Wenn die Bösen sich demnächst am Schwing- und Älplerfest vor Zehntausenden Zuschauern aufs Kreuz legen, steht eines immer im Rampenlicht: das Edelweisshemd. Das freut den Handel. Denn das Eidgenössische verhilft dem Stück Stoff zu Ruhm, Ehre und Absatz.

Der Siegeszug des Edelweisshemds begann vor zehn Jahren, nachdem der Schweizer Bauernverband (SBV) Prominente wie Michelle Hunziker, Köbi Kuhn und Stephan Eicher für seine Imagekampagne in das blaue Hemd gesteckt hatte (siehe Bildergalerie).

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«Bekanntheitsgrad extrem gesteigert»

«Dies hat den Bekanntheitsgrad des Hemdes extrem gesteigert», sagt Samuel Jenni, Marketingchef von Märithüsli, dem grössten Hersteller von Edelweisshemden in der Schweiz. Ende vergangenen Jahres stand das Hemd auch noch aus anderem Grund im Fokus:  In Gossau war Schülern das Tragen eines Edelweisshemdes verboten worden, weil diese «rassistisch» seien. Diese Massnahme wurde vor allem von Politikern der SVP kritisiert, die Schulleitung hob sie wieder auf.

Marketingchef Jenni verwehrt sich gegenüber dem Vorwurf (siehe Video): «Das Hemd hat nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, es ist kein politisches Hemd.» Die grosse Solidarität der Bevölkerung nach der Kritik habe ihn gefreut.  

Rund 20'000 Hemden verkauft das Familienunternehmen inzwischen jährlich. 8000 Hemden verlassen jährlich das Nähatelier des Familienbetriebs in Brienzwiler im Berner Oberland. Weitere 12'000 werden im Tessin gefertigt.

Wenn ein Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest stattfindet, also jedes dritte Jahr, steigt die Nachfrage laut Jenni um rund 15 Prozent. Käufer sind längst nicht mehr nur Schwinger-Fans, sondern auch Städter, die den Swissness-Chic für sich neu entdecken.

Nachfrage steigt

Eine Zunahme der Nachfrage stellen auch die drei etwas kleineren Hersteller fest. Wie hoch diese ausfällt konnten oder wollten die Unternehmen Wenet in Mollis GL, Efbe in Brügg bei Biel BE und Dobler in Willisau LU nicht sagen. Verkaufszahlen sind «unternehmerisches Geheimnis». Efbe-Chef Jörg Misteli und Wenet-Geschäftsführer Fridolin Zentner-Roth sprachen von «einem jeweils spürbaren Anstieg im Austragungsjahr eines Eidgenössischen», während Dobler «keinen wahnsinnigen Ausschlag» feststellt.

Populär ist das Kleidungsstück inzwischen auch im Ausland. «Die Hemden verkaufen wir mittlerweile in die ganze Welt», sagt Misteli. «Vor allem bei Auslandschweizern ist das Edelweisshemd gefragt.»

Konkurrenz durch Billigprodukte

Das Geschäft könnte aber noch besser laufen, wenn da nicht die Konkurrenz durch günstigere Produkte wäre, die in Südamerika oder Fernost produziert werden. Während ein qualitativ hochwertigeres, langarmiges Edelweisshemd je nach Hersteller zwischen 80 und 90 Franken kostet, ist ein billigeres Produkt oft für die Hälfte oder weniger zu haben.

Ein Edelweisshemd beim Detailhändler Aldi kostet 34,90 Franken, bei der Landi gar nur 22,90 Franken. Bei der Landi, welche die Hemden in Kolumbien fertigen lässt, hat sich der Verkauf seit der Sortimentseinführung 2012 verdreifacht. Im vergangenen Jahr waren es rund 40'000, also doppelt so viele wie im Märithüsli. 2016 waren es bislang 20 bis 30 Prozent mehr als im Vorjahr, wie die Medienstelle der Landi bekannt gab.

Edelweisshemden als Aktionsartikel

Aldi führt die Edelweisshemden als Aktionsartikel während eines begrenzten Zeitraums im Sortiment. «Die Edelweisshemden erfreuen sich – speziell zum Schweizer Nationalfeiertag – grosser Beliebtheit bei unserer Kundschaft», hiess es bei Aldi auf Anfrage. Zahlen gibt Aldi nicht bekannt.

«Die Billighemden waren am Anfang schon ein Problem für uns», sagt Samuel Jenni vom Märithüsli. «Inzwischen haben wir aber viele Rückkehrer, die das Original wollen».

Qualität setzt sich durch

Dass ausgerechnet die Landi, die sonst so viel Wert auf Swissness lege, auf den Zug aufgesprungen sei und die Hemden in einem Billiglohnland fertigen lässt, löst bei Wenet-Geschäftsführer Zentner-Roth Kopfschütteln aus. Die Konkurrenz bekomme sein Unternehmen langfristig aber kaum zu spüren, weil die Produkte in der Machart nicht zu vergleichen seien, glaubt der Chef des Familienbetriebs mit insgesamt acht Mitarbeitern.

Dem pflichtet der Chef des Willisauer Textilunternehmens Dobler bei: «Langfristig überleben nur Qualitätsprodukte», sagt Roland Dobler, der das Familienunternehmen in dritter Generation führt.

Den Vorwurf, die Landi verkaufe ein Billighemd, will Kommunikationschef René Kaiser jedoch nicht gelten lassen. Das Edelweisshemd von Landi sei ein Produkt mit einem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis. «Allein schon die Verkaufszahlen der letzten Jahre belegen eigentlich, dass unser Hemd ein gutes Produkt sein muss», sagte Kaiser auf Anfrage der sda.

Hohe Arbeitskosten wegen Handarbeit

Das Originalhemd besteht zu 100 Prozent aus gewebter Baumwolle. Es wird von Hand genäht. Der Doppelzwirn macht es besonders reissfest. Deshalb ist es bei den Schwingern auch so beliebt.

Wegen der hohen Arbeitskosten werden die Hemden nur noch teilweise in der Schweiz gefertigt. Dobler und Efbe lassen ihre Ware in Portugal nähen. Bei Märithüsli und Wenet werden die Kleider nach eigenen Angaben in der Schweiz konfektioniert.

Den Edelweissstoff aber müssen alle Hersteller aus dem Ausland beziehen, weil es in der Schweiz seit Jahrzehnten keine Weberei mehr gibt. Märithüsli lässt den Stoff in Österreich produzieren, Efbe bezieht das Rohmaterial in Portugal und Dobler sowie Wenet im EU-Raum.

Schwingerkönig Matthias Sempach über seine Titelverteidigung am «Eidgenössischen»:

(sda/me)