Die Business-Idee

Den weltweit ersten Dünger aus menschlichem Urin hat das Dübendorfer Startup Vuna Nexus 2018 auf den Markt gebracht. «Wir ziehen Nährstoffe aus Abwässern, die sonst als Abfall behandelt werden», sagt die Umweltingenieurin und Mitgründerin Nadège de Chambrier. In der Schweiz und Österreich ist Aurin, der geruchlose Flüssigdünger aus Urin, bereits für alle Pflanzen – vom Gemüse bis zur blühenden Blume – zugelassen. Halbliterflaschen sind über den eigenen Online-Shop und in einzelnen Geschäften erhältlich. Vuna Nexus denkt aber grösser: «Wir bauen unsere Rezyklierungsanlagen, die Urin sammeln, filtern und nutzbar machen für Städte, Gemeinden und Unternehmen», so de Chambrier. Zürich, Lausanne und sogar die Weltmetropole Paris gehören bereits zu den Kunden.

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Die Gründer

Erforscht und entwickelt wurde die Technologie an der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut der ETH Zürich. Die erste daraus entstandene Firma Vuna GmbH entwickelt und baut seit rund sieben Jahren Systeme, die Wasser- und Nährstoffkreisläufe schliessen. Gemeinsam mit Kai Udert, ETH-Professor für Verfahrenstechnik und Ressourcenrückgewinnung, und Umweltingenieur Bastian Etter gründete Nadège de Chambrier 2022 die Vuna Nexus Aktiengesellschaft, um den Recyclingdünger auf den Markt zu bringen. Ihr Bruder David de Chambrier ist der vierte im Gründerteam und ergänzt es mit seinem Wirtschaftswissen.

Der Markt

Düngen spielt eine zentrale Rolle – auch wenn es darum geht, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Das Problem: Bisher kommen vor allem mineralische Stickstoff-, Phosphat- und Kalidünger zum Einsatz. Und eine 2023 veröffentlichte Studie der Cambridge-Universität zeigt, dass allein der Einsatz von Stickstoffdüngern jährlich weltweit für rund 2,6 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich ist – mehr, als Schifffahrt und Flugverkehr zusammen verursachen. Vuna Nexus möchte mit der Düngerproduktion vor Ort nicht nur zur Lösung des Treibhausgasproblems beitragen, sondern auch die Abfallwasserwirtschaft verbessern: «Wir alle zahlen Geld für die zentrale Entsorgung unserer Abwässer – dabei könnten wir auch Geld mit unseren Hinterlassenschaften verdienen und sie für uns nutzen», sagt Nadège de Chambrier. «Ähnlich wie mit Solaranlagen auf dem Dach könnte hier durch Dezentralisierung und Kreislaufwirtschaft ein Umdenken stattfinden.»

Das Kapital

Das Startkapital von 100’000 Franken kam von der Gründerin und ihren drei Mitgründern selbst. Förder- und Projektgelder, etwa von Innosuisse, der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und dem europäischen Klimaforschungsinstitut Horizont Europa brachten rund 2 Millionen Franken in die Startup-Kasse. «Wir verkaufen bereits den Flüssigdünger und realisieren im B2B-Bereich stetig neue Projekte», so Nadège de Chambrier: Die Stadt Zürich nutzt Aurin zur Düngung von Fussballfeldern. In Paris soll eine Rezyklierungsquartierlösung realisiert werden, um den Dünger in Grünanlagen zu nutzen. In der Schweiz läuft die Planung für eine Anlage in einem Privatbankneubau und für ein EPFL-Gebäude in Lausanne. Und im Grossraum Berlin entsteht in Kooperation mit der ESA eine Grossinstallation zu Forschungszwecken.

Die Chance

Im Rahmen eines Innosuisse-Programms erforschen die Gründerin und Gründer aktuell in Pilotschweineställen in den Kantonen St. Gallen und Bern, wie auch Urin von Schweinen besser nutzbar gemacht werden kann. «Aktuell ist die Nitratbelastung im Boden und Grundwasser durch Gülle hoch, während die Nährstoffe nicht ausreichen und die Bauern zusätzlich mineralischen Dünger ausbringen müssen», erklärt die Gründerin. Ausserdem sei Gülle auch mit Antibiotika belastet. «Unser Ziel ist am Ende ein Dünger aus Schweineurin, der nährstoffreich, sauber und sicher ist.»

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Stefan Mair
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