Zehn Jahre nach dem Start ist die Onlinebank Revolut in der Oberliga angekommen. Vor kurzem hat das Unternehmen mit weltweit 65 Millionen Kunden im Bankenviertel Canary Wharf in London einen schicken Hauptsitz bezogen. Das Signal ist klar: Revolut ist Teil der «City». Und die wohl internationalste Retailbank, die es derzeit gibt.
Revolut ist längst über den Status des hoffnungsvollen Fintechs hinaus. Letztes Jahr schrieb das Unternehmen einen Reingewinn von umgerechnet 900 Millionen Franken, die Milliarde dürfte bald geknackt werden. Bis 2027 soll die Kundschaft auf 100 Millionen anwachsen. Derzeit wird die nicht kotierte Gruppe auf rund 75 Milliarden Dollar bewertet und bewegt sich damit in der Grössenordnung von Zurich oder Deutsche Bank.
Auch für die Schweiz hat Revolut grosse Ziele: näher an den Markt, mehr Schweizer Lösungen und einen Status, der die direkte Teilnahme am Zahlungsverkehr erlaubt. Die Schweiz habe das Potenzial, ein zweites Irland zu werden, sagt Revolut-Geschäftsleitungsmitglied David Tirado zur Handelszeitung. Dort erreicht die Bank heute bereits rund 65 Prozent aller erwachsenen Einwohner.
Die Handelszeitung hat die Revolut-Manager David Tirado und Wiktor Stopa in London zum Gespräch getroffen.
Im Kreise der grossen Banken angekommen: Der neue Konzernsitz von Revolut in der Londoner Canary Wharf.
Herr Tirado, Revolut hat das Ziel, die Kundschaft bis 2027 von 65 auf 100 Millionen zu steigern. Wie viele davon werden aus der Schweiz stammen?
David Tirado: Alle stellen mir diese Frage. Was ich sagen kann, ist, dass wir mehr als eine Million Kunden in der Schweiz haben. Wir sind ziemlich stark gewachsen. Wir haben vor ein paar Jahren die Zulassung für eine lokale Vertretung beantragt, sie letztes Jahr erhalten und haben jetzt begonnen, Marketing zu betreiben. Wir erwarten, dass wir den aktuellen Wachstumstrend fortsetzen. Wenn wir sagen, dass wir bis 2027 auf 100 Millionen wachsen wollen, kann man dieses Wachstum wohl auch auf die Schweiz hochrechnen.
Als Sie in der Schweiz Anfang 2025 die Million erreichten, hiess es, dass Revolut mit 250’000 Kunden pro Jahr wachsen wolle. Sind Sie auf Kurs?
Wiktor Stopa: Ich denke, wir bewegen uns in diese Richtung. Die Million war ein echter Meilenstein. Von allen kleineren Märkten war die Schweiz eines der ersten Länder mit einer Million Nutzern.
Die Gesprächspartner: David Tirado und Witkor Stopa
David Tirado ist Vice President Global Business & Profitability bei Revolut und Mitglied der Konzernleitung. Er verantwortet das globale kommerzielle Geschäft sowie die gruppenweiten P & L/Commercial Operations.
Wiktor Stopa ist Head of Growth Western Europe bei Revolut. Er steuert das Wachstum unter anderem in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg.
Die Schweiz ist ein kleiner Markt, gleichzeitig gibt es hier viele Besonderheiten – etwa im Zahlungsverkehr. Ist so etwas für eine Digitalbank mit kleinen Margen rentabel?
Tirado: Der Markt ist sehr profitabel. Vor vier Jahren sagte mir unser Gründer Nik Storonsky: «David, ich möchte, dass du dir die Schweiz genauer ansiehst. Sie ist ein wichtiger Markt für uns und eines deiner fünf Schlüsselprojekte.» Die Schweizer Kunden gehören zu den profitabelsten im ganzen Revolut-Portfolio. Sie nutzen viele Devisenprodukte, aber auch Investment-Angebote. Obwohl es gute digitale Anbieter gibt, dominieren nach wie vor die grossen Banken wie Postfinance, UBS und die Kantonalbanken. Deshalb ist die Schweiz ein interessanter Markt.
Bis vor kurzem durften Sie in der Schweiz nicht aktiv werben, weil Sie grenzüberschreitend aus Grossbritannien heraus tätig waren.
Tirado: Und selbst ohne Marketing haben wir fast eine Million Kunden erreicht. Das ist für mich der beste Beweis, dass wir in der Schweiz ähnliche Levels wie in Irland erreichen können, wo mehr als 65 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ein Revolut-Konto haben. Deshalb wollen wir unser Schweizer Geschäft möglichst lokal und umfassend weiterentwickeln.
In Banker-Kreisen heisst es oft immer noch: Nette Karten, nette App, aber lohnt sich das auch? Verdienen Sie heute in der Schweiz Geld?
Tirado: Ja. Für 2024 wiesen wir im Konzern 1,4 Milliarden US-Dollar Vorsteuergewinn aus. Eines unserer Kernziele ist es, in keinem Land Verluste zu schreiben. Das kann in Expansionsmärkten mal vorkommen, aber nicht in einem Land wie der Schweiz. Ich weiss nicht, wer sagt, wir würden keinen Gewinn schreiben. Ich garantiere Ihnen: Wir sind profitabel in der Schweiz.
