Von ihrer provinziellen Herkunft ist nichts mehr zu spüren. Umso mehr aber von ihrer harten Schulung im Modegeschäft, wo eine gute Präsentation alles entscheiden kann.

Die neue Chefverkäuferin von Hennes & Mauritz trägt einen eleganten schwarzen Hosenanzug aus Schurwolle natürlich von H&M. «80% meiner Kleider stammen von H&M.» Meistens ziehe sie Hosen an, oft auch Jeans, darin fühle sie sich wohl: «Sie kennen sicher unsere Denims.» Auch die farbigen Klunker um ihren Hals gehören zum H&M-Design. «Unsere Halskettenkollektion ist diese Saison sehr breit. Der Accessoires-Bereich ist in den letzten zwei Jahren überdurchschnittlich gewachsen.»

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Der Nachname passt nicht

Kaum eine Minute vergeht, ohne dass Doris Klein nicht das breite Angebot und die Vorzüge der schwedischen Modekette erwähnt. Und das alles präsentiert die hochgewachsene Deutsche, die ihren Namen mit 1.78 Meter Körpergrösse Lügen straft, mit einem kecken Lächeln.

Doris Klein ist die geborene H&M-Verkäuferin und seit September die Chefverkäuferin für die Schweiz und Italien. Low Profile scheint ihre Devise zu sein. Auf Fragen nach ihrem sozialen Hintergrund, dem Beruf ihrer Eltern, weicht sie aus: «Das ist unwichtig. Schliesslich repräsentiere ich H&M.» Solche Bescheidenheit macht neugierig.

Platzhirsch in der Provinz

Aufgewachsen ist Klein in Saarlouis, einem deutschen Kleinstädtchen mit rund 40000 Einwohnern und viel französischem Flair, das in der Nähe von Saarbrücken und der deutsch-französischen Grenze liegt.

Bereits mit 20 war sie Einkäuferin und leitete die Abteilung Jeans und Young Fashion mit acht Mitarbeiterinnen im Kaufhaus Pieper, dem «Platzhirsch» in Saarlouis. Dort hat sie auch ihre Lehre durchlaufen, hat gelernt, wie man Damenkonfektion, Mäntel und Kostüme verkauft, und wurde von ihrer damaligen Chefin stark unterstützt.

«Sie stammt aus einfachen Verhältnissen, war unauffällig, aber überaus quirlig, agil und neugierig», erinnert sich eine Arbeitskollegin von damals. Mit solchen Eigenschaften lässt sich Karriere machen, auch wenn sie das nie geplant habe: «Ich habe stets das gemacht, was Spass macht und Spass macht mir Mode und die Zusammenarbeit mit Menschen», sagt Doris Klein. Sie sieht ihre Stärken vor allem im Verkaufen und weniger im Einkaufen.

Mühe mit Alters-Hierarchie

Wenn sie sich nicht wohl fühlt, harrt sie nicht lange aus. An ihrer zweiten Arbeitsstelle in einem Modegeschäft in Saarbrücken blieb sie knapp neun Monate: «Es war ein sehr hierarchisch geführtes Unternehmen, in dem ich mich nicht entwickeln konnte. Ganz anders als bei H&M.» Beim schwedischen Modehaus zähle Leistung und Arbeit und nicht die Anzahl Jahre, die jemand auf dem Buckel habe.

Sie und H&M würden ideal zusammen passen, weil sie beide auf das Gleiche Wert legten: «Einfache Kommunikation, Teamwork, Kostenbewusstsein, gesunder Menschenverstand und Fairplay.»

Angeheuert hat sie vor zehn Jahren bei Hennes & Mauritz. «Wenn man damals über Fashion, Preis und Erfolg sprach, kam nur H&M in Frage.» Nach einer dreimonatigen Einführungsphase leitete sie bereits die erste H&M-Filiale in Frankfurt mit 40 Mitarbeitenden.

Der Sprung in die Grossstadt war für sie eine enorme Herausforderung. Natürlich passierten dem Greenhorn auch Fehler, lacht sie und erzählt: «Als ich zuwenig Lagerraum für die Kleider zur Verfügung hatte, mietete ich gleich selber leerstehende Räume, ohne vorher meine Vorgesetzten in Hamburg zu fragen.» Doch solche Kompetenzüberschreitungen wurden verziehen. Bald leitete die schnelle Deutsche eine weitere Filiale, und nach zwei Jahren bei H&M war sie bereits Area-Managerin für die Region Düsseldorf, zu der rund 30 Filialen gehörten.

Vorbilder, die sie förderten

In Hans Andersen, der bis vor kurzem Chef von H&M Deutschland war und sie unterstützte, fand sie ein Vorbild. Er habe die Begabung, Talente zu entdecken und zu fördern. «Unter ihm ist die schwedische Modekette in Deutschland gewaltig gewachsen. Als ich bei H&M begann, existieren dort 60 Filialen, heute sind es 290.» Er ist ebenso ein Vorbild für sie wie auch ihre erste Chefin in Saarlouis, die sie stark förderte und der sie vieles verdankt.

