Unternehmenslenker hätten ihre Freude an ihm gehabt: Friedrich von Hayek war glühender Anhänger der selbst steuernden Organisation, eines Konzepts, dem zurzeit so viel gehuldigt wird. «Der Zentrale fehlt einfach das Wissen, um ein grosses Unternehmen mit Erfolg zu steuern», würde Hayek heute sagen, um die Flotte aus kleinen, flinken Booten dem organisatorischen Supertanker vorzuziehen.

Wo immer Hayek wirkte, hisste er die Fahne von Individualismus, Freiheit und Marktwirtschaft. Was mit Zentralstaat zu tun hatte, bekämpfte er. Ein Beispiel: Die progressive Besteuerung. Früher als alle anderen formulierte er sein tiefes Misstrauen gegen die Enteignung der Einkommen. «Sie ist verderblich, ein Irrtum, sie zerstört die Marktwirtschaft», wetterte er 1952 in einem Vortrag beim Schweizerischen Institut für Auslandsforschung. Hohe Steuern bestrafen Risikoträger, lähmen die Innovationskraft und machen so auch die Armen ärmer, lauten seine Argumente.

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Seinen Abscheu gegen den überbordenden Einfluss des Staates fasste er in dem Buch «The Road to Serfdom» («Der Weg zur Knechtschaft») zusammen. Das 1944 erschienene Werk war ein Manifest gegen den Sozialismus, zu dem er seine Aussagen in der Folgezeit weiter verfeinerte. Es gebe keine zentrale Instanz, die in der Lage sei, die Geschicke einer grossen Zahl von Menschen zu lenken. «Einen Automotor kann man konstruieren, die Gesellschaft nicht», lautet eine der bleibenden Botschaften Hayeks.

Er wandte sich gegen das in der Nachkriegszeit moderne Social Engineering. «Gegenüber der Idee, dass man den Idealstaat auf dem Reissbrett planen könne, war Hayek zutiefst misstrauisch», sagt Robert Nef vom Liberalen Institut, Zürich, über den grossen Denker.

Getrieben von Zweifeln am Siegeszug des Sozialstaates, bündelte Hayek nach dem Zweiten Weltkrieg seine Energie für die Freiheit: 1947 gründete er die Mont Pèlerin Society, einen Zusammenschluss liberaler Ökonomen, der heute Mitglieder in aller Welt hat. Der Grundgedanke ist seither gleich geblieben Freiheit und Koordination über Märkte erreichen mehr als staatliche Organisation. «Wenn wir wünschen, dass es jedermann gut gehe, werden wir unserem Ziel dadurch am nächsten kommen, dass wir allen Leuten Anreize verschaffen, so viel wie möglich zu tun, was anderen nützt, aber nicht dadurch, dass wir ihnen durch Gesetz befehlen», sagt Hayek, wie immer messerschaft argumentierend.

Sozialstaat in der Sackgasse

Schon vor Jahrzehnten ahnte der Ökonom, dass der Sozialstaat in die Sackgasse führt, aus der er heute nicht mehr heraus kommt. Denn eine Regierung stimuliert nur die allgemeine Habgier, wenn sie per Zwang umverteilt: Der Sozialstaat entfache die räuberischen Instinkte aller Gruppen, die für sich selbst immer mehr wollen.

Damit sah Hayek voraus, wie Bauern, Verbände und Lobbygruppen das Gemeinwohl beschädigen. «Politik wird zu einem Gezerre um den Einkommenskuchen. Eine anständige Regierung ist unmöglich», meint der Wissenschaftler. Diese Skepsis machte Hayek zu einem leidenschaftlichen Gegner von John Maynard Keynes, der glaubte, man könne mit Staatsverschuldung eine Rezession ausbügeln.

Hayeks Alternative heisst Wettbewerb. «Der Markt organisiert die Gesellschaft besser als jeder Politiker», beschreibt Gerd Habermann, Leiter des Unternehmer-Instituts, eines Thinktank in Berlin, eine zentrale These. Im Laufe der Jahrhunderte hätten sich sinnvolle Regeln herausgebildet, die in Sitte, Moral und Ethik einfliessen. Diese schaffen den Rahmen, dem sich die Abstimmung auf den Märkten unterwirft.

