Die Kadetten Schaffhausen bestreiten bald ihr erstes Saisonspiel. Unter den orange gekleideten Fans des Handball-Schweizermeisters wird sich auch Unternehmer und Kadetten-Präsident Giorgio Behr befinden. Auf dem Parkett könnte einer seiner vier Söhne auftrumpfen: Jean-Marc Behr ist Keeper bei den Kadetten. «Wenn meine Söhne Handball spielen, gehe ich noch mehr mit», sagt Behr. Sport und Familie gehören für ihn ohnehin zusammen. Seine Frau und er haben an manchen Wochenenden bis zu drei Spiele verfolgt, nämlich jedes der im Handball aktiven Kinder. Doch: Die Begeisterung und das Engagement für den Sport passen nicht zum Bild des gefühllosen Sanierers, wie es oft von ihm gezeichnet wird. So wehrte sich der Industriekonzern Georg Fischer mit Händen und Füssen, als Behr 2008 über seine BBC Gruppe eine 6,36%-Beteiligung an GF aufbaute. Über die Streitigkeiten kann er heute nur noch schmunzeln. «Ich bin doch nur ein Unternehmer», so Behr. Klar könne er durchgreifen, doch das müsse jeder, der im Geschäftsleben erfolgreich sein wolle. «Ja, ich habe viele Firmen restrukturiert, aber die leben jetzt alle noch», sagt er. Auch die Kadetten hat er einst saniert und ihnen wieder Leben eingehaucht.

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Unverhofft zum Präsidentenamt

«Ich habe mich im Sport sofort wohl gefühlt», sagt Behr, der mit 18 mit Hallenhandball begann. Er spielte für verschiedene Vereine, bald auch in der höchsten Spielklasse der Nati A, und er wurde Spieler-Trainer und Trainer. Dann brauchte er eine Auszeit, denn gegen Ende der 80er-Jahre beanspruchten ihn die vier Kinder und der Aufbau der eigenen Firma voll und ganz. Doch die Verbundenheit zu den Kadetten blieb. Anfang der 90er-Jahre stand der Klub vor dem Ruin. Behr half den Kadetten bei der Suche eines Vorstandes, der dem Verein auf die Beine helfen sollte. Doch sein Kandidat sprang ab, und er fand sich selber in der Rolle des Präsidenten wieder. Seither wuchs das Budget von 300 000 auf rund 3 Mio Fr. an. Damit sind die Kadetten der Konkurrenz weit enteilt. «Wir sind an der Schweizer Spitze sehr gut etabliert, und auch die Nachwuchsmannschaft könnte sich wohl in der Nati A halten», so Behr. Auch international haben die Kadetten ihre Duftmarke hinterlassen. Das Ziel ist daher klar: Schweizermeister werden. Nur so winkt die Teilnahme an der Champions League.

Schaffhausen ist nicht Barcelona

Rund 20 Jahre nach seinem Einstieg zählen die Kadetten zu den besten 20 Teams in Europa. Ein weiterer Aufstieg scheint unmöglich. «Der Schweizer Sportmarkt ist zu klein und zu stark umkämpft, Schaffhausen zudem die kleinste Sportregion der Schweiz», sagt Behr. Und: «Wir können uns nicht mit Barcelona oder Hamburg messen.» Dennoch soll sich der Verein weiterentwickeln. Ein neues Hallensportzentrum, das zu 60% von Behr finanziert wird, soll genügend Trainingskapazitäten für alle Kadetten-Teams schaffen. Zudem soll ein Internat entstehen, in dem Ausbildung und Sport kombiniert werden können. «Zusammen mit einer geplanten Handball-Arena wollen wir eine komplette Infrastruktur bieten», sagt Behr. Er schwärmt von komfortablen Sitzen, Lounges und Catering-Möglichkeiten. Als aktiver Sportler wäre er um solche Möglichkeiten froh gewesen. Damals gab es für die Handballer in Schaffhausen keine Halle. «Wir mussten im Winter mit Handschuhen und Mützen im Ausstellungszelt in Frauenfeld spielen», so Behr.

Das Budget der Kadetten soll aber nicht weiterwachsen. Denn es ist kein Geheimnis: Trotz aller Erfolge stammt ein grosser Teil der 3 Mio Fr. von Behr. Er unterstützt die Kadetten aus der eigenen Tasche, durch seine Firmen und über Beziehungen. Das soll sich ändern. «In den nächsten sieben bis zehn Jahren soll der Verein von mir unabhängig werden», sagt er. Er werde schliesslich auch schon 62 dieses Jahr, sagt Behr verschmitzt. Der Verein soll daher nachhaltig aufgestellt werden. «Das wäre für mich die grösste Leistung.»

Dank Sport nicht unglücklich

Hallenbau, Sponsorensuche, Vermarktung - das alles braucht Zeit. Doch es gebe auch Phasen, in denen sein Engagement weniger intensiv sei. Dann könne er sich um die Museumsbahn Stein am Rhein kümmern - seine zweite Leidenschaft, die er mit seinem behinderten Sohn teilt. «Sport war immer mein Hobby und auch Bahnen haben mich schon immer interessiert», so Behr. Was er mache, versuche er gut zu machen. Was nicht gelinge, lasse er bleiben. «Ich kann mir auch eingestehen: Das kannst du nicht!» Dadurch werde er vielleicht nicht unglücklich.

«Sport, vor allem der Mannschaftssport, ist für mich Teil einer Lebensschule», sagt Behr. Und er sei auch Triebfeder. «Ich will jungen Menschen helfen, einen Schritt weiterzukommen.»

Ihm selbst hat der Sport viel gegeben, und bestimmte Erlebnisse bleiben immer in Erinnerung. Etwa als der ehemalige Flügelspieler ein entscheidendes Tor in Unterzahl schoss. «Ein Traumtor», sagt er. Eines, das man mache und damit der Held sei - oder sonst zum «Lööli» werde. Doch nicht nur wegen solcher Erlebnisse bleibt er dem Sport verbunden. «Wenn die eigene Mannschaft am Wochenende gewonnen hat, steigt man am Montag mit einer ganz anderen Schaffenskraft die Treppe ins Büro hoch», zitiert Behr den ZSC-Präsidenten Walter Frey. Im Sport lerne man mit Glücksgefühlen und mit Enttäuschungen umgehen. «Wer das nicht kann, frisst vielleicht zu viel in sich hinein», sagt Behr.