Beim Konkurs kommt jede Hilfe zu spät, dieser führt zur Totalliquidation, aus deren Erlös die Gläubiger befriedigt werden. Die Nachlassstundung hingegen ist eigentlich ein Sanierungsinstrument. Man unterscheidet dabei zwei Verfahren:

Nachlassstundung mit Vermögensabtretung Diese Variante wird auch als «sanfter» Konkurs bezeichnet. Tatsächlich führt dieser Weg zur Liquidation des Unternehmens. Allerdings wird der Betrieb nicht abrupt stillgelegt, sondern weitergeführt. So lange, bis das Geschäft langsam runtergefahren worden ist. In dieser Zeit wird das Unternehmen liquidiert. Weil die Zeit nicht drängt, sind die Liquidationserträge höher als beim Konkurs. Dadurch können mehr Forderungen der Gläubiger gedeckt werden. (Beispiel: SAirGroup)

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Nachlassstundung mit Prozentvergleich Bei dieser Variante steht die Weiterführung des Betriebes im Vordergrund. Dies hat allerdings zur Folge, dass die Gläubiger auf einen grossen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Wie viel den einzelnen Gläubigern zusteht, wird anhand der Nachlassdividende dem Verhältnis von vorhandenem Geld zu Forderungen ermittelt. (Beispiele: SC Bern, Porzi Langenthal, EHC Kloten)

Fall 5

André & Cie.

So kams zum Nachlass: Das einst fünftgrösste Getreidehandelshaus André kam schon in den 90er Jahren ins Schlingern. Anfang 2001 sollte ein neues Management unter dem ehemaligen SGS-Manager Friedrich Sauerländer die Lausanner Traditionsfirma retten. Doch die neue Strategie die Rückbesinnung aufs Kerngeschäft kam zu spät. André stand bei ihren Gläubigern mit mehreren Milliarden Franken in der Kreide. Die Banken, allen voran die UBS, waren nicht bereit, den Sanierungsplan zu finanzieren. Im März 2001 bekam André die Nachlassstundung bewilligt.

Forderungen: Von den anfänglich mehr als 2 Mrd Fr. ausmachenden Gläubigerforderungen wurden 583 Mio Fr. anerkannt. Mit 242 Gläubigern wurde ein Vergleich über 221 Mio Fr. erzielt. Die Nachlassdividende beträgt beim heutigen Stand somit aussergewöhnliche 8090%.

Sachwalter: BFB Fidam.

Aktueller Stand: Die Liquidation von André hat im vergangenen Juli begonnen und wird nach Erwartungen des Nachlassverwalters Bruno Vocat noch zwei Jahre dauern. Vocat will sich nicht darüber äussern, wie sich die derzeit hohe Rückzahlungsquote in dieser Zeit entwickeln wird.

Fall 6

Miracle

So kams zum Nachlass: Ende Oktober 2000 drehte die Credit Suisse der Langenthaler Software-Firma den Geldhahn zu, weil sich das Geschäft mit der Betriebssoftware nicht wie geplant entwickelt hatte. Der Shootingstar des Neuen Markts der Schweizer Börse wollte daraufhin Konkurs anmelden, entschied sich dann aber für eine Nachlassstundung, weil der Surseer Unternehmer Otto Ineichen das Geld für eine Auffanggesellschaft namens New Miracle zur Verfügung stellte.

Forderungen: Die Gläubiger fordern rund 150 Mio Fr. Sie sind zu weniger als einem halben Prozent gedeckt. Die Nachlassdividende könnte gar auf 0% fallen.

Sachwalter: Transliq, Bern.

Aktueller Stand: Von den vier Gesellschaften hat die Miracle Solution Konkurs angemeldet. Bei den übrigen drei läuft die Liquidation. Ein rechtsgültiger Kollokationsplan besteht allerdings erst für die Miracle Holding. Bei Miracle Management und Miracle Software sind noch Einsprüche von Gläubigern zu erwarten. Die Auffanggesellschaft New Miracle gab im April 2001 ebenfalls auf. Um die Software stabiler zu machen, wären Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe nötig gewesen. Das war Ineichen zu viel.

Fall 7

«Porzi»

So kams zum Nachlass: Die Restrukturierungen der Porzellanfabrik Langenthal waren für die Banken zu langwierig: Mitte November letzten Jahres kündigten sie dem hundertjährigen Unternehmen die Kredite die Weiterführung der Geschäfte war nicht mehr möglich. Die Geschäftsleitung beantragte Nachlassstundung und ging auf Investorensuche.

Forderungen: Die ungesicherten Forderungen haben zu Beginn der Stundung 5,5 Mio Fr. betragen. Ihnen standen Aktiven in der Höhe von 1,2 Mio Fr. gegenüber. Daraus errechnet sich eine Nachlassdividende von 21%. Bis Mitte Jahr 2002 ist die Dividende aber auf 10% gesunken, obwohl die Porzi weiterproduzierte und über 3 Mio Fr. liquide Mittel erarbeitete.

Sachwalter: Transliq, Bern.

Aktueller Stand: Im Mai dieses Jahres haben Management und Sachwalter Geldgeber gefunden: Eine Gruppe französischer Investoren hat die «Porzi»-Aktien übernommen. Überdies haben die wichtigsten Gläubiger auf 30 Mio Fr. ihrer Forderungen verzichtet. Heute steht die Porzellanfabrik, mit dem alten Management, wieder auf ihren eigenen Beinen.

«Meine Tätigkeit dreht sich rund um die Krise»

Karl Wüthrich, der Sachwalter und voraussichtliche Liquidator der Swissair lebt von der Krise. Denn er zerlegt nicht nur Firmen, sondern saniert sie auch.

