Die Zahl der Briefe schrumpft wegen billigerer Mittel wie Fax und E-Mail stetig», hiess es kürzlich in einem Artikel zur Abstimmung über den möglichen Abbau der Poststellen in der Schweiz. Dass die Zahl der Briefe schrumpft und die der E-Mails steigt, ist unbestritten. Bei der Grossbank UBS verdoppelte sich die Anzahl der E-Mails seit 1999 auf rund 100 Mio in diesem Jahr. Weltweit rechnen die Marktforscher von IDC mit einer Verdoppelung zwischen 2002 und 2006 auf 60 Mrd E-Mails. Doch sind E-Mails wirklich billiger?

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«Wenn wir alle tatsächlich anfallenden Kosten für Sicherheit, Datenspeicherung, die Wartung von Soft- und Hardware einbeziehen, kommen wir für ein E-Mail, von einem Mitarbeiter A zu Mitarbeiter B geschickt, auf einen Betrag zwischen 5 und 7 Fr.», berichtet ein IT-Spezialist einer Zürcher Grossbank. «Das ist eine sehr realistische Preisspanne», heisst es bei einer grösseren Privatbank, ebenfalls aus Zürich. «Wenn wir die Arbeitszeit mit berücksichtigen, die unsere Mitarbeiter für das Herausfiltern von Spams, für das Umsortieren in die diversen Ordner auf dem PC und die Löschvorgänge benötigen, kommen wir sogar auf noch höhere Schätzungen», meint ein IT-Verantwortlicher eines mittelgrossen Zürcher Verlages.

Umfangreiche Kostenberechnung

Tatsächlich ist die Spanne einer Kostenberechnung auch ohne den Einbezug des Faktors Zeit erheblich. Allein die Kostenspanne der Hardware für ein E-Mail-System es umfasst Server und Speicher kostet bei 500 Angestellten zwischen 6000 und 25000 Dollar, je nachdem, wo man bestellt, ob man sich für eine Windows-, Linux- oder Unix-Plattform entscheidet und durch wen man sich alles installieren und warten lässt. Grossfirmen, vor allem aus dem Finanzbereich, fuhren bis vor kurzer Zeit auf Unix-Maschinen. Bei diesen können die Kosten ohne weiteres 200000 Dollar erreichen. Hinzu kommt die Hardware-Wartung, und alle zwei bis drei Jahre sind Neuanschaffungen fällig. Bei der Bestellung von Speichersystemen sollte man nicht zu knapp kalkulieren, man darf getrost von einer jährlichen Verdoppelung des Bedarfs für E-Mails ausgehen. Weiter spielt die durchschnittliche Grösse der Attachments eine Rolle (Tendenz ist ebenfalls steigend), hinzu kommt die Frage, ob und wie oft die Daten auf den teuren Speichermedien kopiert werden, ob und inwieweit die älteren E-Mails auf günstigere Speichermedien endgelagert werden und wie viel Geld für die Sicherheit Virenschutz-Software, Eindringlingabwehr (Intrusion-Detection) sowie für Firewalls unterschiedlicher Hersteller aufgewendet wird. Hinzu kommen weitere wichtige Faktoren, wie Zeit und Ressourcen für Sicherheits-Updates bei Anwendungsprogrammen, Datenbanken, Virenscannern und Internet-Browsern, die Trainings und Kurse, um das Personal à jour zu halten, allfällige Verschlüsselungssysteme und System-Software, mit der alles überwacht, gesteuert und bei Bedarf wieder gebootet werden kann.

Pro Mailbox muss man laut Pierre Brun, Partner bei PricewaterhouseCoopers, zwischen 25 bis 30 Fr. pro User und Monat rechnen (Annahme: 50 MB Speicherplatz), inklusive Virenschutz, Spam-Filterung und der Internet-Anbindung. 50 MB Speicherplatz sind heute sehr wenig und zwingen Benutzer zu haushälterischem Umgang, verbreitet sind deshalb 1 GB. Die Kosten verdoppeln sich dadurch laut Speicherexperten etwa. Und je grösser die Mailbox, desto schwerfälliger die Replikation, also der mobile Gebrauch von E-Mail. Moderne Kommunikationssoftware wie die von IBM-Lotus Notes, Microsoft Exchange, die Collaboration-Suite von Oracle, die Sun ONE Kommunikationsplattform oder für den Wertschriftenhandel sehr wichtig das Bloomberg-Mailsystem kann längst nicht nur E-Mails speichern und verwalten, sondern auch SMS und Internet-Telefoniegespräche als Daten handhaben, MP3-Musik- und Bilddateien sowie den Faxverkehr nahtlos integrieren. Laut den Marktforschern der Radicati Group reichen die Kosten pro Nutzer für drei Jahre zwischen 195 Dollar (für die Oracle-Lösung) bis zu 439 Dollar (für Microsoft Exchange). Die Kollegen der Meta Group errechneten hingegen für IBM-Lotus 300 Dollar pro Jahr und Nutzer, für Microsoft-Exchange 144 Dollar. Bis auf SMS benötigen diese Anwendungen alle viel Speicherplatz. Nicht zu vergessen sind die Upgrades von Lotus Notes Domino R5 auf R6 oder von Microsoft Exchange 5.5 auf 2000 dieser teure Schritt initiierte in vielen Firmen Outsourcing-Projekte.