Wie viel haben Sie in den Markt investiert?
Tirado: Diese Zahlen veröffentlichen wir nicht. Wir haben sehr viel investiert – etwa für die lokale Repräsentanz, für die Einführung von Schweizer Kontonummern in Partnerschaft mit der Postfinance und für neue Produkte wie die Geldmarktfonds. Die Investitionen nehmen zu.
Stopa: Spannend ist auch das Geschäftskundensegment. Dort sehen wir dieselbe Nachfrage wie im Privatkundensegment. Das ist das ideale Szenario. Unternehmen mit viel Auslandsgeschäft profitieren von uns.
Welche Art von Geschäftskunden haben Sie? Kleine KMU?
Stopa: Im Moment alle, die viel Austausch mit dem Ausland haben. In Euro-Ländern ist die Kundschaft oft jünger. In der Schweiz hingegen ist sie sehr breit gestreut. Der Produkt-Markt-Fit ist da. Das zeigt mir, dass das ein Markt ist, in dem wir unsere Massnahmen noch einmal stark intensivieren müssen.
Bislang bieten Sie in der Schweiz keine Kredite an. Wann kommt das?
Tirado: Ich kann keinen Zeitplan nennen, aber in unserer Strategie ist klar vorgesehen, das Kreditgeschäft auszubauen. Momentan konsolidieren wir unser Angebot. Wir wollen Primärbank für mehr Kunden werden – also auch Löhne empfangen.
Das ist im Moment noch ein Problem, denn die Schweizer Kontonummern lauten noch auf die Postfinance. So was gibt man nicht beim Arbeitgeber als Lohnkonto an. Können Sie da schon Änderungen ankündigen?
Tirado: Noch nicht. Aber ich kann versprechen, dass wir hart daran arbeiten, das Produkt stärker zu lokalisieren. Unser Ziel ist es, eine Primärbank für die Schweiz zu werden.
Brauchen Sie eine Schweizer Banklizenz, um direkt am Zahlungsverkehr der SIX teilnehmen zu können?
Tirado: Es gibt zwei Möglichkeiten: eine volle Banklizenz oder eine vollwertige Niederlassung, basierend auf unserer europäischen oder britischen Banklizenz. Das prüfen wir derzeit.
Stopa: Das ist eines der grössten Themen für Schweizer Kunden. Deshalb ist das eine Priorität.
Sie sind daran, das Schweizer Geschäft aufwendig auf die in Litauen registrierte EU-Banklizenz umzubuchen. Hat dieser Prozess Auswirkungen auf das Wachstum in der Schweiz?
Tirado: Nein, wir sehen weiterhin gute Zahlen. Die Kunden müssen sich aber neu lokal identifizieren. Das sorgt für etwas mehr Hürden, stärkt aber das Vertrauen. Insgesamt ist das positiv.
Revolut prüft eine zusätzliche Banklizenz in Frankreich. Wäre es dann nicht naheliegender, das Schweizer Geschäft statt über Litauen über Frankreich laufen zu lassen?
Tirado: Wir prüfen derzeit, ob die Schweiz künftig über Frankreich, Litauen, Grossbritannien oder über eine eigene Banklizenz laufen soll.
Sonst noch News zum Schweizer Markt?
Tirado: Nichts, über das man schon reden könnte.
Stopa: Aber natürlich, was wir auf nächstes Jahr mit Audi planen, da steckt viel Schweizer Geschichte drin.
Tirado: Ja, es ist ein grosses Bekenntnis, dass wir ab 2026 ein Schweizer Formel-1-Team – das bisherige Team Sauber – sponsern: Wir werden auf immer schweizerisch sein.
Revolut wird zum Sumup-Konkurrenten
Eines der Produkte, das Revolut für die Schweiz noch nicht ankünden kann, ist der Einstieg in das Geschäft mit der Zahlungsakzeptanz. Dieses Acquiring von Zahlungen für Handel und Gastronomie wird hierzulande von der französischen Worldline dominiert und hat mit Nexi und dem Digitalanbieter Sumup nur wenig Konkurrenten.
Noch wickelt Revolut in der Schweiz keine solchen Kartenzahlungen ab, die Einführung eines entsprechenden Angebots für Firmenkunden dürfte aber «kurz» bevorstehen, wie die Handelszeitung von einem Revolut-Mitarbeiter erfahren hat. Demnach hätten sämtliche technischen Tests bereits stattgefunden, und es fehlten nur noch die Zulassungen.
Auf diese verweist auch eine Sprecherin von Revolut auf Nachfrage. Zum Stand der Einführung könne man nichts Offizielles sagen. Revolut ist in mehreren Ländern bereits als Acquirer für Kartenzahlungen tätig und tut das mit einem Angebot, das mit jenem von Sumup – bekannt für seine weissen Zahlungsterminals – vergleichbar ist und das nebst der eigentlichen Kartenzahlung auch eine Kassensoftware beinhaltet.