Seit über 20 Jahren arbeiten Sie als Sachwalter oder sitzen in Gläubigerausschüssen. Dabei geht es immer darum, Firmen zu zerlegen. Ist das nicht eine etwas destruktive Arbeit?

Karl Wüthrich: Die Arbeit ist überhaupt nicht destruktiv. In diesen Momenten geht es darum, aus der bestehenden Situation das Beste zu machen. Deshalb ist das eine sehr konstruktive Tätigkeit.

Der Reiz liegt darin, dass Sie versuchen, möglichst viel rauszuholen?

Wüthrich: Ja. Bei der Swissair sollten am Anfang möglichst viele der Betriebe erhalten bleiben, und diese versuchen wir jetzt zu verkaufen. Auf diese Weise bleibt die Substanz erhalten, die schliesslich den Wert für die Gläubiger generiert.

Trotzdem werden Sie immer erst dann gerufen, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Wüthrich: Das stimmt nicht. Ich habe andere Mandate, die ich aber nicht nennen darf, bei denen ich früher gerufen werde.

Dann sanieren Sie auch Firmen und zerlegen sie nicht nur?

Wüthrich: Selbstverständlich, aber da bin ich ans Anwaltsgeheimnis gebunden. Normalerweise erscheinen die dann nicht in den Medien, weil es nicht zum Crash kommt. Zudem bin ich oft auch noch als Gläubigervertreter tätig. Eigentlich dreht sich meine Tätigkeit rund um die Krise.

Krise als Chance?

Wüthrich: Ja, mein Ansatzpunkt ist die Krisensituation.

Wie beeinflussen sich denn die Arbeiten? Was lernen Sie für Sanierungen aus der Arbeit des Sachwalters?

Wüthrich: Wenn Sie als Liquidator und Sachwalter gearbeitet haben, beachten Sie bei der Sanierung auch die schlechteste Variante: Was tun wir, wenn die Sanierung scheitert? Das hilft dann, eine vorbereitete Nachlassstundung durchzuführen.

Sie machen aber auch Sanierungen, bei denen das Unternehmen weiterexistiert und nicht in die Nachlassstundung kommt?

Wüthrich: Selbstverständlich. Wenn Sie für einen an sich guten Betrieb einen Investor finden, dann können Sie beispielsweise mit einer Kapitalherab- oder -heraufsetzung das Unternehmen auf Vordermann bringen.

Haben Sie während den 20 Jahren nie daran gedacht, etwas anderes zu machen?

Wüthrich: Nein, das ist die Arbeit, die mir gefällt. Als Anwalt habe ich so viele Komponenten drin, die ich sonst selten habe: Da sind hoch interessante Rechtsfragen. Ich bin nicht nur Berater, sondern kann auch entscheiden, ich muss etwas tun, etwas bewegen und erledigen. Ich kann prozessieren, organisieren und etwas besser machen.

Das verlangt auch viel Fachwissen und Spezialistentum.

Wüthrich: Ja, das ist so.

Dies zeigt sich in den Gläubigerausschüssen und den Nachlassverfahren. Da sitzen oft dieselben Leute, und es gibt Gruppen, die gleich zusammen in den Ausschuss gewählt werden. Bestehen da Seilschaften?

Wüthrich: Es ist tatsächlich so, dass man immer wieder die gleichen Leute antrifft. Die kennen sich untereinander und sagen ihren Klienten auch, wen sie sonst noch vorschlagen sollen. Deshalb kommt es zu diesen Resultaten.

Die Kandidaten für den Gläubigerausschuss werben für sich und propagieren sich als eingespieltes Team.

Wüthrich: Das geht manchmal gut. Es kann aber auch aus Gläubigerkreisen heissen, das dies ein Klüngel ist. Worauf dann wieder andere Leute gewählt werden.

Was verdienen Sie an einem solchen Mandat?

Wüthrich: Die Mandate werden im Stundensatz definiert, die liegen zwischen 90 und 400 Fr. Wirtschaftskanzleien verlangen im Gegensatz dazu bis zu 800 Fr. in der Stunde.

Und wie gross ist Ihr Aufwand?

Wüthrich: Im Moment entspricht das Swissair-Mandat etwa einem 100-%-Pensum.

Wie viel Zeit müssen die Mitglieder des Gläubigerausschusses aufbringen?

Wüthrich: Viel weniger. Der Ausschuss ist ein Aufsichtsorgan, das bei richtiger Organisation nicht viel Arbeit gibt. Der Rhythmus der Sitzungen sollte nicht unter zwei Monaten liegen, weil sonst der Sachwalter/Liquidator nur noch Sitzungen vorbereitet. Deshalb trifft man sich im Zwei-drei-Monate-Rhythmus.

Ihr Bereich ist krisensicher. Spüren Sie mehr Konkurrenz von Neuen, die in diese Branche einsteigen wollen?

Wüthrich: Krisensicherer Job ist eine heikle Aussage. Ich habe immer das Glück und die Chance gehabt, grosse Mandate zu machen. Die sind auch schön im Rhythmus hintereinander hergekommen.

Von einer zu starken Krise könnten Sie gar nicht profitieren?

Wüthrich: Im Moment hätte ich keine Zeit für ein zweites Mandat. Das Swissair-Mandat lastet mich mindestens 100% aus. Zudem stehen Wenger Plattner auf verschiedenen Standbeinen.

Aber spüren Sie zusätzliche Konkurrenz?

Wüthrich Bis jetzt nicht, denn diese Arbeit erfordert viel Know-how. Ansonsten stürzt man ab.