Die Kosten steigen noch weiter an, wenn die Daten auf teuren Disks als sofort abrufbare Sicherungskopie gelagert werden. Nicht eingerechnet sind die Archivierung, die Zeitkosten und die Kosten für die Sicherheit hier sind die Kostenspannen erheblich. Allein für die Sicherheit muss etwa gleich viel aufgewendet werden wie für den Betrieb. Die Archivierung kann auf den ersten Blick günstig sein, wenn sie auf Tape-Bibliotheken etwa von Storage Tek erfolgt, sie ist einiges höher, wenn die Endstation spezielle Plattenspeicher wie die von EMC, Network Appliance oder Hitachi Data Systems sind, welche die Daten nur einmal speichern, aber nicht mehr überschreiben und löschen (weitere teure Einmalspeicher sind optische oder magnetisch-optische Systeme). Eine Gesamtkalkulation berücksichtigt auch, dass Tapes in acht Jahren nicht mehr die gängigen Formate aufweisen werden, bei der Ablösung von älteren Systemen alle Daten mit kopiert werden müssen und die Verlustrate bei jedem Kopiervorgang infolge Lese-/ Schreibfehlern bis gegen 1% betragen kann. Schliesslich spielt es für die wahre Kostenberechnung auch eine Rolle, ob die Tape-Einheiten online angeschlossen sind, oder ob sie mit einer gewissen Verzögerung («nearline») oder offline arbeiten.

Folgekosten werden unterschätzt

Nicht vergessen werden dürfen die Folgekosten. Diese lassen sich an Einzelfällen recht präzise bestimmen. Im Kern geht es hier immer um die Frage, ob und inwieweit Firmen E-Mails bei rechtlichen Auseinandersetzungen wie Diskriminierungsvorwürfen von ehemaligen Mitarbeitern etwa, Unterschlagungen oder Unregelmässigkeiten in der Bilanz für die Belegung von Geschäftsvorgängen herausgeben müssen und ob und inwieweit diese alle noch vorhanden sind, wenn sie wieder rekonstruiert werden müssen. Eckpunkte sind laut Pierre Brun rund 4000 Dollar für die Analyse eines Tapes. Der US-Pharmakonzern Wyeth musste 823 Backup-Bänder durchsuchen, um in einem Gerichtsfall um ein körpergewichtsenkendes Medikament ein bestimmtes E-Mail zu finden. Man kam auf 1,1 bis 1,8 Mio Dollar Kosten für die Suche und einigte sich auf einen etwas günstigeren Vergleich. Jedes Unternehmen in der Schweiz, das geschäftliche Korrespondenz mit den USA hat, sollte sich deshalb auf eine sehr sorgfältige Implementierung einer geeigneten Speicher- und Wiederauffind-Strategie sowie lange Speicherdauer für E-Mails einstellen.

Der Fall Adecco kostete in diesem Jahr 150 Mio Fr., es mussten 22 Mio E-Mails durchforstet werden. Hier ist indes einerseits zu berücksichtigen, dass alles unter Zeitdruck geschah, und Experten und Consultants rasch zu hohen Kosten mit organisiert werden mussten. Andererseits hat Adecco kein weltweit operierendes, zentrales Firmensoftwaresystem, die Daten der 140 Geschäftseinheiten wurden jeweils in standardisierten Excel-Tabellen an den Hauptsitz geschickt, geprüft, zusammengesetzt, und nach einigen Tagen Analysearbeit mit spezieller Software hatte dann die Firmenleitung ein konsolidiertes Gesamtbild der finanziellen Situation des Unternehmens.

Ein Problem hat eine Firma, wenn sie ein paar wenige, ganz bestimmte E-Mails suchen muss. Die Kosten halten sich laut einem White-Paper von ASX-One in Grenzen, das heisst, unter 100 Dollar pro E-Mail, wenn die Suche nach vier Stunden zum Ziel führt. Müssen 24 Stunden aufgewendet werden, steigen die Kosten auf 900 Dollar pro E-Mail.

Auch die Personalkosten berücksichtigen

Aber das sind Einzelfälle. Alltäglicher ist der Betrieb, und hier kann laut den Marktforschern von Ferris Research von ungefähr den folgenden Kostenpositionen ausgegangen werden: Lokale Netzwerkadministratoren wenden typischerweise 10% der Zeit mit Aufgaben rund um E-Mails auf, ein solcher Administrator kostet mit Sozialabgaben usw. 100000 Fr. pro Jahr, und grössere Unternehmen haben gleich mehrere. Wenn ein neues Virus das Netz im Griff hat, schnellt der zeitliche Aufwand für Sicherheit rasch auf 100% für einige Tage. Dasselbe gilt auch für die Help-Desk-Leute, sie bieten erste Hilfe bei Problemen der Nutzer. Die Benutzer-Administration sie kümmert sich um Neuinstallationen bei frisch eingestelltem, um Mutationen und um das Löschen der Accounts bei ausgeschiedenem Personal darf ebenso wenig vergessen werden wie die oft informelle Unterstützung durch die hausinternen E-Mail-Gurus, das Personal, das die E-Mail-Systeme wartet und unterhält, und die externen Consultants, die alles planen und die Supporter unterstützen.

Viele Faktoren lassen sich bei einer Kostenberechnung nur näherungsweise schätzen zu diesem Schluss kamen auch die Analysten in den hier zitierten Berichten. Bei einem Punkt war die E-Mail-Kostenschätzung aber einfach: Bei den für die Wiederherstellung der Datenbestände nach ganz gravierenden Vorfällen, den so genannten «Disaster Recoverys». Die meisten befragten Firmen hatten laut den Analysten gar keine formalen Pläne für solche Fälle.

Aber zum Glück gibt es dann noch die Briefe und die Post.