Obwohl Doris Klein entscheidungsfreudig und spontan ist, überlegt sie sich wichtige Entscheide. Beim Angebot, Länderchefin der Niederlande zu werden, hat sie nicht sofort zugesagt. «Meine Tochter war damals erst zwei Jahre alt.» Nach einem Wochenende zusammen mit ihrem Mann in Amsterdam wurde ihr aber klar: «Das ist eine internationale und inspirierende Stadt. Hier werden wir uns wohl fühlen.»

Hausmann machts möglich

Ihr Mann, der früher im Innenausbau tätig war, arbeitet als Hausmann und kümmert sich um die kleine Tochter. Dieses untypische Familienmodell hält sie für etwas ganz Selbstverständliches, über das sie nicht viele Worte verlie-ren will.

Noch wohnen Mann und Tochter in Amsterdam, und Doris Klein sieht sie nur an den Wochenenden. Sie hofft aber, demnächst in Genf eine Wohnung zu finden, und will nun ihr Französisch, das sie in der Schule gelernt hat, auffrischen.

Als Zerstreuung besucht sie gerne zusammen mit ihrem Mann Konzerte. Das Spektrum reicht von Mainstream wie Robbie Williams bis zum anspruchvollen Jazz von Jan Garbarek. Viel Zeit für Hobbys und Sport bleiben ihr aber neben Beruf und Familie nicht.

Doch auf Joggen will sie nicht verzichten. Pro Woche läuft sie drei- bis viermal. Als Ziel hat sie sich den Halbmarathon in Brüssel gesetzt. 16 Kilometer ist bisher ihre längste Distanz. «Beim Laufen kann ich mich gut entspannen, alle Dinge an den rechten Platz rücken und mich auf den Beruf oder die Familie konzentrieren.»

Mit ihrer neuen Aufgabe in Genf kann sie die Qualitäten einer Marathonläuferin gebrauchen: Gleich zwei Länder leitet sie von hier aus. Die Anfrage von H&M, den Markt Schweiz und Italien zu beackern, kam unerwartet. «Ich habe mir aber immer gewünscht einmal Neuland zu betreten, einen neuen Markt aufzubauen und dort unsere Kultur und unsere Werte zu etablieren.» Die Herausforderung, den italienischen Markt zu erobern, ist besonders gross, denn die Konkurrenz auch im preiswerten Segment ist dort stark etabliert.

In Italien ist die schwedische Modekette erst seit zwei Jahren präsent. Italienisch spricht Doris Klein nicht. «Aber ich habe eine grosse Affinität zu den Italienern, die so offen und so modisch sind.» Und sie ist überzeugt: «Unsere Akzeptanz dort ist sehr gross.»

Freundliche Schweizer

Auch die Schweiz sei ein sehr wichtiger Markt, der obendrein sehr profitabel sei. «Hier kann ich keine Pionierarbeit mehr leisten, aber weitere Filialen eröffnen.» Und damit den Wachstumspfad, den H&M in den letzten Jahren erfolgreich einschlug, fortführen.

Und worin unterscheiden sich die Filialen in der Schweiz von denen in anderen Ländern? Bei ihren Besuchen von 30 Schweizer Filialen hat sie festgestellt: «Die Freundlichkeit ist in der Schweiz grösser als anderswo.»

Mindestens zwei Tage der Woche besucht Doris Klein Filialen. Dabei hat sie nicht ganz überraschend vor allem ein Ziel vor Augen: «Mode und Qualität zu gutem Preis verkaufen.»

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Steckbrief

Name: Doris Klein

Funktion: Geschäftsführerin H&M Hennes & Mauritz Schweiz und Italien

Alter: 37

Wohnort: Genf/Amsterdam

Familie: Verheiratet, vierjährige Tochter

Karriere

1995-1996 Filialleiterin H&M für zwei Geschäfte in Frankfurt

1997-2003 Areamanagerin H&M in Düsseldorf

2003-2005 Geschäftsführerin H&M Niederlande

seit September 2005 Geschäftsführerin H&M Schweiz und Italien

Firma: Hennes & Mauritz

In der Schweiz ist die schwedische Modekette seit 1978 vertreten. Sie betreibt mittlerweile 51 Geschäfte in der Schweiz und hat rund 2000 Beschäftigte. Als stärkste Modekette der Schweiz erzielte sie 2004 mit 47 Filialen einen Umsatz von 619 Mio Fr. In Italien ist H&M erst seit zwei Jahren präsent, eröffnete seither zehn Geschäfte und beschäftigt rund 350 Personen. Seit 1947 eroberte das börsenkotierte Unternehmen 22 Länder, besitzt über 1100 Filialen und hat 45000 Beschäftigte. Die diversen Kollektionen werden in Stockholm entworfen.