«Spontane Ordnung» gehört zu den Lieblingsideen des kosmopolitischen Gentleman aus Wien: Der Preis sendet ständig Signale aus, die zu fortlaufender Anpassung führen. Unternehmen, Kunden und Arbeitnehmer reagieren auf die Preise, spontan, ohne dass eine zentrale Instanz ihnen sagt, was zu tun ist. Die Marktteilnehmer nutzen das Wissen, das von den Preisen ausgeht, und planen danach den Einsatz ihrer Ressourcen.

Was Hayek am Marktmechanismus immer wieder faszinierte: Keiner weiss über das Ganze Bescheid und dennoch handeln alle richtig. Wenn etwa das Öl teurer wird, ist kaum ein Verbraucher über das Wie und Warum auf den Ölmärkten im Bilde. Aber das Signal «Preis steigt» allein reicht aus, um Einsparung und Suche nach Ersatz auszulösen. Deshalb sprach der Ökonom auch vom «Wettbewerb als Entdeckungsverfahren», einer Idee, für die er 1974 mit dem Nobelpreis belohnt wurde.

Der Markt ist in Hayeks Augen eine riesige Fabrik, die ständig das Wissen koordiniert und Neues erzeugt ohne dass es einen Manager gibt, der alles weiss und diesen Prozess steuert. Allein der weiter steigende Ölpreis wird dazu führen, dass der Wettbewerb um das beste Geschäft mit den Öl-Ersatztechnologien die Wasserstoffautos und rentable Solarhäuser bereitstellt.

Dass die freiheitliche Ordnung die bessere ist, diesen persönlichen Triumph durfte Hayek noch erleben. «Der Kommunismus hat die hundert Jahre noch nicht erlebt und ich bezweifle, dass er sie je erleben wird», sagte Hayek 1983 bei einem Vortrag auf Einladung der Bank Hoffmann in Zürich. Sechs Jahre später sollte er Recht bekommen.

Bereits erschienen: Adam Smith, «HandelsZeitung» Nr. 27 vom 6. Juli 2005; David Ricardo, Nr. 28 vom 13. Juli; Karl Marx, Nr. 29 vom 20. Juli; Alfred Marshall, Nr. 30 vom 27. Juli; Vilfredo Pareto, Nr. 31 vom 3. August; John Maynard Keynes, Nr. 32 vom 10. August; Joseph Alois Schumpeter, Nr. 33 vom 17. August; Ludwig Erhard, Nr. 34 vom 24. August. Lesen Sie nächste Woche den letzten Teil: Milton Friedman.

Friedrich August von Hayek - und die spontane Ordnung

Hayeks Laufbahn als Forscher zeichnet ihn als Kosmopoliten aus er nahm Professuren in Deutschland, Österreich, den USA und Grossbritannien wahr. An seinem 60. Geburtstag überreichte Hayek seinem Verleger das Manuskript seines Buches «Die Verfassung der Freiheit». 1974 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Sein Einfluss reichte bis in die Politik, wo er als geistiger Vater der Wirtschaftspolitik von Margaret Thatcher und Ronald Reagan wirkte. Im Alter von 93 Jahren starb Hayek in Freiburg im Breisgau seine Ideen leben in zahlreichen Vereinigungen wie der Mont Pèlerin Society oder der Hayek-Gesellschaft weiter.



Zitate: Das sagt Friedrich August von Hayek ...

... zur Diskussion um zu hohe Unternehmensgewinne:

«Die ganze Einstellung, grosse Gewinne unnötig und sozial unerwünscht zu finden, stammt aus der Denkweise von Leuten, die gewöhnt sind, ihre Zeit für ein festes Gehalt (...) zu verkaufen.»

... zur Rolle des Unternehmers:

«Der erfolgreiche Unternehmer wird durch die unsichtbare Hand des Marktes dazu geführt, die Annehmlichkeiten des modernen Komforts den ärmsten Familien zu ermöglichen, die er nicht einmal kennt.»

... zur Anmassung von Wissen:

«Nur Narren glauben, dass sie alles wissen, aber es gibt viele davon.»

... zur Frage, wer wen ausbeutet:

«Es ist noch nicht allgemein erkannt, dass die wirklichen Ausbeuter in unserer gegenwärtigen Gesellschaft nicht egoistische Kapitalisten oder Unternehmer sind (...), sondern Organisationen, die ihre Macht aus der Unterstützung kollektiven Handelns und dem Gefühl der Gruppenloyalität herleiten.»