Zürich, Dianastrasse 6: Sitz der Zürcher CLS Communication AG. Besucher müssen sich via Gegensprechanlage «ausweisen». Auch im 2. Stock lässt sich die Tür ins Allerheiligste nur mit Badge oder von innen öffnen. Welch ein Kontrast zu den weit geöffneten Büros und dem herzlichen Empfang von Doris Marty: «Ich weiss, es ist nicht gerade angenehm, aber wir arbeiten zu 60% für Banken und Versicherungen. Da gilt höchste Diskretion auch im Übersetzungswesen.»

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Ihre aufgestellte offene Art, mit der sie ihre Gesprächspartner rasch in ihren Bann zieht, ist ihre Waffe im Umgang mit Mitarbeitenden und Kunden. Mit ihrer natürlichen Selbstsicherheit verströmt sie Zuversicht und schafft so ein Klima des Vertrauens.

Nichts wirkt aufgesetzt, weder ihre Fröhlichkeit noch ihre Ernsthaftigkeit, wenn sie von der «beruflichen Chance ihres Lebens» erzählt: Sie war gerade mit dem Aufbau ihres eigenen Sprachendienstleistungs-Unternehmens beschäftigt, als sie das Angebot erhielt, die internen Übersetzungsdienste des Schweizerischen Bankvereins in Basel (heute UBS) und der Zürich Versicherungs-Gesellschaft für ein Outsourcing fit zu machen mit der Option auf ein späteres Management Buyout.

Die Möglichkeit, mit einem 40-köpfigen multikulturellen Team etwas zu bewegen, faszinierte die damals 35-Jährige mehr als der Alleingang. Sie spricht stets in Wir-Form, ganz einfach deshalb, weil sie nicht glaubt, dass eine einzelne Person ein Unternehmen zum Erfolg führen kann.

Das aber wollte sie und deshalb gilt der erste Punkt im Unternehmensleitbild der gemeinsam anzustrebenden Benchmark: «Wir wollen im Bereich multilingualer Unternehmenskommunikation die Messlatte setzen.»

Neue Wege und Strukturen

Als dipl. Übersetzerin mit Nachdiplomstudium zum Executive MBA an der Uni St. Gallen wusste Doria Marty genau, wo es in herkömmlichen Übersetzungsbüros hapert. Als eine der ersten Massnahmen schaffte sie die branchenübliche Monokultur ab und organisierte die Kundenberatung, Sprachengruppen und internen Prozessabläufe nicht mehr nach der Sprachrichtung, sondern nach kundenorientierten Teams.

«Das schafft intern einen gesunden Wettbewerb, fördert den Teamgeist und gemeinsam das Kostenbewusstsein, was die Effizienz ziemlich rasch steigerte. Das war eine unabdingbare Voraussetzung auf dem Weg zum Profitcenter und der Gründung der CLS Corporate Language Services, wie die Aktiengesellschaft bis vor kurzem hiess», sagt Marty.

Richtige Einschätzung

Den Sinn neuer Strukturen sahen selbst langjährige Bankverein- und Zürich-Angestellte ein, öffneten sich ihnen doch intern wie extern neue Welten. David Parish, Mitstreiter der ersten Stunde auf Geschäftsleitungsebene, sagt es so: «In Doris Marty wurde für uns die ideale Chefin gefunden. Von Anfang an verstand sie es, die Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden einzuschätzen, um sie im neu gegründeten Unternehmen am richtigen Ort einzusetzen.»

Mit Teamverantwortlichen konnte ein mittleres Kader gebildet werden. Dadurch wurden Aufstiegs- und Weiterbildungsanreize im Unternehmen geschaffen. Karriereplanung und eine breitere Abstützung der Geschäftsverantwortung sind ganz im Sinne des von Marty vorgelebten Wir-Gefühls. «Ein Teamleiter ist auch näher beim Kunden und kann die sich verändernden Umstände wie etwa zunehmenden Kostendruck rascher erkennen, um darauf, wenn nötig nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung, zu reagieren.»

