kleider mit ihrem zurückhaltenden Branding auch nicht von weitem. Aber Sie sehen F-abric heute an uns! Das zeugt von unternehmerischer Firmentreue. Aber noch nicht von durchschlagendem Markterfolg. DF: Um beim Kompost-Bild zu bleiben: F-abric ist ein zartes Pflänzchen. Aus der der Botanik weiss man, dass sich zarte Pflänzchen in zehn Jahren zu stärkeren Gewächsen entwickeln. DF: Der Freitag-Urgedanke, Materialkreisläufe vorzuleben, funktioniert auch bei Kleidern. Diesen Proof of Concept haben wir uns, aber auch der ganzen Textilindustrie erbracht. Wirtschaftlich aber wäre in diesem Bereich wohl ein Umtopfen angesagt. Zum Beispiel, indem das Pflänzchen in eine eigenständige Entity überführt wird.Was bedeutet das genau? DF: Geplant ist eine Ausgründung von F-abric. Wir überlegen uns, die Idee in die Form des Verantwortungseigentums zu giessen. Eine Unternehmensform, in der vor allem Sinn, Zweck und Zielsetzung zählen, der sogenannte Purpose. Dazu sind wir aktuell auf der Suche nach Wachstumsfinanzierung. Damit diese Pionierleistung der vollständig biologisch abbaubaren Kleidung einen neuen Wachstumsort findet. Die Idee mit den kreislauffähigen Kleidern hatten wir übrigens schon sehr viel früher als jene mit den Taschen aus alten LKW-Planen, aber wir setzten sie erst nach den Taschen um. Warum wurde F-abric nicht zum Renner? DF: Wir gingen bei der Lancierung wohl von zu vielen Synergien innerhalb der Firma aus. Es ist eine Zusatzaufgabe in einem Unternehmen, das sonst schon sehr viel zu tun hat und in dem alle Prozesse auf Taschenunikate ausgerichtet sind. F-abric ist für Freitag eine grossartige Entwicklung und bildet unser Kreislaufdenken optimal ab – aber als Umsatzträger innerhalb des Unternehmens ist es langfristig zu wenig stark. Und das interne Fashion-Know-how ist wohl zu wenig gross. Um dieser Geschichte genügend Raum zu geben, wollen wir F-abric in eine eigene Firmenform überführen. Was wäre dabei noch Ihre Rolle? MF: Wir hätten dabei noch die Rolle als Gründer und Namensgeber. Mehr nicht. In dreissig Freitag-Jahren kamen neben den Taschen keine weiteren Ideen mit überwältigendem Markterfolg. Sind die Taschen gleichzeitig Ihr Glück und Ihr Elend? DF: (lacht) Man kann es so sagen: Die Taschen sind unsere Erfolgsfesseln. MF: Wir hatten auch schon andere gute Ideen, aber oftmals zur falschen Zeit. Meist zu früh. In der Regel zündet nur jede zehnte Idee, die man an den Markt bringen möchte. 1993 war Freitag Vorreiter beim Recycling- und Upcycling-Thema. Wie hart war es, über all die Jahre führend zu bleiben? MF: Unser Ziel war und ist es, innovativ dranzubleiben an dieser Thematik. Etwa in der Art, wie wir das Thema rund um das Produkt herum weiterentwickelt haben. Mit einem Verkaufslokal aus ausrangierten Schiffscontainern in Zürich-West, mit einem Reparatur-Dienst, mit einer App für den kostenlosen Taschen-Tausch als Ersatz für den Black-Friday-Irrsinn. Und übrigens seit diesem Frühling auch mit einem Dienst, über welchen die Kunden am Computer ihr eigenes Taschenunikat designen können. Nach zwölf Jahren haben wir diese Online-Mass-Customization-Möglichkeit jetzt wieder neu eingeführt. Quasi das Recycling einer guten Idee. Mittlerweile reiten viele etablierte Firmen auf der Recycling- und Upcycling-Welle. Stört Sie das? DF: Überhaupt nicht. Wenn sich die Kreisläufe der Wirtschaft verbessern sollen, müssen in dieser Angelegenheit alle Firmen zu Komplizen werden. Ich sehe das als eine Art weltweiter Teamsport. Was aber auch dazu führt, dass Freitag mit seinem Ansatz nicht mehr einzigartig ist. MF: Wenn wir mit unserem Ansatz andere inspirieren konnten: Gut für uns. Was wir aber auch sehen: Gerade Grossunternehmen sprechen oft über die Zirkulärwirtschaft. Ob sie das auch über die Kommunikationsabteilung hinaus wirklich schaffen, ist eine andere Frage. Je grösser eine Firma, desto schwieriger wird es, dies über die bestehenden Lieferketten und auf