Stellen Sie sich vor, wie viel Bausubstanz hier verlottert und wie viel Energie da einfach verpufft!» Der Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller gerät in Fahrt, wenn er Zahlen der Volkszählungen 1990 und 2000 über die Gebäudestatistik in der Schweiz miteinander vergleicht. Was ihm besonders Sorgen bereitet: Der Anteil der Wohnungen, die seit mehr als 20 Jahren nicht mehr renoviert worden sind, ist von 1990 bis 2000 von 34 auf 43,5% gestiegen.

Als eine Investitionshemmerin hat Müller, der als Generalunternehmer die Situation aus eigener Anschauung kennt, die so genannte Dumont-Praxis ausgemacht. Mit einer Parlamentarischen Ini-tiative hat er ihre Einschränkung gefordert (siehe Kasten). Die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) geht jetzt noch einen Schritt weiter: Sie will die Dumont-Praxis bei den direkten

Bundessteuern gleich vollständig abschaffen. Die Kantone, die gemäss Bundesgerichtsentscheid die Dumont-Praxis anwenden müssen, wären frei, ob sie sich dieser Lösung anschliessen wollen. Bis zum Sommer können sich Parteien, Kantone und interessierte Kreise zu diesem Vorschlag äussern.

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Knapper Entscheid

Müllers Vorstoss setzt die lange Reihe von Versuchen fort, die Dumont-Praxis zu beseitigen. So hatte der Zürcher FDP-Nationalrat Rolf Hegetschweiler 2000 gefordert, darauf zu verzichten. Vier Jahre zuvor war die WAK des Ständerats mit dem gleichen Ansinnen gescheitert. Ob die Zeit jetzt für einen Verzicht reif ist, scheint unsicher: Der Entscheid in der WAK des Nationalrats fiel mit 13 gegen 12 Stimmen äusserst knapp aus.

Die Kommissionsmehrheit begründet ihre Meinung unter anderem wie folgt:

• Bei den Steuerpflichtigen sei die Praxis schon immer auf Unverständnis gestossen. Es sei schwierig zu verstehen, «weshalb einem Alteigentümer das Recht gewährt wird, die Unterhaltskosten seiner Liegenschaft uneingeschränkt abzuziehen, während dies einem Neueigentümer in den ersten fünf Jahren nach dem Wohneigen-

tumserwerb nicht zusteht».

• Die Dumont-Praxis sei ein Hindernis für Steuerpflichtige, die eine renovationsbedürftige Altliegenschaft erwerben wollen.

• Mit der Abschaffung der Dumont-Praxis falle ein steuertechnisches Motiv weg, notwendige Renovationsarbeiten hinauszuschieben. Damit werde ein Beitrag zur Erhaltung des Gebäudebestandes geleistet.

• Der Verzicht auf die Dumont- Praxis würde wesentliche admi-nistrative Vereinfachungen mit sich bringen.

Gegen die Rechtsgleichheit

Die von der SP angeführte Minderheit will aus den folgenden Gründen am geltenden Recht festhalten:

• Nur ein kleiner Teil der Liegenschaften, welche die Hand wechseln, seien vernachlässigt und würden deshalb unter die Dumont-Praxis fallen.

• Die Aufhebung würde dazu führen, dass die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Rechtsgleichheit verletzt würden: Ohne Dumont-Praxis könnten jene, die für ihre Liegenschaften bereits weniger bezahlt haben, auch noch die Renovationskosten abziehen, während die Käufer einer neuen oder gut erhaltenen Liegenschaft nichts dergleichen geltend machen können.

• Eine Abschaffung würde sich höchstens ein paar Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regelung für die Bauwirtschaft positiv auswirken.

• Altliegenschaften würden nach dem Wegfallen der Dumont-Praxis für Investoren attraktiver, womit die Preise und in der Folge auch die Mieten in die Höhe getrieben würden.

Argumente ohne Fakten

Beide Seiten haben ein Prob-lem: Es gibt keine Statistik, die Auskunft darüber gibt, wie viel die verzögerten Renovationen ausmachen. Auch existieren keine Angaben über die Auswirkung der Dumont-Praxis bei den Steuern.

Der Schweizerische Hauseigentümerverband (HEV Schweiz) steht hinter dem Vorschlag der WAK. Mit dem Verzicht könnte ein «dringendes Problem» gelöst werden, sagt Patrick Zadrazil vom HEV. Die Parlamentarische Initiative Müller wäre ein «Schritt in die richtige Richtung» gewesen. Aber erst mit einem vollständigen Verzicht könnten alle Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsungleichheiten beseitigt werden, heisst es beim HEV.

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Dumont-Praxis: Eine Wartezeit von fünf Jahren

Bundesgericht

Unterhaltskosten sind nur dann abzugsfähig, wenn sie den Nutzungswert der betroffenen Liegenschaft erhalten helfen. Nicht abzugsfähig sind solche Kosten während fünf Jahren nach dem Kauf einer Liegenschaft, sofern diese Liegenschaft in einem «offensichtlich vernachlässigten» Zustand übernommen worden ist.

Initiative Müller

Mit seiner Initiative wollte der Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller diese Frist von fünf auf zwei Jahre verkürzen. Gleichzeitig sollten die Kantone verpflichtet werden, die gleiche Regelung wie beim Bund zu übernehmen.

Antrag Kommission Die für die Instandstellung einer Liegenschaft aufgewendeten Kosten können sofort nach dem Erwerb abgezogen werden, unabhängig davon, ob der Liegenschaftsunterhalt vernachlässigt wurde oder nicht. Im Bereich der kantonalen Steuern wird es den Kantonen überlassen, ob sie die Praxis ebenfalls abschaffen wollen.