Zudem begrüsse es jeder Kunde, für seinen externen Sprachenservice mit dem stets gleichen verantwortlichen Team zusammenzuarbeiten.

Auch den branchenüblichen Verrechnungsmodus «Tarif je Zeile» schaffte Doris Marty ab, damals ein Novum in der Branche. Die CLS-Sprachendienste werden nach Aufwand angeboten, wofür sie mit den Führungsteams verschiedene Modelle erarbeitete. Nicht jede Dokumentenart benötige den gleich hohen Standard, sodass sie gemeinsam ein mehrstufiges Lösungs- und Preismodell eingeführt hätten. «Wir haben von Beginn weg immer schwarze Zahlen geschrieben, sodass wir laufend in die neuesten Technologien investieren konnten», freut sie sich.

Sie ist ein Führungsnaturell, immer in Bewegung, und scheint nie müde zu sein. Auch fürs Neugeschäft hat sie stets den richtigen Riecher und das schlagende Argument: «Jedes Unternehmen, das seinen internen Sprachenservice zu uns auslagert, spart zwischen 20 und 30%.»

Damit stiess sie nach dem Finanzsektor auch bei der Telekommunikationsbranche und im Pharmabereich auf offene Ohren. Dass ihr multilinguales Insourcing-Konzept zur Gründung immer neuer Niederlassungen führt, entspricht ihrer Zielsetzung. «Attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, vermittelt mir ein gutes Gefühl.»

Neben dem Hauptsitz in Basel sind es mittlerweile vier weitere Niederlassungen in der Schweiz, fünf Tochtergesellschaften in Europa und eine in New York. Seit sie ihr Chefbüro von Basel nach Zürich verlegt hat, ist ihr Arbeitsweg wesentlich kürzer, dafür ist sie heute öfters unterwegs. Ihr Bedürfnis zum direkten Kunden- und Mitarbeiterkontakt habe sich auch mit wachsender Unternehmensgrösse nicht verändert.

Überstunden unumgänglich

«Wir verlangen viel von den Mitarbeitenden, sind aber auch bereit, viel zu geben, denn ohne sie geht gar nichts. In unserem hektischen Dienstleistungsalltag sind Überstunden und Wochenendeinsätze unumgänglich, weshalb CLS-Mitarbeitende flexibel sein müssen. Im Gegenzug wird aber auch ihnen hohe Flexibilität durch Teilzeitarbeit oder das Arbeiten zu Hause eingeräumt», sagt Marty.

Zudem hat die CLS längst die Jahresarbeitszeit eingeführt, was den Mitarbeitenden erlaubt, sich selbst zu organisieren. Auf Eigenverantwortung und -organisation zählen sie und ihre sieben Mitinhaber.

Nur so lasse sich ihre auf Kundenwünsche ausgerichtete Leistungs- und Qualitätsstrategie täglich umsetzen. «Jeder Mitarbeitende bei uns weiss genau, woher sein Lohn kommt und dass dieser nur mit guter Leistung garantiert bleibt.»

Zur Person

Doris Marty-Albisser (45) arbeitete für die Stäfa Control Systems (heute Siemens) und die Schweiz. Bankgesellschaft (heute UBS), bevor sie sich 1994 als Sprachtechnologie-Beraterin selbstständig machte. 1995 wandelte sie für den damaligen Schweiz. Bankverein den internen Sprachendienst in ein Profitcenter um. In der 1997 vom Bankverein und der Zürich neu gegründeten Tochtergesellschaft übernimmt sie als CEO und VR-Delegierte die Leitung, welche sie auch seit dem Management Buyout per 1. Januar 2003 als Mitinhaberin innehat. Doris Marty ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann am Zürichsee.

Doris Martys

Führungsprinzipien

1. Fairness und Transparenz.

2. Offene, direkte Kommunikation.

3. Jeden Tag sein Bestes geben.

4. Motivation zu Höchstleistungen.

5. Jeder soll sich als Gewinner fühlen.