das gesamte Produktportfolio umzusetzen. Aktuell kehrt Freitag den Upcycling-Prozess um: Statt nur alte gebrauchte LKW-Planen in Taschen umzuwandeln, entwickelt das Unternehmen jetzt Planen, die zuerst auf LKW mitfahren – um danach zu Taschen zu werden. Führt Freitag damit nicht den eigenen Recycling-Mythos ad absurdum? DF: Nein, das tun wir nicht. Zunächst einmal gibt es einen wirtschaftlichen Grund: Wir könnten jährlich wohl 400’000 weitere Taschen verkaufen, in Farben, die wir heute so nicht finden auf der Strasse. Und wir können damit endlich unseren eigenen Materialkreislauf schliessen. Dass wir unseren Kundinnen und Kunden keine bessere Lösung anbieten können, als unser Produkt nach einem langen Taschenleben im Hausmüll zu entsorgen, ist uns schon seit langem ein Dorn im Auge. Gibt es einen Farben-Notstand bei Freitag? DF: Bei gewissen Farben ist das so. Zum Beispiel erhielten wir vor drei Jahren erstmals eine grosse Ladung pinkfarbene Planen. Danach suchten wir in all den Jahren zuvor vergeblich. Aber die Farben-Varietät ist nicht der einzige Grund für unser neues Vorhaben. Frühes Eingreifen in der Lieferkette ist nun mal der Schlüssel für eine langfristige Planung und die Steigerung der eigenen Kreislauffähigkeit. MF: Dazu könnte ich einen Witz beisteuern. Bitte sehr. MF: Was macht man eigentlich aus einer ausgedienten Freitag-Tasche? Was? MF: Einen Lastwagen. Ein Corporate-Joke – köstlich. Jetzt baut Freitag den Lastwagen so, damit er sich später zur Tasche verwandeln kann? DF: Wir bauen nicht den Lastwagen, sondern sorgen zusammen mit der Branche dafür, dass schon zu Beginn das richtige Material ins Spiel kommt. So setzt die Zirkulärwirtschaft gleich am Anfang ein. Heute noch bestehen die Planen aus zwei Kunststoffen, Polyestergewebe und Beschichtung. Einfacher wird es zum Beispiel, wenn die Planen einmal nur noch aus einem Kunststoff bestehen. Geht so nicht der Charme von Freitag verloren? Bisher wurden Ihnen irgendwelche Planen angeliefert – und jede Tasche wurde so zum Unikat. Wenn das planbar wird, fehlt dieser Clou. MF: Stimmt so nicht. Es werden weiterhin Unikate sein, und auch die Bedruckung der Planen wird nicht von uns gesteuert. Mit dem neuen Modell wird es aber möglich, dass eine ausgediente Freitag-Tasche wieder zur Plane werden kann. Fast so wie in Ihrem Witz. MF: In gewissem Sinne ja. Aber nur bezogen auf unseren Rohmaterial-Mix. Einfach gesagt wollen wir bis in zehn Jahren vollkommen kreislauffähiges Material erhalten – und nicht nur per Taschenproduktion lebensverlängernde Massnahmen für alte Planen pflegen. Man muss auch mal sehen: Die Technologie für die Planen, die heute verwendet werden, stammt aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Da ist es Zeit, zusammen mit den Akteuren dieser Wertschöpfungskette – von der Chemiebranche, die das Granulat herstellt, und dem Planenproduzenten über den Konfektionär bis zum Fahrzeugbauer und Spediteur sind das insgesamt fünf Stationen – eine neue, zukunftsfähige Planen-Generation aufzusetzen. Wie lange müssen solche Planen on the road sein, bis sie Freitag-würdig werden? MF: Nach drei bis fünf Jahren sieht es für uns schon mal recht gut aus, es kann aber auch zehn Jahre dauern. Freitag ist stark in asiatischen Ländern wie Thailand und Japan vertreten. Warum hat es in den USA nicht geklappt? Immerhin ehrt sogar das Museum of Modern Art Moma in New York Ihre Tasche. DF: Lastwagenblachen sind dort nicht so bekannt wie in Europa. In den USA wird das Strassenbild von Aluminium-Trucks geprägt. Bei unserem US-Markteintritt setzten wir zunächst auf Studierende, mussten aber feststellen, dass ein Student in New York andere Probleme hat, als 300 Franken für eine Tasche zu zahlen. Wir hätten Freitag dort anders positionieren müssen. Wir hätten mehr auf Nachhaltigkeit setzen können. Wir haben die lokalen Mechanismen in den USA wohl etwas unterschätzt. Wie tastet sich Freitag an neue