Die verkauften Tonnagen lagen im 1. Quartal ganze 14% unter dem Vorjahr», erklärt Peter Studer, COO der Cham Paper Group (CPG). Diese fertigt verschiedene Spezialpapiere vor allem für industrielle Anwender. Ähnliche Aussagen sind von sämtlichen 14 Papierherstellern in der Schweiz zu hören. Die Branche wird also von der Wirtschaftskrise nicht verschont und kommt um unpopuläre Massnahmen nicht herum.

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So baut die grösste Schweizer Papierfabrik in Biberist SO, die seit einigen Monaten zur südafrikanischen Sappi gehört, dem weltweiten Leader für gestrichene Feinpapiere, gegenwärtig 48 Stellen ab. «In den vergangenen Monaten war die Auslastung zwischen 60 und 80%, und sie dürfte in den traditionell schwachen Sommermonaten auf 50% sinken», begründet Direktor Nicolas Mühlemann den Entscheid. Bei der Papierfabrik LandQart wird ab September der Lohn um 10% über alle Hierarchiestufen gekürzt. Damit hoffen die Verantwortlichen, eine drastischere Personalanpassung vermeiden zu können.

Schlechte Zeiten also, ausgerechnet in einem Jubiläumsjahr, feiert doch der Arbeitgeberverband Schweizerischer Papier-Industrieller (ASPI) sein hundertjähriges Bestehen. Die Branche will jedoch der Rezession entschlossen die Stirn bieten, umso mehr, als für sie heftige konjunkturelle Zyklen nichts Aussergewöhnliches sind.

Globalisierung in den 90er-Jahren

So hat zum Beispiel die Model Group bei der Aarepapier eine Grossinvestition eingeplant, die einen dreiwöchigen Stillstand der Papiermaschine nötig machen wird.

Die Papierfabrik Perlen will für eine neue Papiermaschine für den Zeitungsdruck rund 460 Mio Fr. investieren. Damit hätte man eine Maschine, die bezüglich Kostenstrukturen international konkurrenzfähig ist, heisst es. Zudem werde man dem einzigen Schweizer Konkurrenten im Bereich Zeitungspapiere, der Utzenstorf Papier, einen Schritt voraus sein.

Abgesehen von diesen beiden Beispielen - Firmen, die beide in Schweizer Hand sind - ist die hiesige Papierindustrie stark von der globalen Wetterlage abhängig. Zwei Drittel der Fabriken in der Schweiz befinden sich mittlerweile in ausländischer Hand. Zudem exportieren sie im Schnitt rund 70% ihres Ausstosses ins Ausland (siehe Tabelle). Umgekehrt werden zwei Drittel des inländischen Verbrauchs an Papier importiert. Diese Zahlen aus der Statistik des Verbands der Schweizerischen Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie (ZPK) verdeutlichen, wie sehr Papier zum weltweiten Geschäft geworden ist.

«Die Schweizer Hersteller haben sich dieser Entwicklung erfolgreich angepasst», betont ZPK-Direktor Max Fritz. Diese Internationalisierung setzte verstärkt Mitte der 1990er-Jahre ein, und sie ist wohl noch nicht abgeschlossen. Jüngstes Beispiel ist der Verkauf der Papierfabrik Balsthal, die im Besitz der Swiss Quality Paper in Horgen war, an die indische Saber Paper Group.

«Ohne die Integration in global tätige Konzerne und die Vernetzung mit ausländischen Absatzmärkten hätte die Schweizer Papier- und Kartonindustrie keinesfalls die Bedeutung, die sie heute noch hat», streicht Branchensprecher Frank R. Ruepp die positiven Seiten der Entwicklung heraus.

Nicht immer jedoch garantiert die Globalstrategie das Überleben einzelner Werke. So musste im letzten Herbst die Zellstofffabrik des norwegischen Konzerns Borregaard im solothurnischen Luterbach, die ehemalige Attisholz, mangels Rentabilität ihre Tore schliessen. Ob dies der letzte grössere Schritt in einem langjährigen Strukturbereinigungsprozess war, wird die Zukunft zeigen. Vieles wird davon abhängen, wie lange die Krise dauert.