Märkte heran? MF: Unser klassisches Markteintrittszenario funktioniert so: Wir haben einen Webshop, über welchen Kundinnen und Kunden aus der ganzen Welt bestellen können. Wenn das gut läuft, arbeiten wir mit Wiederverkäufern vor Ort zusammen. Erst wenn wir spüren, dass auch das funktioniert, gehen wir mit einem unserer Monobrand-Stores rein. Gibt es dieses Szenario auch für die USA? DF: Eher als die Ostküste würde wohl der Mindset der US-Westküste zu uns passen. Davon konnten wir uns bei einem Roadtrip vor der Pandemie selber überzeugen. Aber Amerika muss nicht unbedingt sein. Uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn wir das nicht schaffen. Amerika muss nicht sein. Als Unternehmer muss man auch aufpassen, sich nicht zu verzetteln. In dieser Hinsicht, denke ich, dürfen wir ein wenig stolz auf unsere Kontinuität sein. Welche Rolle spielen die Freitags heute noch bei Freitag? MF: Im Tagesgeschäft sind wir schon länger nicht mehr operativ tätig. Seit Anfang 2022 haben wir uns dann zusätzlich quasi auch in die zweite Reihe des Verwaltungsrates zurückgezogen. DF: Vom Boot geflohen sind wie deshalb aber nicht. Wir kennen noch alle Mitarbeitenden beim Namen. Wenn bei uns neue Leute anfangen, dann gehen Markus und ich mit ihnen zum Zmittag. Oder auf einen Spaziergang, die Zürcher Rosengartenstrasse hoch bis zum Bahnhof Oerlikon. Das ist unser Onboarding. MF: Unsere Rolle ist diejenige der Markenhüter und Markenwächter. Auf welchen zusätzlichen Produkten soll die Marke Freitag künftig stehen, was passt zu uns? Solche Aspekte der Markenvergabe entscheiden und konzipieren wir beide zusammen, hier bringen wir uns ein. Wir planen das Freitag von übermorgen. Wer ist eigentlich der operative Chef bei Freitag? Oder die Chefin? DF: Einen Chef oder eine Chefin im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Bei uns herrscht, wenn schon, eine Hierarchie der Kompetenz. Seit 2016 wird das Unternehmen holokratisch geführt. Einach gesagt: Bei Freitag entscheiden jene Leute, die am meisten vom Thema verstehen. Das ergibt bessere Lösungen, als wenn jemand nur deshalb auf den Tisch klopfen darf, weil er den richtigen Titel auf seiner Visitenkarte stehen hat. MF: Nehmen wir das Beispiel USA: Sollte eine verantwortliche Person diesen Markt für relevant erklären, wird sie die dafür kompetentesten Leute an einen Tisch bringen. Dazu gehört ab einer gewissen Dimension auch der Finanzverantwortliche. Und dann wird das weitere Vorgehen entschieden, oft nach dieser Frage: Könnte es das Unternehmen zurückwerfen, wenn wir das machen? Oder ist es sicher genug, diese Sache auszuprobieren? Welche Rolle werden Sie als Gründer beim Freitag von übermorgen spielen? DF: Einmal angenommen, wir hätten jetzt keine Kinder und wären schon achtzig Jahre alt. Dann würden wir wohl über eine Stiftung nachdenken. Aber wir sind jünger und haben Kinder, die – wer weiss – vielleicht auch einmal Lust auf Kreislaufwirtschaft haben. Und auch wir selber wollen mit Freitag schon noch ein paar weitere Learnings machen. Welche Learnings? DF: Das Thema Verantwortung beschäftigt uns beispielsweise. Die Ausgründung von F-abric ist auch ein Experiment dafür. Vielleicht können wir an diesem Beispiel lernen und finden es so toll, dass wir es auf unser Kerngeschäft ausdehnen, wenn es passt. Die Besitzerstruktur von Freitag ist unspekaktulär, aber wir haben eine breit abgestützte Mitarbeiterschaft. MF: Wenn F-abric ausgegründet wird, dann geben wir die Markenlizenz in neue Hände und erhalten dafür eine Lizenzzahlung. Es gibt diverse Modelle, wie man das abbilden kann. Gab es in den dreissig Jahren Übernahmeangebote für Freitag? DF: Nein. Was uns auf eine Art erstaunt. Und auf eine andere Art auch nicht. MF: Freitag ist nun mal ein ziemlich eigenwilliges Unternehmen. Wir passen kaum ins Portfolio eines anderen Unternehmens. Deshalb sind wir nicht der typische Übernahme-Kandidat. Und das ist auch gut so.