Erholung ab Mitte 2010?

Auf die Frage nach dem berühmten Silberstreifen am Horizont ist Unterschiedliches zu hören.

«Wir rechnen vorderhand noch nicht mit einer Erholung des Marktes», sagt Daniel Model, VR-Präsident und CEO der Model Group, zu der die Thurpapier in Weinfelden und seit Januar 2009 auch die Aarepapier in Niedergösgen gehören. An beiden Orten wird Wellkarton produziert.

Optimistischer beurteilt die Situation Peter Studer, der bei der CPG seit Anfang Juni eine etwas bessere Nachfrage registriert. Urs Ziegler, CEO der gleichnamigen Papierfabrik in Grellingen, die unter anderem hochwertiges Kopier- und Druckpapier fertigt, rechnet mit einer Erholung frühestens im 2. Quartal 2010.

Speziell ist die Situation bei der LandQart, die zwar unter einem massiven Nachfrageeinbruch bei den grafischen Papieren leidet, beim zweiten Standbein jedoch von der Finanzmarktkrise profitiert. Sie beliefert die Schweizerische Nationalbank mit Spezialpapier für Banknoten. «Bei diesen Hochsicherheitspapieren verzeichnen wir momentan Engpässe», sag CEO Alfonso Ciotola.

Eine differenzierte Betrachtung zeigt, wie heterogen die Branche ist. Im bereits leicht durchzogenen Jahr 2008 entwickelte sich die Nachfrage nach den einzelnen Papiersorten sehr unterschiedlich.

Das «Zugpferd» waren die Hygiene- und Haushaltpapiere mit einem mengenmässigen Konsumwachstum von 5,7%. Hersteller in diesem Bereich sind Kimberly-Clark GmbH in Niederbipp, Cartaseta Friedrich & Co. in Däniken, die bereits erwähnte Papierfabrik Balsthal sowie die Papierfabrik Netstal, die vor allem auch Filter- und Spezialpapiere für Lebensmittel fabriziert. Überraschend stabil blieb auch die Nachfrage nach Zeitungspapier, während der Konsum im wichtigen Segment der grafischen Papiere rückläufig war. Die Schweizer Papierhersteller gelten als innovativ und effizient. Die Chancen der Branche sind intakt, mit qualitativ hochwertigen Spezialpapieren international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Voraussetzung ist aber, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verschlechtern. «Die unklare Situation im Bereich Energie und CO2 droht zu einem erheblichen Standortnachteil zu werden», befürchtet Mühlemann von Sappi Schweiz.

 

NACHGEFRAGT

Frank R. Ruepp, Präsident Branchenvereinigung ZPK/ASPI



«Der Strompreis ist existenziell»

Wie kann die Schweizer Papierindustrie der Krise trotzen?

Frank R. Ruepp: Wir haben diverse Standortvorteile: Ein wesentlicher Punkt ist die Flexibilität des Arbeitsmarktes und die gute Sozialpartnerschaft. In der aktuell schwierigen Zeit ist sehr wichtig, dass man Arbeitskräfte flexibel und nach ihren Stärken einsetzen und versetzen kann. Dies ist wohl in der Schweiz einfacher möglich als in unseren Nachbarländern, wo die Gewerkschaften sehr stark Einfluss nehmen.

Sie stellen die weichen Faktoren in den Vordergrund. Welche harten Standortfaktoren zählen?

Ruepp: Für unsere Branche wie auch für die anderen energieintensiven Branchen ist der Strompreis existenziell. Stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr, werden Investitionen im Ausland getätigt, Standorte werden geschlossen und die Arbeitsplätze verschwinden für immer.

Welche Rolle spielt der Rohstoff Holz noch?

Ruepp: Holzhaltige Papier wie zum Beispiel Zeitungsdruckpapier oder Magazinpapier enthalten noch Frischholz, welches entweder als Rundholz oder Sägereirestholz verarbeitet wird. Bezugsquellen sind vor allem die Schweiz aber auch der Schwarzwald. Die holzfreien Papiere wie etwa die gestrichenen Feinpapiere enthalten hingegen kein Frischholz, sondern chemisch aufbereitetes Holz, den sogenannten Zellstoff, welcher vorwiegend in Skandinavien und Kanada hergestellt wird.

Welche Innovationen hat die Branche in der Pipeline?

Ruepp: Im Bereich der Verpackung und der Feinpapiere sind natürlich Produktinnovationen wichtig und werden mit viel Aufwand und Investitionen angestrebt. Im Bereich der Massenpapiere für die Druckindustrie liegen die Innovationsbemühungen vor allem in der Ver-fahrenstechnik. Hier wird versucht, die von Kunden gewünschte, standardisierte Produktqualität kosten- und energieeffizienter herzustellen. Eine Produktinnovation im eigentlichen Sinn ist hier nicht angebracht, da die Kunden aus Risikoüberlegungen, etwas die Verleger bei Zeitungsdruckpapier, mehrere Lieferanten berücksichtigen wollen. Somit müssen die Produkte austauschbar, also standardisiert sein.

Frank R. Ruepp ist CEO der Perlen Papier AG und Präsident des Wirtschafts- und Arbeitgeberverbands der Papierindustrie.

Wie kann die Schweizer Papierindustrie der Krise trotzen?

Frank R. Ruepp: Wir haben viele Standortvorteile: Ein wesentlicher Punkt ist die Flexibilität des Arbeitsmarktes und die gute Sozialpartnerschaft. In der aktuell schwierigen Zeit ist sehr wichtig, dass man Arbeitskräfte flexibel und nach ihren Stärken einsetzen und versetzen kann. Dies ist wohl in der Schweiz einfacher möglich als in unseren Nachbarländern, wo die Gewerkschaften sehr stark Einfluss nehmen.

Sie stellen die weichen Faktoren in den Vordergrund. Welche harten Standortfaktoren zählen?

Ruepp: Für unsere Branche wie auch für die anderen energieintensiven Branchen ist der Strompreis existenziell. Stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr, werden Investitionen im Ausland getätigt, Standorte werden geschlossen und die Arbeitsplätze verschwinden für immer.

Welche Rolle spielt der Rohstoff Holz?

Ruepp: Holzhaltige Papier wie zum Beispiel Zeitungsdruckpapier oder Magazinpapier enthalten noch Frischholz, welches entweder als Rundholz oder Sägereirestholz verarbeitet wird. Bezugsquellen sind vor allem die Schweiz aber auch der Schwarzwald. Die holzfreien Papiere wie etwa die gestrichenen Feinpapiere enthalten hingegen kein Frischholz, sondern chemisch aufbereitetes Holz, den sogenannten Zellstoff, welcher vorwiegend in Skandinavien und Kanada hergestellt wird.

Welche Innovationen hat die Branche in der Pipeline?

Ruepp: Im Bereich der Verpackung und der Feinpapiere sind natürlich Produktinnovationen wichtig und werden mit viel Aufwand und Investitionen angestrebt. Im Bereich der Massenpapiere für die Druckindustrie liegen die Innovationsbemühungen vor allem in der Verfahrenstechnik. Hier wird versucht, die von Kunden gewünschte, standardisierte Produktqualität kosten- und energieeffizienter herzustellen. Eine Produktinnovation im eigentlichen Sinn ist hier nicht angebracht, da die Kunden aus Risikoüberlegungen, etwas die Verleger bei Zeitungsdruckpapier, mehrere Lieferanten berücksichtigen wollen. Somit müssen die Produkte austauschbar, also standardisiert sein.